Borussia Mönchengladbach "Nicht auf einmal hochnäsig herumlaufen"

Mönchengladbach · Der Medien- und Marketing-Leiter über den neuen Hype um Borussia, ein wünschenswertes Image in Europa und USA-Gedankenspiele.

 "Das Interesse an Borussia ist riesig", sagt Markus Aretz.

"Das Interesse an Borussia ist riesig", sagt Markus Aretz.

Foto: Borussia

Herr Aretz, es heißt immer, die Champions League sei im Vergleich zu allem anderen einfach noch mal eine ganz andere Hausnummer. Merken Sie das auch in der Medienabteilung?

 Das Interesse an Borussia vor ihrer ersten Champions-League-Saison ist noch einmal größer als sonst. Das erfahren Trainer Lucien Favre und seine Spieler beispielsweise beim Anblick der vielen Fans bei den Trainingseinheiten in den Sommerferien.

Das Interesse an Borussia vor ihrer ersten Champions-League-Saison ist noch einmal größer als sonst. Das erfahren Trainer Lucien Favre und seine Spieler beispielsweise beim Anblick der vielen Fans bei den Trainingseinheiten in den Sommerferien.

Foto: Dieter Wiechmann

Aretz Auf jeden Fall, ich glaube aber, dass das Interesse an Borussia noch einmal richtig anziehen wird, wenn es dann wirklich mit der Champions League los geht, wenn wir Ende August wissen, gegen wen wir spielen. Aber wir merken das gestiegene Interesse auch schon jetzt in der Vorbereitung.

Wie konkret?

Aretz Nehmen Sie das Trainingslager am Tegernsee, dort waren mehr als doppelt so viele Journalisten vor Ort als im Vorjahr. Viele deutsche überregionale Medien, die sonst angefangen haben über Borussia zu berichten, wenn die Saison losging, schlagen jetzt schon bei uns auf. Aber auch aus dem Ausland häufen sich die Anfragen, aus Italien beispielsweise.

Aus Italien?

Aretz Ja, genauso von den großen Medien in England, Spanien und Frankreich. Da geht es übrigens oft um die Geschichte des Comebacks der legendären Fohlenelf auf der großen europäischen Bühne. Da merkt man dann wirklich, welchen Namen Borussia im Ausland aufgrund der großen Erfolge in den 70ern hat.

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Wenn Lucien Favre in diesen Wochen jedes Interview geben würde, für das Sie eine Anfrage erreicht, dann würde er . . .

Aretz . . . definitiv keine Zeit mehr haben, mit der Mannschaft zu trainieren. Es wäre kein Problem gewesen, ihm zuletzt jeden Tag zwei große Interview-Termine hinzulegen. Stattdessen sind wir schließlich in dieser Hinsicht bei zwei bis drei pro Woche gelandet, mehr geht einfach nicht.

Ist bei Ihnen eigentlich ein Kollege speziell nur für das Interesse der Schweizer Medien zuständig?

Aretz Das nicht, aber die Schweiz ist gerade für uns ein ganz interessanter Zielmarkt, wie man heute so schön sagt, eben weil wir schon seit drei, vier Jahren Schweizer Profis bei uns haben. Das Interesse in der Schweiz an Borussia ist einfach riesig - Medieninteresse und Fan-Interesse.

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Die größten Fehler werden im Sport in Momenten des Erfolgs gemacht, sagt man. Gilt das auch für die Außendarstellung eines Vereins?

Aretz Ich glaube, der Spruch gilt nicht nur für den sportlichen Bereich, der gilt allgemein. Und was das Auftreten in der Öffentlichkeit angeht, ist er sehr wahr. Es ist natürlich für uns auch eine Herausforderung, dass wir wissen, dass die Champions League uns unglaublich viel mehr Interesse bescheren wird. Und dem wollen wir natürlich auch gerecht werden, das wollen wir für uns nutzen bei der Medienpräsenz und in Sachen internationaler Vermarktung. Die Champions League interessiert nun mal weltweit, und da guckt eben auch der Fan in Venezuela, China oder Singapur hin und wird auf Borussia Mönchengladbach aufmerksam. Also ist es für uns eine Riesenchance, überall auf der Welt Leute für Borussia zu gewinnen.

So viel zur Chance. Und das Risiko?

Aretz Wir wollen natürlich unsere Basis nicht aus den Augen verlieren und genauso wenig unsere Philosophie nicht aufgeben. Das ist an einem Trainingstag in den Sommerferien, wenn hier 400 Leute stehen und Autogramme wollen, nicht immer ganz einfach, weil die Spieler dann eine halbe Stunde brauchen, bis sie in der Kabine sind. Wir wollen andererseits aber auch der Verein zum Anfassen bleiben, wollen die Fans nicht ausschließen. Da gilt es, beide Interessen zu berücksichtigen und unter einen Hut zu bringen.

Plötzlich als Großkotz verschrieen zu sein, wäre wahrscheinlich auch das Schlimmste, was Borussia passieren kann, oder?

Aretz Wir können und wollen nicht auf einmal stolz und hochnäsig durch die Gegend laufen, nur weil wir jetzt ein Champions-League-Klub sind. Wir wissen schon genau, wo wir herkommen und wo wir hingehen. Wir gehen nicht davon aus, dass wir jetzt jedes Jahr Champions League spielen und werden ganz sicher nicht großspurig auftreten.

Was wäre denn ein Image, das Borussia gerne von sich in die Champions League transportieren würde?

Aretz Es wäre ein Riesenerfolg, wenn wir es schaffen würden, das Image, das wir in Deutschland haben, auch international zu transportieren. Dass wir wahrgenommen werden als dieser bodenständige, bescheidene, aber durchaus auch mutige und frische, junge Klub, den viele sympathisch finden und der eben nicht polarisiert.

Als Champions-League-Teilnehmer ist Borussia für die Liga natürlich in der kommenden Saison eines der Aushängeschilder. Ist da ein Wintertrainingslager beispielsweise in den USA fast schon eine logische Folge?

Aretz Na klar beschäftigen wir uns mit so etwas. Zuletzt waren wir ja im Winter drei Mal in der Türkei. Dort war immer alles top, aber die Türkei zählt eben nicht zu den wichtigsten Zielmärkten für uns oder die DFL. Da wäre es im Sinne der Liga und auch in unserem Interesse, mal in die USA zu gehen oder nach Asien. Wir werden so eine Reise mit Sicherheit in nächster Zukunft mal angehen. Aber die sportliche Vorbereitung muss eben dabei auch mit dem marketingtechnischen Mehrwert harmonieren.

Die DFL übt also keinen Druck aus?

ARETZ Überhaupt nicht. Es gibt einen intensiven Austausch mit der DFL und den anderen deutschen Europapokalteilnehmern, bei dem man sich intensiv bespricht. Natürlich setzt die DFL generell Anreize und regt an, dass es gut wäre, wenn mehr Bundesligisten in den wichtigsten Märkten, also in den USA und China, Präsenz zeigen würden.

Wird das Austarieren zwischen sportlichen Bedürfnissen und Vermarktungsinitiativen zur größten Herausforderung für einen international vertretenen Bundesligisten?

Aretz Klar, das ist eine Riesen-Herausforderung. Und wenn man sieht, was die großen Klubs in Europa an Touren unternehmen, dann stellen sie die sportlichen Belange einer Vorbereitung schon weit hintan. Das für sich selbst als Verein abzuwägen, ist schon eine Aufgabe, ja. Aber allgemein gilt halt: Wenn wir in Deutschland immer wieder sagen, wir wollen auch in Zukunft sportlich und damit auch finanziell mithalten mit Spanien und England, dann sind Marketingreisen irgendwann unabdingbar.

Borussia boomt indes auch so schon dank eine bundesweiten, ja jetzt schon internationalen Fanbasis. Sie haben bei 30 000 Dauerkarten erneut die Reißleine gezogen. Wie viele wären theoretisch möglich?

Aretz Ganz bestimmt deutlich mehr. Eine Zahl zu nennen wäre nicht seriös, denn wir wissen nicht, wie viele Fans sich noch gemeldet hätten, wenn wir den Dauerverkartenverkauf nicht gestoppt hätten.

STEFAN KLÜTTERMANN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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