Borussia Mönchengladbach Xhakas Pass-Festival und die linke Borussia

Mönchengladbach · Granit Xhaka passt und Christoph Kramer läuft sich die Seele aus dem Leib. Im Gegensatz zu den meisten Angriffen bewegen sich die Sechser jedoch im Zentrum. Die "Zehn vom Niederrhein" bewegt sich zwischen Zahlen und Aberglaube.

 Zweikampfstark und passsicher: Granit Xhaka.

Zweikampfstark und passsicher: Granit Xhaka.

Foto: dpa, Rolf Vennenbernd

1.) Lust auf mehr Zugegeben, es ist ein Vereinsrekord zweiter Klasse. Das soll den Respekt vor den sieben Heimsiegen der Borussia seit Saisonbeginn überhaupt nicht schmälern. Schließlich kamen in den vergangenen 15 Jahren vermehrt Negativbilanzen zustande, über die eine jede Chronik lieber schweigt. Ansonsten galt: Was die Fohlen in den 70ern nicht geschafft haben, ist überhaupt nicht zu schaffen. Aber in dieser Kategorie gibt es nun einmal eine Bestmarke, die über allem thront: die meisten Heimsiege in Folge, mit beliebigem Ausgangspunkt. Der Allzeit-Rekord des VfL liegt bei zwölf. Von September '83 bis März '84 gab es einen Sieg nach dem anderen. Für eine Wiederholung müsste Gladbach Anfang 2014 jedoch gegen die Bayern und gegen Leverkusen gewinnen. Womit dieses Thema zunächst einmal ad acta gelegt wäre.

Borussia Mönchengladbach: Xhakas Pass-Festival und die linke Borussia
Foto: dpa, Rolf Vennenbernd

2.) Linksrutsch Begeben wir uns lieber auf die Suche nach Gründen, warum Vereinsrekorde beim VfL momentan eine Rolle spielen. Standardsituationen sind dabei zu vernachlässigen, so fiel nur eines der 31 Saisontore. Ganze 24 erzielte Gladbach dafür aus dem Spiel heraus, womit die Mannschaft ligaweit deutlich vorne liegt (Bayern war aus dem Spiel 21-mal erfolgreich). Zudem ist die Borussia linkslastiger als eine rot-rot-grüne Koalition. 42 Prozent aller Angriffe werden über die Seite von Oscar Wendt und Juan Arango gefahren (Stuttgart folgt in dieser Wertung mit 39 Prozent) — so auch jener Angriff, der das 1:0 durch Raffael einleitete. Hinzu kommt, dass die Favre-Elf die zweithöchste Ballbesitzquote der Liga aufweist und die zweitbeste Passgenauigkeit. In fast jeder Statistik manifestiert sich die Top-Vier-Platzierung.

3.) Abkippen, was das Zeug hält Wenn es um Zahlen geht, lohnt sich immer ein Blick auf Borussias Doppelsechs. Dass Christoph Kramer am Sonntag mit 13,31 Kilometern wieder die weiteste Strecke im VfL-Trikot zurückgelegt hat, ist mittlerweile Standard. Dass er damit ligaweit vorne lag, irgendwie auch. Direkt hinter Kramer im internen Lauf-Ranking kommt Nebenmann Granit Xhaka, wenn auch schon mit erheblichem Rückstand (12,01 Kilometer). Dafür sind 138 Ballkontakte und 120 Pässe eine bemerkenswerte Ansage. Das mit dem "Nebenmann" ist nicht besonders präzise ausgedrückt, wenn es um die beiden Sechser geht. Taktiknerds würden sagen: Das Abkippen ist Kramer und Xhaka in Fleisch und Blut übergegangen. So nennt man es, wenn sich einer der defensiven Mittelfeldspieler zwischen die Innenverteidiger zurückfallen lässt, um den Spielaufbau anzukurbeln.

4.) Gar nicht Foul Der SC Freiburg hat sich am Sonntag vor allem defensiv sehr ordentlich angestellt. Verschieben, rotieren, abkippen — Bewegung wie im Glockenspiel eines Rathausturms. Nur nach vorne ging nicht viel aus dem Spiel heraus. Und unnötige Standardsituationen ließen die Borussen wieder einmal so gut wie gar nicht zu. Acht Fouls gingen in die Statistik ein, im Schnitt waren es bisher zehn pro Spiel — der geringste Wert der ganzen Bundesliga. Hannover foult doppelt so häufig.

5.) Hinten sicher Um den Zahlenrausch abzurunden, sei noch eine banale, aber nicht weniger wichtige Statistik angeführt: Gegen Freiburg blieb der VfL zum zweiten Mal in Folge ohne Gegentor. Das gelang zuletzt vor 48 Spieltagen mit einem 0:0 gegen Augsburg und einem 3:0 in Mainz. Inzwischen hat sich die Borussia zur viertbesten Abwehr gemausert. Die Tordifferenz von +15 spricht eine eindeutige Sprache, nur die großen Drei in der Tabelle sind besser.

6.) Prüfstein für die Serie Klingt alles sehr ermutigend. Eine kleine Randerscheinung ließ jedoch das Blut aller Anhänger gefrieren, die dem Aberglauben zugeneigt sind. Freiburgs Kapitän Oliver Baumann gewann die Seitenwahl, drehte sich kurz um in Richtung Gästeblock und sagte dann zu Schiedsrichter Robert Hartmann: "Wir wechseln." Zum ersten Mal in dieser Saison musste Gladbach also zuerst auf die Nordkurve spielen. Sollte der Gegner damit wirklich die Heimserie knacken? Lange Zeit sah es so aus — bis Patrick Herrmann, Oscar Wendt und Raffael mit dem besten Angriff des Spiels für die Erlösung sorgten.

7.) Ein Borusse im Freiburg-Trikot Vielleicht war der Tipp auch von Mike Hanke gekommen. Der weiß schließlich aus dutzendfacher Erfahrung, wie die Abläufe bei Spielen im Borussia-Park sind. Beinahe hätte der ehemalige Gladbacher sein neues Team in der ersten Halbzeit in Führung gebracht. Doch Marc-André ter Stegen hatte noch die Handschuh-Nähte dazwischen. Womöglich wäre der Applaus für Hanke in der 68. Minute ansonsten nicht so üppig ausgefallen, als er das Feld verließ. Stehende Ovationen für einen Ex-Spieler — darauf darf sich der Stürmer einiges einbilden.

8.) Um 20.15 Uhr kommt "Tatort" Ansonsten verlief dieser Abend nicht nur auf dem Rasen etwas schleppend. Immer wieder schwieg der Borussia-Park minutenlang vor sich hin. Die Stimmung unter den 50.000 Zuschauern glich einer Mischung aus Geduld und Genügsamkeit. Nach dem Abpfiff kurzer Jubel, kurzer Applaus — und ab nach Hause. So feiert man am Niederrhein Vereinsrekorde. Offenbar hatten die Zeitungskritiken einen herausragenden "Tatort" versprochen.

9.) Raus aus dem Schneckenrennen Dabei sind 28 Punkte aus 14 Spielen nur einer weniger als zum gleichen Zeitpunkt in der Wahnsinnssaison 2011/2012. Mit einem Sieg gegen Schalke am kommenden Samstag (15.30 Uhr/Live-Ticker) könnte sich die Borussia sozusagen selbst überholen. Während weiter hinten in der Tabelle wieder ein Schneckenrennen anläuft, hat sich Gladbach bereits deutlich von den nicht-europäischen Rängen distanziert. Der Abstand auf Verfolger Schalke ist größer als der Abstand zwischen Platz 7 und Platz 13.

10.) Vorausschauend So war es am vergangenen Freitag keinesfalls vermessen, den Rahmenterminkalender für die Saison 2014/2015 genauer zu studieren. Am 22. August beginnt die Bundesliga, eine Woche davor steht die erste Pokalrunde an. Doch der 19. bis 21. sowie der 26. bis 28. August sollten wohl auch im Auge behalten werden, wenn es um die Planung des Sommerurlaubs geht. Falls das Los — egal für welche Play-offs — den Fans nicht gerade wieder eine Reise nach Osteuropa beschert, könnte "eine Woche Sandstrand" drin sein.

(can)
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