Borussia Mönchengladbach Die sagenhafte Sommer-Parade und das Ende der Skepsis
Bremen/Mönchengladbach · Heimsieg gegen Leverkusen, Auswärtssieg in Bremen – der Borussia gehen die Angstgegner aus. Nachdem die Champions League unter Dach und Fach ist, verläuft jegliche Suche nach einem Haken zudem erfolglos. Luxusprobleme einer Erfolgsgeschichte.

33. Spieltag: Elf des Tages
Heimsieg gegen Leverkusen, Auswärtssieg in Bremen — der Borussia gehen die Angstgegner aus. Nachdem die Champions League unter Dach und Fach ist, verläuft jegliche Suche nach einem Haken zudem erfolglos. Luxusprobleme einer Erfolgsgeschichte.
1. Und es war Sommer Ein cleverer Zeitgenosse ist er also obendrein, Borussias Torwart Yann Sommer: Am 33. Spieltag hat er seine "Parade der Saison" ausgepackt. Auf dass diesbezügliche Fragen auch in der Sommerpause noch eindeutige Antworten erhalten werden. Ähnliche Kaliber am 13. oder 22. Spieltag laufen ja Gefahr, sich bis dahin zu versenden. Aber an diesen Reflex gegen Bremens Davie Selke in der 46. Minute wird man sich eine Weile erinnern. Sein 15. Zu-Null-Spiel der Saison, das vierte in den vergangenen fünf Spielen, hat sich Sommer besonders verdient. Nachher wollte er überzeugend erklären, dass er sich gar nicht mehr so genau an die Parade erinnern könne. Keine Angst, das werden andere erledigen. Tatsächlich hat er jetzt noch die Chance, seinem Vorgänger Marc-André ter Stegen den Vereinsrekord zu entreißen. Der kassierte 2011/2012 nur 24 Gegentore, Sommer steht vor dem letzten Spieltag bei 23.

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2. Dreimal zweistellig Raffael, Max Kruse und Patrick Herrmann bewegen sich nicht in Rekordsphären, haben aber etwas erreicht, das zuletzt 1988 einem Borussen-Trio gelungen war: Ihre Torbilanz ist zweistellig. Zuletzt schafften das Uwe Rahn, Christian Hochstätter und Hans-Jörg Criens. Allzu viele Leistungen dieses Kalibers hat sich die Mannschaft von Lucien Favre nicht mehr aufgehoben für die kommende Saison. Man fragt sich ungläubig: Was soll da noch kommen? Dem 2015er-Trio bleibt nun gegen Augsburg der Kampf um die vereinsinterne Torjägerkanone. Kruse und Herrmann haben in Raffael noch einmal ernstzunehmende Konkurrenz erhalten. Der Brasilianer schnürte in diesem Jahr auswärts allein drei Doppelpacks, traf insgesamt achtmal — je zwei Treffer legten Kruse und Herrmann auf.
3. Hahn ackert Die Erfolgsgeschichte dieser Saison ist jedoch nicht nur eine der naheliegenden Namen. Fast jeder Borusse hat seine großen Auftritte gehabt. Einer wie Ibrahima Traoré erst in den vergangenen Wochen mit seinen Torbeteiligungen gegen Wolfsburg, Hertha und Leverkusen, die große Zeit von André Hahn liegt dagegen ein paar Monate zurück. Nur dreimal durfte er in der Rückrunde von Beginn an ran: In Hamburg und in Bielefeld spielte er schwach, nach dem Spiel in München herrschte immerhin Konsens, dass Einsatz und Laufbereitschaft überdurchschnittlich waren. Die Latte lag somit nicht besonders hoch, aber Hahns Aktion vor dem zweiten Raffael-Tor war seine beste der Rückrunde. Anstatt ewig zu lamentieren und einen Freistoß zu fordern, setzte er nach gegen Assani Lukimya, der prompt in Panik geriet. Mit Glück gelangte der Ball von Hahns Bein zu Raffael, der das Spiel entschied und Hahn den ersten Scorerpunkt seit dem 6. November 2014 bescherte.
4. Keine Macht dem Größenwahn Borussias Fans sind derartige Skeptiker, dass Größenwahn wohl selbst nach dem dritten Triple in Folge keine Chance hätte. Immerhin wäre der Vorsprung auf Leverkusen in der 46. Minute auf zwei Punkte zusammengeschmolzen, wenn Sommer nicht (siehe oben) seine "Parade der Saison" ausgepackt hätte. Gerade in Gladbach sind Konjunktive kein Indiz dafür, dass ein Szenario unrealistisch ist, sie untermauern stattdessen die Gefahr. "Torfabrik" hat die ewige Suche nach dem Haken perfekt in einen Satz gepackt: "Viele werden vor der Reise nach Bremen das Szenario, mit einer Niederlage im Gepäck im letzten Spiel gegen Augsburg in der Nachspielzeit durch ein Tor von Bobadilla zu verlieren und noch auf Platz 4 zu rutschen, weitaus realistischer empfunden haben, als ein letztlich souveränes 2:0 im Weserstadion." Dabei löst die Realität die Probleme oftmals ganz alleine: Bobadilla ist kommenden Samstag gesperrt.
5. Vier Monate bis zur Hymne Der Soundtrack der Feierlichkeiten war so vielseitig wie die Borussia, die sowohl verteidigen als auch angreifen, sowohl geduldig spielen als auch kontern kann. Heino steht mit seiner Vorlage für "Auf, auf, auf in die Champions League!" momentan noch auf Platz eins der VfL-Charts. Die Champions-League-Hymne wird ihn spätestens von der Spitze verdrängen, wenn sie am 15. oder 16. September im Borussia-Park oder sonstwo in Europa ertönt. Michel Telo schien seinen Zenit bereits 2011/2012 mit "Ai Se Eu Te Pego" erreicht zu haben. Zu dem Song tanzten Marco Reus, Dante und Co. damals auf Platz vier. In der Kabine kommt die Nachfolge-Single "Bara Bara Bere Bere", die einst nur Platz 42 der Charts erreichte, offenbar auch gut an. Angesichts dieses Video ist jedoch nicht davon auszugehen, dass Zeugwart Rolf Hülswitt zu den Käufern gehörte:
6. Fohlen-Format Apropos Charts: Die aktuelle Spielzeit hat sich in der Gladbacher Bundesligahistorie jetzt auf Platz 7 von 47 eingereiht, mit einem Sieg am Samstag gegen Augsburg ist noch der Sprung auf Platz 4 drin. 13 Spiele in Folge ohne Niederlage gab es innerhalb einer Saison zuletzt 1981/82, 14 waren es zuletzt 1977/78. Der Rekord stammt aus der Meistersaison 1974/75 mit 17 ungeschlagenen Spielen in Serie. Das Niveau der "Fohlenelf" hat die Favre-Elf bereits erreicht, nur in Sachen Titel und Nachhaltigkeit hat sie Nachholbedarf.
7. Wissen, wo man herkommt Die Rückrunden-Meisterschaft ist der Borussia schon nicht mehr zu nehmen. Noch ein Zähler fehlt für die beste Serie der Vereinsgeschichte, 40 Punkte in 17 Spielen holte Gladbach noch nie. Von 1997 bis 2011 wurde diese Marke nur zweimal in einer kompletten Saison erreicht, die Zweitligajahre nicht mitgezählt. Kommende Woche wird man bilanzieren können: Diese Rekordrückrunde war auch bitternötig. Während die Borussia 29 Punkte aus den vergangenen elf Spielen holte, schaffte Leverkusen 28. Der Sieg im direkten Duell wird am Ende wohl den Ausschlag gegeben haben — vonwegen Schneckenrennen.
8. Angstgegner Stuttgart und Freiburg Das "Horrorserien-Beendigungs-Double" ist unter Dach und Fach: 26 Jahre Warten auf einen Heimsieg gegen Leverkusen und 28 Jahre Warten auf einen Auswärtssieg in Bremen haben ein Ende. Die längste Durststrecke zu Hause gibt es jetzt gegen Stuttgart (seit April 2005 kein Heimsieg). Steigen die Schwaben ab, sind die Bayern (seit Januar 2012 kein Heimsieg) der Angstgegner, der keiner ist. Auswärts liegt der letzte Erfolg in Freiburg (März 2002) am längsten zurück. So richtig beeindrucken kann das alles nicht im Vergleich zu den Horrorserien gegen Leverkusen und Bremen. Gladbach gehen die Angstgegner aus.
9. Sichtbehindert Der Slogan "Ausgesperrte immer bei uns!" findet sich in der Regel auf Ultra-Bannern, die Solidarität mit den sogenannten Stadionverbotlern bekunden sollen. Am Samstag hätte die Mannschaft gut und gerne ein Banner mit der Aufschrift "Eingesperrte immer bei uns!" über den Rasen tragen können. Im Bremer Weserstadion findet sich der schlimmste Gästeblock der Liga, ein Käfig im Oberrang der Westkurve. 45 Euro mussten Borussias Fans bezahlen, um nicht durch, sondern teilweise auf einen Metallzaun zu gucken. Der Rest erfreut sich deutlich günstigerer Tickets im Stehplatzbereich, der jedoch übermäßig voll ist, weil die designierten Sitzer lieber stehen, als nur den Zaun zu sehen. Parallelen zu Werders Hauptsponsor und dessen Legebatterien ziehen sich da fast von selbst.
10. Durchgefallen Max Eberl sah sich am Freitag bemüßigt, etwas sehr deutlich sehr klarzustellen: "Ich habe mich nicht mit dem Spieler getroffen und wir haben uns auch nicht mit ihm beschäftigt, es gab keinen Kontakt." Gemeint war Franco Di Santo, der am Samstag auf zweierlei Weise auf die Gerüchte der Vorwoche antwortete. Zum einen unterstrich der Argentinier mit nur 38 Ballaktionen und 59 Prozent Passquote, dass er gar nicht ins Profil der Borussia passt. Zum anderen erfüllte er nicht das Einstellungskriterium für Neuzugänge aus der Bundesliga: Di Santo blieb ohne Tor.