Borussia Mönchengladbach So kann Favre Borussia noch flexibler machen

Mönchengladbach · Gladbach ist taktisch ausgereift - in der 4-4-2-Formation. Der nächste Schritt wäre, dem Team auch andere Systeme einzuimpfen.

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Foto: dpa, rwe tmk

Lucien Favre ist ein Tüftler. Der Trainer wälzt seine Version von Borussia Mönchengladbach immer hin und her in seinem Hirn und sucht nach Details, die es noch zu verbessern gibt. Es ist davon auszugehen, dass er, wenn am 29. Juni die Vorbereitung auf die neue Saison beginnt, einen Strauß von Ideen mitbringt, um sein Team bereit zu machen für die Herausforderungen der neuen Saison.

In der abgelaufenen Spielzeit gab es zwei wesentliche Neuerungen: Zum einen wurde das Flügelspiel verstärkt: Auf der Basis des Favre-typischen Ballbesitzfußballs (bei dem Borussia weit geduldiger zu Werke ging als in der Saison davor) wurde vor allem über die Außen situativ rasend schnell umgeschaltet. Zudem führte Favre die Rotation ein. Nahezu von Spiel zu Spiel gab es Veränderungen in der Startelf, zum einen um angesichts der Dreifachbelastung mit Liga, Europa League und DFB-Pokal mit den Kräften zu haushalten, zum anderen gab es so immer wieder neue Nuancen im Spiel nach vorn.

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Das Defensivspiel schulte er bis zur Perfektion, auch das in wechselnder Besetzung. "Das Verschieben in den Viererketten funktioniert besser als bei den meisten anderen Teams, weil Gladbach auch hier verschiedene Varianten beherrscht", sagte Taktik-Experte Tobias Escher vom Portal "Spielverlagerung" zuletzt im Gespräch mit der RP. Für Escher war Borussia "die taktisch reifste Mannschaft der Bundesliga". Gleichwohl merkte er an, dass Favre sein Team noch flexibler machen kann: "In den taktischen Details ist Gladbach sehr flexibel, in der Systematik eher nicht ", sagte Escher.

Das 4-4-2 mit zwei Spielern vor der Abwehr und zwei Flügeln sowie der hängenden Spitze, der Neuneinhalb, ist in Stein gemeißelt bei Favre. Das System ist für die Borussen zur Wohlfühlzone geworden, in deren bekannten Grenzen sie inzwischen umfangreich variieren können. "Das 4-4-2 gibt uns auch Sicherheit, wir kennen das System und jeder weiß, was er darin zu tun hat", merkte Defensivmann Tony Jantschke dazu an. "Viele Details funktionieren besser als bei der Konkurrenz; das Verschieben, das Pressing, das Bewegungsspiel der Stürmer. Man merkt, dass Favre nach dem Abgang von Klopp jetzt der dienstälteste Trainer der Liga ist - die Spieler wissen einfach, was er von ihnen erwartet", befand dann auch Escher.

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Favres Anspruch ist, sein Team von Saison zu Saison weiterzuentwickeln. Der nächste Schritt wäre, dass Favre Borussia auch fit macht für andere Systeme. "Eine Variante mit Dreierkette oder ein 4-3-3 ließe sich mit dem Kader sicher einstudieren", sagt Escher.

Vor allem durch den Zukauf von Lars Stindl bekommt Borussia einen Mann dazu, der seinem Trainer einige Optionen eröffnet: Stindl kann vor der Abwehr spielen, aber auch im offensiven Mittelfeld und als hängende Spitze, in letzterer Position war er im Abstiegskampf der vergangenen Saison als Vorbereiter und Torschütze für Hannover besonders wertvoll.

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Auch Josip Drmic, dessen Wechsel von Leverkusen nach Gladbach nach wie vor nicht offiziell ist, aber wohl in den kommenden Tage perfekt gemacht wird, würde neue Qualitäten ins Offensivspiel einbringen. Drmic ist mehr als der abgewanderte Max Kruse ein Mittelstürmer. Er wäre also ein dankbarerer Abnehmer für Flanken als Kruse es war.

Die gehandelten Innenverteidiger-Kandidaten Matthias Ginter (Dortmund, Gladbach soll ein konkretes Angebot abgegeben haben) und Andreas Christensen (FC Chelsea, Sportdirektor Max Eberl bezeichnete ein Leihgeschäft als denkbar) wären auch Optionen als defensiv ausgerichtete Sechser.

Insgesamt hat Favre ein sehr flexibles Personal zusammen. Ein temporärer Systemwechsel wäre also durchaus machbar. Das 4-3-3-System mit zwei "Sechsern", einem "Zehner" (Raffael, Stindl oder Hazard), zwei echten Flügeln (z. B. Herrmann, Traoré) und Drmic oder Hahn als zentrale Spitze wäre denkbar. Im 4-3-3 könnte Favre auch ein extrem offensives Mittelfeld formieren - mit einem Abräumer (Nordtveit) direkt vor der Abwehr und zwei "Achtern" davor: Xhaka, Stindl, Raffael. Da Favre aber die Zweier-Variante vor der Abwehr favorisiert, um stabiler zu sein, ist das ein eher theoretischer Denkansatz.

Die von Escher angesprochene Dreierkette in der Defensive - in der Ausprägung als 3-5-2 oder 3-4-3-System - könnte so aussehen: Martin Stranzl könnte in einem Defensiv-Trio der zentrale Mann sein und die sowohl als Innen- und Außenverteidiger erprobten Tony Jantschke und Alvaro Dominguez könnten den Abwehrchef flankieren. In der Rückwärtsbewegung lassen sich die defensiven Mittelfeldspieler ohnehin zurückfallen und könnten dann die Mannstärke der Abwehrreihe vergrößern.

Tüftler Favre hat reichlich personelle Modelliermasse. Und ganz sicher viele gute Ideen. Vielleicht auch, was die systemische Flexibilität seiner Mannschaft angeht.

(RP)
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