Interview: Thomas Weinmann Unsere Fans freuen sich über jedes Spiel

Mönchengladbach · Borussias Fanbeauftragter Thomas "Tower" Weinmann äußert sich im Trainingslager am Tegernsee kritisch über den Umgang der Fifa mit Fans bei der WM in Brasilien und erklärt, warum die Fans für Borussia das "größte Kapital" des Clubs sind.

 Interviewpartner "Tower" Weinmann im Borussia-Trainingslager.

Interviewpartner "Tower" Weinmann im Borussia-Trainingslager.

Foto: Wiechmann

Herr Weinmann, wie ist die Stimmung unter den Fans, die im Trainingslager sind?

Weinmann Es sind wieder gut 100 Leute hier, die ihren Urlaub nach dem Trainingslager geplant haben. Andere sind Touristen aus der Umgebung. Es funktioniert aber alles toll und alle Fans sind sehr zufrieden. Sie sind nah dran an den Spielern, bekommen Autogramme - das passt. Auch bei der WM in Brasilien waren viele Borussen-Fans. Beim deutschen Spiel gegen Ghana wurden auch Gladbach-Plakate abgehängt, eines ging als Foto um die Welt.

Wie fanden Sie die WM aus Fan-Sicht?

Weinmann Man muss scharf trennen zwischen Event-Fans und echten Supportern. Die Fifa hat Wert darauf gelegt, nur die Fans im Fernsehen zu zeigen, die sich wild kostümieren und sich selbst bei einem Rückstand ihres Teams freuen. Heißt: Happening, Friede, Freude, Eierkuchen und sonst nichts. Die normalen Fans waren nie zu sehen - und es gab viele davon in Brasilien. Es macht den Eindruck, die Fifa wolle sie nicht mehr haben. Fahnen gehören zur Fankultur. Die Fans wurden massiv gehindert, die Fahnen aufzuhängen - und nachdem die Fifa versprochen hatte, dass sie aufgehängt werden dürfen, wurden sie schon am Eingang einkassiert. Es war alles Lug und Trug. Damit zerstört man systematisch die Fankultur. Es wäre gefährlich, wenn sich Uefa, DFB und DFL die Handlungsweisen der Fifa abschauen würden und dann nur noch Claqueure im Stadion sind.

Besteht diese Gefahr denn nach Ihrer Ansicht?

Weinmann Im Moment habe ich da keine Angst, weil die Fans sehr ernst genommen werden. Die DFL und der DFB haben sich klar positioniert und gesagt, wie wichtig die Fans sind. Es gibt aber eine allgemeine Tendenz: Alles ist nur noch Event und Happening. Wenn die Süddeutsche schon schreibt, dass "Atemlos" das neue Lied der Deutschen ist, weiß man, wo man angekommen ist - das meine ich durchaus negativ. Der Fußball braucht seine Fans, und in Brasilien wurden sie massiv ausgebremst. Alle Bilder, die das Event stören, wurden im Stadion ausgeblendet.

Was können die Fans gegen solche Tendenzen tun?

Weinmann Sie müssen immer präsent sein und eine starke Vertretung haben, um ihre Interessen zu wahren. Die Vereine, und das ist bei Borussia der Fall, müssen sich im Klaren darüber sein, dass die Fans das größte Kapital eines Clubs sind - in jeder Beziehung. Wenn es den Fans gut geht, geht es auch dem Verein gut. Bei Borussia passt alles, trotzdem müssen wir aufpassen. Denn die Fifa hat damit angefangen, die Fans nur noch zur Kulisse zu machen.

Borussias Fans waren vor zwei Jahren in Europa unterwegs und haben sich als echte Fans präsentiert. Wie wichtig sind solche Botschaften?

Weinmann Borussias Fans haben es einzigartig gemacht, gerade in Rom. Die Fans sind ja die Visitenkarte des Vereins und international Botschafter ihres Landes. Das muss jeder wissen.

Wie stolz sind die Borussen, wieder international unterwegs sein zu können?

Weinmann Sehr, natürlich. Jetzt warten alle darauf, was wir für ein Los bekommen. Aber im Gegensatz zu anderen Vereinen geht es unseren Fans nicht um den Gegner, sondern sie wollen dabei sein. Es sind schon 36 000 Karten verkauft für ein Spiel, bei dem noch nicht klar ist, gegen wen es geht. Das zeigt, wie hoch der Stellenwert ist. Unsere Fans freuen sich über jedes Spiel.

Was darf man in der neuen Saison von den Fans erwarten. Die vergangene Saison stand ja im Zeichen der Choreografien.

Weinmann Das stimmt. Unsere Fans sind sehr einfallsreich, es waren richtig gute Choreos dabei.

Auch Gäste-Teams haben etwas im Borussia-Park gemacht. Das war neu.

Weinmann Wir versuchen den Gäste-Fans möglichst viel zu erlauben, damit es farbenfroh ist und sich die Gästefans präsentieren können. Und auch, damit sie sich dann auch an die Spielregeln halten. Wer eine Choreo macht, verzichtet vielleicht auf Pyrotechnik - die ja nach wie vor verboten ist. Leider haben die Stuttgarter trotzdem gezündet. Das war sehr ärgerlich. Unsere Heimfans halten sich an die Regeln - weil sie wissen, was sonst passiert.

Es gibt wieder das Derby gegen Köln ...

Weinmann Das wird unter einem ganz besonderen Stern stehen. Es wird ganz anders als die anderen 16 Heimspiele. Leider ist es ein Hass-Spiel, das ist leider so. Alles hängt davon ab, was beim Hinspiel in Köln passiert - sportlich und auch, was die Fans angeht. Alles hat Auswirkungen auf das Rückspiel in Gladbach. Leider sind bei dem Spiel alle Fans total wild, und das gefällt uns natürlich nicht, weil es leicht eskalieren kann.

Die Ultra-Szene in Gladbach hat sich neu organisiert. Wie hat sich das ausgewirkt?

Weinmann Es gibt jetzt nur noch eine Ultra-Gruppe. Für uns als Fanbetreuer ist das gut, weil wir klare Ansprechpartner haben und es eine klare Hierarchie gibt. Das ist bei anderen Klubs anders, da gibt es viele Verzettelungen. In Bremen bekämpfen sich zum Beispiel sieben Ultragruppen gegenseitig. Das ist natürlich albern. Denn im Prinzip geht es doch darum, den Verein zu unterstützen. Fans müssen Supporter sein, das ist ihre Daseinberechtigung im Stadion, der Kern - ob nun, wie die Ultras mit Fahnen oder, wie die Oldschool-Leute, akustisch. Wer das nicht macht, ist Zuschauer, aber kein Fan - so wie bei der WM.

DAS INTERVIEW FÜHRTE KARSTEN KELLERMANN.

(RP)
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