Kommentar zu Überfall in Gladbach Das ist nicht euer Fußball!

Meinung | Düsseldorf · Vermummte mit rot-weißen Sturmhauben verprügeln am helllichten Tag am Borussia-Park einen Gladbacher Ultra. Der Fußball muss sich entschieden gegen diese Kriminellen wehren, die niemand braucht. Dass es auch anders geht, haben die vergangenen Tage gezeigt.

Nach der Attacke flüchtetetn die Angreifer.

Nach der Attacke flüchtetetn die Angreifer.

Foto: Screenshot: Vimeo

In diesen Tagen zeigt der Fußball, warum man ihn einfach lieben muss. Warum man sich seiner Magie nur schwer entziehen kann. Drei unglaubliche Halbfinals. In der Champions League in Liverpool und Amsterdam. Und dann auch noch als Zugabe eine Klasse tiefer in London das Spektakel von Eintracht Frankfurt. Der Fußball hat bewiesen, dass die größten, die stärksten Geschichten das Spiel selbst schreibt. Die Fans der Hessen haben eindrucksvoll demonstriert mit ihrer bedingungslosen und friedlichen Unterstützung, dass auch Verlierer als Gewinner gefeiert werden.

Es gibt zu viele, die am Fußball zerren und von ihm zehren. Die Verbände und Vereine, besser Unternehmen, die gierig nach immer neuen Erlösmodellen suchen. Eine gigantische Unterhaltungsindustrie. Die Fans sind zu Kunden geworden. Es gibt allerdings seit jeher ganz unterschiedliche Bedürfnisse der Konsumenten. „Die Fans“ gibt es wie „den Fußball“ natürlich in Wahrheit nicht. Pyrotechnik und Familienblock decken ganz gut die Bandbreite ab. Was der Fußball dringend bräuchte: weniger Ballyhoo drumherum. Er genügt sich selbst schon sehr gut.

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Und dann diese Szenen. Ein Horde von rot-weiß Vermummten wütet am hellichten Tag am Borussia-Park. Sie attackieren einen Gladbacher Ultra. Sie schlagen und treten auf ihn ein, selbst, als er schon längt am Boden liegt. Der Angriff dauert nur wenige Sekunden, als ein paar weitere Personen dazukommen, flüchten die Kriminellen in einen abfahrbereiten Kleinlaster und rasen davon. Angeblich soll der Fluchtwagen verfolgt worden sein, offenbar wurde er in voller Fahrt mit Stangen und Knüppeln von außen demoliert. Das alles ist im öffentlichen Raum passiert, so, als würde man eine neue Folge von „Alarm für Cobra 11“ drehen. Ein Irrsinn von erschütterndem Ausmaß.

Der Verdacht liegt zumindest nahe, dass es sich bei den Angreifern um Personen aus dem Umfeld des 1. FC Köln handeln könnte. Bewiesen ist das allerdings noch nicht. Es wird sicher nicht allzu lange dauern, bis sich eine Gruppierung auch noch auf großer Bühne für die Tat rühmen wird. Im Fan-Block, im Schutz von Gleichgesinnten und gleich schwarz gekleideten wird Diebesgut wie Trophäen präsentiert – leider viel zu oft begleitet vom Jubel der Massen, die sich damit unweigerlich mit derlei Chaoten solidarisieren. Das gilt auch für die Ultras selbst, in deren Reihen es ganz unterschiedliche Strömungen gibt. Viele Ultras verurteilen solche Aktionen, sie haben aber noch nicht genug Gewicht, um sich innerhalb der Szene durchzusetzen.

Was solche Verbrecher erfahren müssen: Ausgrenzung. Es ist nicht ihr Fußball! Ihnen ist der Fußball egal. Würde Handball, Eishockey, Schach oder Rhythmische Sportgymnastik mehr öffentliche Aufmerksamkeit haben, sie würden dort genauso wüten. Was jetzt geschehen muss: konsequentes Handeln gegen diese Unruhestifter. Liga (DFL), Vereine, die allzu oft vor den eigenen Problemfans kuschen und natürlich die Strafverfolgungsbehörden sind in der Pflicht. Es hilft indes nichts, pauschal Stadionverbote wie Gummibärchen zu verteilen. Die Täter müssen, Überraschung, so ist das in einem Rechtsstaat, auch überführt werden.

Gewalt ist für einige wenige auch Teil des Fußballs, wie für andere Bratwurst und überdachter Sitzplatz. Der Fußball entwickelt sich immer mehr zum Billigprodukt. Eine Massenware, in der die unabhängige Fankultur immer mehr zurückgedrängt wird. Das darf aber nicht zur Konsequenz haben, dass derartige Nebenkriegsschauplätze entstehen. Hooltras, wie diese gewaltbereiten Ultras genannt werden, dürfen keinen Platz haben im Fußball. Sie sind nicht die Bewahrer des Fußballs. Es geht ihnen nur um sich selbst und ihren nächsten Kick.

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