Kolumne Gegenpressing Warum vereinstreue Fußballprofis den Fans Heimat geben

Düsseldorf · Es gibt im Fußball nicht nur Profis, die nach zwei Jahren den „nächsten Schritt machen“ und den Klub wechseln. Spieler wie Müller, Jantschke und Klos sind gut für die Beziehung zwischen Verein und Fans.

 Fabian Klos

Fabian Klos

Foto: dpa/Stuart Franklin

Die Vorsprecher im großen Bielefelder Fußball sind sich erfreulich einig. Sie finden, dass im Sommer eine Ära zu Ende gehen wird. Und diesmal ist der Begriff im sonst so überschäumenden Sportsprech ganz richtig gewählt. Fabian Klos (34) wird die Arminia nach elf Jahren verlassen. Sportgeschäftsführer Samir Arabi dankte vorab zu Recht für „seine heute nicht mehr selbstverständliche Vereinstreue“.

Der lange Kerl hat die Arminia geprägt, kein Zweifel. Er kam seinerzeit aus der zweiten Mannschaft des VfL Wolfsburg zum damaligen Drittligisten. Und er passte schon da nicht in die schöne neue Welt des modernen Fußballs. Ein Nachwuchsleistungszentrum hatte er nie von innen gesehen, und er lebte und lebt auf dem Rasen von vielfach vergessenen Tugenden, von Kampfgeist, Einsatz und Behauptungswillen. Furchterregende Dribblings und zeitgemäßes Gequatsche über abkippende Achter, Restverteidigung oder Pressinglinien sind nicht sein Ding.

Ganz so einzigartig, wie er scheint, ist er allerdings nicht. Zum Glück. Vereinstreue ist zwar nicht gerade der Trend im Fußball des Jahres 2022, in dem die meisten ihre Karriere nach dem Prinzip des Liedermachers Hannes Wader erledigen („Heute hier, morgen dort, bin kaum da, muss ich fort“) und nach spätestens zwei Jahren in einem Klub zügig „den nächsten Schritt“ zur dickeren Lohntüte machen.

Aber es gibt durchaus auch anderswo Typen von der im Aussterben begriffenen Art des Stürmers Klos. Ein paar Beispiele: In Mönchengladbach gehören Patrick Herrmann seit 2008 und Tony Jantschke seit 2009 zum Klub. Sie haben bis jetzt nicht erkennen lassen, dass es für sie in einem anderen Verein den nächsten Schritt geben könnte. Und selbst wenn sie nicht mehr zum Stammpersonal gehören, ist auf sie Verlass.

Marcel Schmelzer steht schon Jahre nicht mehr in der ersten Reihe bei Borussia Dortmund, aber an einen Wechsel hat er noch nie gedacht. Seit 2008 ist er in Dortmund, Stadt und Klub sind die Heimat des Mannes, der in Magdeburg zur Welt kam.

Maximilian Arnold hat sich seit 2012 nicht aus Wolfsburg weglocken lassen. Und Thomas Müller, seit 2009 für Bayerns Profimannschaft im Einsatz, ist das Gesicht des Klubs. Im Gegensatz zu allen anderen, die Vereinstreue der Verbesserung des Einkommens vorziehen, wird er kaum einen renommierteren und zahlungskräftigeren Arbeitgeber finden können. Er ist bereits bei Deutschlands bester Adresse.

Allen gemein ist, dass sie den Anhängern ihrer Klubs eine Identifikationsfläche, ein Stück Heimatverbundenheit bieten. Ihnen nimmt der Fan ab, dass es keine hohle Geste ist, wenn Torerfolge mit dem Fingerzeig aufs Vereinswappen gefeiert werden. Vereinstreue Berufsspieler stehen in der kühlen Geschäftswelt des Zirkus Profifußball für eine Beziehung zwischen Kurve und Klub.

Böse Menschen könnten sagen, dass sich die Vereine ihre vereinstreuen Aushängeschilder zur Verbesserung des Geschäftsklimas zwischen Fußball-Unternehmen und Kunden halten. Aber das sind wirklich böse Menschen.

Gute Menschen träumen davon, dass es auch in Zukunft Spieler wie Müller und Klos und Jantschke gibt. Große Vorbilder hält die Geschichte bereit. Steven Gerrard spielte 17 Jahre für den FC Liverpool, Karl-Heinz Körbel 19 Jahre für Eintracht Frankfurt und Paolo Maldini 25 Jahre für AC Mailand. Wenn Thomas Müller das nachmachen will, wäre er am Vertragsende 44. Dazu wird es wohl nicht kommen. Vereinstreue heißt ja nicht ewige Jugend. Wahrscheinlich ist er dann schon lange ein Spitzenfunktionär im Klub. Die Fans hätten bestimmt nichts dagegen. Nicht einmal die außerhalb von München.

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