Borussia Mönchengladbach "Wir sollten nicht in Ehrfurcht erstarren"

Mönchengladbach · Borussias "Mr. Vielseitig" spricht über die Champions League, das Dasein als Führungsspieler und eine Geheimsprache in der Kabine.

Das ist Tony Jantschke  von Borussia Mönchengladbach
18 Bilder

Das ist Tony Jantschke

18 Bilder
Foto: Dirk Paeffgen/Dirk Paeffgen (dirk)

Herr Jantschke, in der vergangenen Saison haben Sie 45 von 48 Spielen gemacht und insgesamt über 4000 Minuten auf dem Rasen gestanden. Haben Sie sich im Urlaub richtig erholt?

Tony Jantschke Ja, auf jeden Fall. Ich war in New York, eine Woche auf der Aida und zu Hause. Ich konnte sehr gut ausspannen.

Jetzt kommt das Trainingslager am Tegernsee. Das bedeutet für Sie eine Woche Wohngemeinschaft mit Christofer Heimeroth. Freuen Sie sich darauf?

Jantschke (schmunzelt) Ja, zumal ich ja nicht weiß, ob ich mit Heimi noch öfter auf dem Zimmer bin. Er ist ja nicht klar, ob er bei den Spielen noch oft dabei ist. Es ist cool, dass wir das Trainingslager noch mal zusammen haben. Ein solches Lager bedeutet ja immer viel Schufterei. Aber wir haben in der Woche drei Spiele, demzufolge wird das Pensum nicht ganz so extrem werden. Es passt schon.

In der vergangenen Spielzeit haben die Fans Sie "Fußballgott" genannt. Was bedeutet Ihnen das?

Jantschke Da das ja nur bei ausgewählten Spielern kommt, werte ich das als großes Kompliment.

Ein Kompliment kann auch eine Ablösesumme sein. Ihre ist laut Transfermarkt.de auf 7,5 Millionen Euro gestiegen.

Jantschke Das ist mir relativ egal, ich kann es sowieso nicht beeinflussen. Bei diesen Portalen machen sich Hobbyleute Gedanken über Ablösesummen, daher ist es für mich eher eine Spielerei.

Wie fühlt sich der Blick zurück auf die vergangene Saison an?

Jantschke Wir haben uns sehr gut in der Europa League geschlagen, in der Bundesliga haben wir uns sensationell verkauft. Im Pokal tun immer alle so, als hätten wir in Bielefeld eine Klatsche gekriegt. Aber wir haben da im Viertelfinale unglücklich im Elfmeterschießen verloren. Es war insgesamt eine tolle Saison, die durch die Champions-League-Qualifikation gekrönt wurde.

Viele sagen, es wird schwer, diese Saison zu bestätigen. Sind die Ansprüche gestiegen?

Jantschke Oliver Kahn hat mal gesagt, das Schwierigste sei, Konstanz reinzubringen. Und wenn man sich unsere Platzierungen in den letzten Jahren anschaut, waren wir sehr konstant. Da gilt es weiterzumachen. Wir haben immer gesagt, Einstelligkeit mit Blick auf die europäischen Plätze ist das Ziel. Wir wären verrückt, wenn wir davon abweichen. Wir wollen uns stetig weiterentwickeln, haben in dieser Saison mit der Champions League wieder etwas Neues, das wir erleben. Ansonsten ist unser tägliches Brot die Bundesliga. Wir müssen gut aus den Startlöchern kommen und sofort wach sein, um die nötigen Punkte zu holen, damit wir nicht in einen Negativstrudel geraten.

Wird die Champions League eine andere Hausnummer als die Europa League?

Jantschke Mit Sicherheit. Aber wir sollten auch nicht in Ehrfurcht erstarren. Die Bayern kommen in der Champions League immer wieder mindestens ins Halbfinale - und auch gegen die sehen wir nicht so schlecht aus in der Bundesliga. Wir sollten also keine Angst vor der Aufgabe haben, sondern sie genießen. Wir müssen schauen, dass wir physisch bereit sind, da wir ja mehr Topspiele am Stück haben. Vielleicht können wir ja den einen oder anderen Großen ärgern.

Es könnten ein interessante Namen auf Sie zukommen: Ibrahimovic, Messi oder Ronaldo zum Beispiel. Gibt es einen, gegen den Sie besonders gern mal spielen würden?

Jantschke Wenn wir gegen Bayern spielen, spielen wir auch gegen Robben oder Ribéry. Das ist nicht irgendwer. Und viele unserer Nationalspieler treffen mit ihrem Teams regelmäßig auf die Topleute. Für mich gibt es da keine besonderen Emotionen.

Sie sind mit ihren 25 Jahren sieben Jahre älter als der neue Kollege Nico Elvedi. Sie werden in dieser Saison die 150 Bundesligaspiele voll machen. Wenn man das hochrechnet, kommt am Ende wohl einiges an Profispielen zusammen.

Jantschke Mittlerweile merkt man eben, dass man im Profibereich schon einiges erlebt hat und kein Talent mehr ist. Ich bin jetzt im sechsten, siebten Jahr Profi, das ist schon was. Aber man darf nicht vergessen, dass ich in den ersten zwei Jahren kaum gespielt habe. So war es auch bei Julian Korb. Man muss als junger Spieler Geduld mitbringen - auch wenn es heute wohl einfacher ist, als junger ins Team zu kommen. Früher war es bemerkenswert, wenn einer mit 22 Stammspieler war. Mittlerweile wird vorausgesetzt, dass man mit 22 Stammspieler ist, sonst ist der Zug halb abgefahren. Dennoch: Geduld muss man mitbringen. Geduld, Ehrgeiz und Selbstvertrauen. Und man sollte auf ältere Spieler wie Martin Stranzl oder Roel Brouwers hören. Sie haben halt viel Erfahrung.

Gehören Sie auch zu den Spielern, auf die gehört wird?

Jantschke Ab und an sage ich einem jungen Spieler gezielt etwas, wenn mir etwas auffällt. Es wäre ja blöd, wenn er die Sache, die bei uns so ist, immer wieder falsch macht. Wir verschieben zum Beispiel bei Lucien Favre in der Verteidigung viel, und daran muss sich der eine oder andere erst gewöhnen. Dabei helfe ich dann.

Diese Verteidigung war in der vergangenen Saison die drittbeste in der Liga. Wird es gerade in der neuen Saison, in der Champions League, der wichtigste Mannschaftsteil?

Jantschke Unter Lucien Favre ist die Defensive generell der wichtigste Bestandteil des Teams. Er lässt uns auch gern offensiv spielen, aber er weiß, dass man keine Siegchance hat, wenn man pro Spiel zwei, drei Gegentore bekommt. Deshalb war es uns wichtig, defensiv gut zu stehen - und das haben wir in den letzten Jahren sensationell gemacht. Es wird wieder unser Ansatz sein, defensiv gut zu stehen.

Der Telekom-Cup ist sehr früh. Was darf man da erwarten?

Jantschke Die Nationalspieler fehlen noch, so ist es eher eine Chance für die jungen Spieler, sich zu zeigen. Es ist für alle gut, um mal wieder ein Gefühl für den Wettkampf zu kriegen, um an der Kondition zu arbeiten und in den Rhythmus reinzukommen.

Das erste Pflichtspiel ist das im Pokal beim FC St. Pauli. Dort passierte 2011 die Wende, als Michael Frontzeck nach dem 1:3 gehen musste und Lucien Favre kam. Was hat sich seitdem verändert?

Jantschke Wir hatten damals eine der miesesten Hinrunden überhaupt gespielt, hatten viele Verletzte, es lief alles gegen uns. In den Jahren davor ging es permanent drunter und drüber. Das alles ist mit heute nicht mehr zu vergleichen. Wir hatten nach der Relegation ein stabiles Fundament, haben danach eine sensationelle Saison gespielt, in der das Selbstvertrauen unglaublich gestiegen ist. Jeder Spieler hat sich gut entwickelt. Zudem haben wir uns sukzessive immer wieder verstärkt. Wir reden heute über eine ganz andere Qualität. Für mich persönlich war der Trainerwechsel sicher ein Glücksfall, weil Lucien Favre die Idee mit mir als Rechtsverteidiger hatte. Aber manchmal gehört eben ein Quäntchen Glück dazu.

Inzwischen hat er mehrere Ideen mit Ihnen: Rechtsverteidiger, Innenverteidiger, vielleicht sogar Sechser. Hilft Ihnen die Vielseitigkeit?

Jantschke Jeder weiß, dass ich jede der sechs Positionen hinten spielen kann und dass es für mich kein Hexenwerk mehr ist. Für einen Trainer ist es natürlich eine gute Sache, wenn er flexible Spieler hat. Er baut ja auch darauf. Für mich ist es eine gute Sache, wenn er mich an vielen Stellen gebrauchen kann. Es gibt Spieler, die damit nicht so gut klarkommen. Auch für mich ist es immer eine kleine Umstellung, aber mich stört das nicht.

Stichwort Umstellung: Wird künftig Schwiizerdütsch die Nationalsprache in der Kabine. Inzwischen ist, überspitzt gesagt, ja fast ein ganzer Kanton in Gladbach versammelt.

Jantschke Es ist halt so. Und die Schweizer können ja alle deutsch. Und sie sind teamkompatibel, bisher hatten wir zumindest mit Granit Xhaka und Yann Sommer noch keine Probleme. Darum gehe ich davon aus, dass das mit den anderen auch nicht so sein wird. Ihre Sprache versteht aber kein Mensch. Sächsisch klingt auch nicht so toll. Aber wenn die Schweizer reden, ist es sehr, sehr schwierig zu verstehen. Zum Glück reden sie mit uns Deutsch. Untereinander haben sie eine Art Geheimsprache, die angeblich mit Deutsch zu tun hat (grinst).

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort