Borussia Mönchengladbach Und plötzlich ist er Weltmeister

Mönchengladbach · Als gerade seine erste Saison als Bundesliga-Spieler vorbei war, gestand Christoph Kramer, dass das, was er in den vergangenen zwölf Monaten erlebt habe "filmreif" sei. Es war in Wolfsburg, nach dem letzten Saisonspiel. Ein Titel für den Film indes kam ihm da noch nicht in den Sinn. Und schon gar nicht, dass er einen Monat später ein Teil der deutschen Nationalmannschaft sein würde, die sich in Brasilien den Weltpokal abholen würde und er, der ein Jahr zuvor noch Zweitligaspieler war, im Endspiel gegen Argentinien in der Startelf stehen würde.

 Am Ziel seiner Träume: Christoph Kramer mit dem WM-Pokal im Maracana. Der 23-Jährige ist Borussias sechster Weltmeister.

Am Ziel seiner Träume: Christoph Kramer mit dem WM-Pokal im Maracana. Der 23-Jährige ist Borussias sechster Weltmeister.

Foto: Imago

Plötzlich Weltmeister, das wäre ein passender Arbeitstitel für die Verfilmung des kramerschen Aufstiegs - es wäre ein Märchenfilm. Kramer spricht seit Wochen von einem Traum, der sich irreal anfühle. Doch es ist wahr: Er ist Weltmeister, der sechste in Borussias Vereinsgeschichte. Und nur zwei Borussen standen vor ihm bei einem WM-Finale in der Startelf: Rainer Bonhof und Berti Vogts.

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"Dass wir jetzt einen Weltmeister in der Mannschaft haben, ist unglaublich. Das zeigt, dass eine Karriere nicht planbar ist", sagte Trainer Lucien Favre. Tatsächlich war Kramers persönlicher Triumph keineswegs die logische Konsequenz seines bisherigen Fußballerlebens. Es gibt keine gerade Linie in seiner Fußballer-Biografie. Harte Arbeit ist das, was Kramers Art des Fußballs am besten beschreibt. Er rennt und rennt und rennt, das hat er auch im Endspiel getan - so lange er konnte.

Weil Sami Khedira nicht konnte, rutschte der Borusse ins Team. Doch nach 17 Minuten krachte er mit dem Kopf an die Schulter von Ezequiel Garay, nach 30 Minuten musste er vom Platz mit Verdacht auf eine Gehirnerschütterung. Das Drama kostet ihn die Erinnerung an die wertvollste halbe Stunde seiner Karriere: "Ich weiß von der ersten Halbzeit gar nichts mehr. Ich dachte später, dass ich direkt nach dem Zweikampf aus dem Spiel gegangen bin. Wie ich in die Kabine gekommen bin, weiß ich nicht. Ich weiß gar nichts mehr. Das Spiel beginnt in meinem Kopf ab der zweiten Halbzeit", sagte er.

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Als diese und auch die Verlängerung vorbei waren, war Kramer aber bereit für die große Sause nach dem Triumph. Vorbei an Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Fifa-Gewaltigen um Sepp Blatter, rauf aufs Podest, dann das Liebkosen des WM-Pokals - Kramers Traum ist schier endlos. "Ich laufe seit einem Jahr mit einem Grinsen im Gesicht herum", sagte er schon vor der Abreise nach Brasilien. Daran dürfte sich nichts ändern, im Gegenteil. Schon im Zeitraffer klingt all das atemberaubend: Der Wechsel zu Borussia, der Stammplatz, den er sich erkämpfte, sein erstes Bundesliga-Spiel beim FC Bayern München, nach der Saison die überraschende Nominierung für das Polen-Spiel, die Einladung ins WM-Trainingslager, dann die WM-Nominierung, der erste WM-Einsatz gegen Algerien, der zweite gegen Frankreich, der dritte im Finale - und nun ist Christoph Kramer Weltmeister.

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"Er wird sich in den kommenden Wochen sicher noch das eine oder andere Mal kneifen müssen, um all das zu realisieren", sagte Borussias Präsidiumsmitglied Hans Meyer. Kramer hat nun Zeit, all das sacken zu lassen, während seine Teamkameraden im Trainingslager schuften, hat ihr derzeit ruhmreichster Kollege Urlaub bis zum 5. August. "Bis dahin werde ich aber alle Partys dieser Welt feiern. Versprochen", sagte Kramer. Vermutlich wird er auch das Tagebuch herauskramen, in das er sein Leben als Fußballer hineinschreibt, und in seine eigenen Worte fassen, wie er plötzlich Weltmeister wurde.

(RP)
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