Vor dem Start in die neue Saison Bundesliga nach EM-Schmach unter Druck

Neuss (sid). Die Fußball-Bundesliga steht nach dem EM-Desaster der deutsche Nationalmannschaft vor einer Nagelprobe. Die "Schande von Rotterdam" muss getilgt werden - dazu wollen die 18 Erstligisten ihren Beitrag leisten und auch Teamchef Rudi Völler beim Neuaufbau der DFB-Auswahl nach Kräften unterstützen.

Das Image des deutschen Fußballs hat durch die katastrophalen Auftritte des Ribbeck-Teams in den Niederlanden und Belgien arg gelitten, trotzdem scheint der Bundesliga-Boom ungebrochen. Die Dauerkarten für die 38. Spielzeit, die am Freitag (20.15 Uhr/live bei Premiere World) mit dem Duell zwischen Borussia Dortmund und Hansa Rostock gestartet wird, gingen weg wie warme Semmeln. Krösus ist einmal mehr der BVB (43.000 Saison-Billets), wenngleich die Schwarz-Gelben trotz des neuen Trainers und Hoffnungsträgers Matthias Sammer nicht die Vorjahreszahl (45.000) errreichen konnten.

Rund 120 Millionen Mark investierten die Bundesligisten in neue Spieler, obwohl im Vergleich zu den vergangenen Jahren die ganz großen Namen fehlen. Der Teuerste war Willy Sagnol (Foto links mit Sforza, von AS Monaco zu Bayern München) mit 15 Millionen Mark. Im Vergleich zur Weltrekord-Ablöse von 116 Millionen für den Portugiesen Luis Figo (vom FC Barcelona zu Real Madrid) nimmt sich die Investition des deutschen Meisters sehr bescheiden aus. Die Bayern beschränken sich im europäischen Transfer-Wahnsinn auf die Zuschauerrolle.

"Der Feind liegt in Europa, nicht in Deutschland", erklärte Manager Uli Hoeneß, "wenn der FC Bayern so viel Schulden hätte wie Lazio Rom oder Real Madrid, könnte ich keine Minute mehr ruhig schlafen. Das ist ein Sammelsurium zusammengekaufter Spieler. Wenn das die Zukunft sein soll, ist das nicht mehr mein Geschäft."

Bayern auf dem Favoritenschild

Dass der deutsche Doublewinner sich trotzdem mit der europäischen Spitzenklasse bedenkenlos messen kann, dies unterstrich der FC Bayern beim eigenen Jubiläumsturnier. Der Gastgeber gab Manchester United, Champions-League-Sieger Real und Uefa-Cup-Gewinner Galatasaray Istanbul klar das Nachsehen. Schon der 5:1-Triumph im Ligapokalfinale gegen Hertha BSC Berlin bewies, dass die Bayern auch in dieser Saison das Maß aller Dinge sein dürften und auch von den Bundesliga-Trainern auf den Favoritenschild gehoben wurden.

Entsprechend hoch hat Präsident Franz Beckenbauer die Ziele des Abonnements-Champions angesiedelt. "Vor zwei Jahren haben wir einen Titel geholt, im vorigen Jahr waren es zwei. 2001 machen wir uns auf, alle drei Wettbewerbe zu gewinnen", erklärte er. In der vergangenen Saison schnappten des "Kaisers" "Untertanen" dem Erzrivalen Bayer Leverkusen erst am letzten Spieltag und dank der Schützenhilfe des Lokalrivalen SpVgg Unterhaching den Titel vor der Nase weg.

Sehr zum Leidwesen des künftigen Bundestrainers Christoph Daum, der mit dem Werksklub in seine vorläufig letzte Bundesligasaison geht; am 1. Juni 2001 tritt der 46-Jährige in die Dienste des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Vorher will der ehemalige Stuttgarter Meistertrainer Bayer auf den Bundesliga-Thron führen."Wir werden wieder versuchen, das Gravitationsgesetz außer Kraft zu setzen. Unsere Aufgabe ist es, in der Sahara Salat anzupflanzen. Wir müssen was unmöglich Scheinendes hinkriegen zu versuchen, und vielleicht haben wir am Ende eine grüne Oase. Die Chance sollten wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln nutzen, deshalb sage ich: Wir wollen die Meisterschale nach Leverkusen holen", kündigte er im Gespräch mit der Tageszeitung Die Welt an. Allerdings muss der Verlust von Mittelfeldstar Emerson - für die Bundesliga-Rekordsumme von 36 Millionen Mark zum AS Rom - und Stefan Beinlich (Hertha BSC Berlin) kompensiert werden.

Aber auch der Hamburger SV, Hertha BSC Berlin und Borussia Dortmund wollen im Kampf um die Spitzenplätze mitmischen. "Bayern ist immer Top-Favorit, aber ich hoffe, dass Leverkusen, Dortmund und der HSV angreifen können", äußerte Ex-Bundestrainer Berti Vogts im Kölner Express. Zurück hat das deutsche Fußball-Oberhaus auf jeden Fall den ersten Bundesliga-Meister 1. FC Köln sowie den langjährigen Erstligisten VfL Bochum. Absoluter Neuling im Kreis der Spitzen-Vereine ist jedoch Energie Cottbus.

Der Low-Budget-Klub aus der Lausitz will den Arrivierten wie schon zuvor in der zweiten Liga das Fürchten lehren. Frontmann bei Energie ist der ehemalige DDR-Auswahlcoach Eduard Geyer, bei dem Disziplin, Anstand und Gehorsam groß geschrieben werden. So müssen die Cottbuser Spieler die Schuhe selbstverständlich selbst putzen und natürlich auch aufstehen, wenn der gestrenge Coach die Kabine betritt.

Eine neue Ära bricht unterdessen bei der Fernsehberichterstattung an. Es greift der neue TV-Vertrag mit der Kirch-Gruppe, der in den kommenden vier Jahren immerhin drei Milliarden Mark in die Kassen der Profi-Klubs spülen wird. Der Pay-TV-Sender Premiere World kann erstmals alle Begegnungen eines Spieltages live übertragen. Über die fünf Begegnungen am Samstagnachmittag wird zudem in einer Schaltkonferenz berichtet.

Im frei empfangbaren Fernsehen spielt nach wie vor SAT.1 mit seiner "ran"-Sendung die erste Geige, muss allerdings ein wenig abspecken, weil beispielsweise freitags nur noch eine Partie stattfindet. Neu ist auch ein Spätspiel am Samstagabend (20.15 Uhr), das natürlich auch von Premiere World live ausgestrahlt wird. Die ersten Bilder im Free-TV sind im ZDF-Sportstudio zu sehen.

(RPO Archiv)
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