Erfahren und gelassen „Die Bundesliga braucht Trainer wie Funkel“

Düsseldorf · Der Mix von Trainer-Typen an den Seitenlinien der Bundesliga wirkt groß wie nie. Deutschlands oberster Fußball-Lehrer Lutz Hangartner findet Vielfalt wichtig.

 Friedhelm Funkel wird vor dem Augsburg-Spiel von Fotografen umlagert.

Friedhelm Funkel wird vor dem Augsburg-Spiel von Fotografen umlagert.

Foto: dpa/Ina Fassbender

Die Forderungen nach echten Typen im Fußball ist wahrscheinlich nur etwas jünger als der Fußball selbst. Besonders in Zeiten, in denen es nicht so läuft wie gewünscht, ist der Ruf nach Charakteren mit Ecken und Kanten, nach einem, der anders ist als die, die schon da sind, fast schon reflexartig. Es ist ein Ruf, der sich aber nicht auf die Spieler beschränkt. Auch auf den Trainerbänken ist 08/15 längst unerwünscht. Als Ergebnis bietet die angelaufene Bundesliga-Spielzeit an den Seitenlinien eine Vielfalt an Charakteren und personellen Experimenten, die groß erscheint wie nie.

Das findet auch Lutz Hangartner, Präsident des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL). „In dieser Saison ist die gesamte Bandbreite an Trainertypen in der Bundesliga vorhanden. Es macht die Bundesliga interessant, dass es so eine Mischung gibt“, sagte der 74-Jährige unserer Redaktion.

Niko Kovac ist einer aus dem interessanten Mix. Der Ex-Bayern-Profi lieferte zwar in Frankfurt eine erfolgreiche Arbeit ab und krönte diese mit dem DFB-Pokalsieg gegen die Münchner, aber für jeden Trainer, der vorher nicht bei Real Madrid, Manchester United oder Juventus Turin gearbeitet hat, sind die Bayern eine neue Erfahrung. Es geht eben um ein Höchstmaß an Druck und Eitelkeiten, das eine Ansammlung an Stars mitbringt. Zum Auftakt ließ Kovac gleich mal Mats Hummels, Arjen Robben, Leon Goretzka und James Rodriguez von Beginn an draußen. Ob er mit dem danach verkündeten „Es wird immer wieder vorkommen, dass ich rotiere“ stressfrei durch eine Saison kommt, wird sich zeigen.

Reaktionen auf die Heimniederlage gegen Augsburg
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Foto: dpa/Christophe Gateau

Auch Bayerns Hauptkonkurrent Borussia Dortmund experimentiert auf der Trainerposition. In Lucien Favre holte der BVB einen, der schon in Berlin und vor allem in Mönchengladbach mit seiner Arbeit Erwartungen übertroffen hatte. Doch genau hier wird es spannend: Der Schweizer liebte es bislang, aus einem vorhandenen Kader mehr herauszuholen als zugetraut. Nun muss er mit einem Top-Kader beim BVB hohe Erwartungen umgehend erfüllen, statt Talente zu entwickeln. Inwieweit sich Favre dafür auch ein Stück weit neu erfinden muss, ist eine der großen Fragen der Saison.

Eine andere große Trainerfrage betrifft Julian Nagelsmann. Der Star unter den jungen Coaches arbeitet noch ein Jahr bei der TSG Hoffenheim und wechselt dann nach Leipzig. Der Wechsel wurde bereits im Juni verkündet – und Hangartner hat seine Zweifel, ob das wirklich clever war. „Ich habe mich sehr darüber gewundert, dass der Wechsel von Julian Nagelsmann zu diesem Zeitpunkt kommuniziert worden ist. Aus Leipziger Sicht fand ich das nicht wirklich klug. Man muss ja zumindest die Gefahr sehen, dass die Saison in Hoffenheim nicht wie gewünscht läuft und er als Trainer dann wirklich droht, eine Lame Duck, also eine lahme Ente, zu werden“, sagte er. Pikanterweise treffen Hoffenheim und RB nicht nur zweimal in der Liga, sondern auch in der zweiten Pokalrunde aufeinander.

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Bis Nagelsmann 2019 nach Leipzig kommt, sitzt Ralf Rangnick dort auf der Bank. Auch eine spannende Personalie. Genauso wie die Fragen, ob Tayfun Korkut dauerhaft in Stuttgart erfolgreich arbeiten kann, wie Domenico Tedescos zweites Jahr auf Schalke verläuft – oder ob der Gegenentwurf zum hippen „Laptop-Trainer“ auch 2018 in Person von Düsseldorfs Trainer Friedhelm Funkel (64) noch in der Bundesliga funktioniert. Hangartner glaubt das. „Es braucht diese unabhängigen Trainer wie jetzt Friedhelm Funkel oder zuletzt Jupp Heynckes, die sagen können, sie müssen das Ganze ja nicht mehr haben, und die deswegen authentischer agieren und den Medien gegenüber gelassener auftreten können. Da muss ein junger Trainer mit Blick auf seine weitere Karriere doch vorsichtiger sein“, sagt er.

Bis man als Trainer der Typ sein kann, der man sein will, braucht es also Zeit. Selbst wenn alle nach Typen schreien.

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