Borussia Mönchengladbach Kruses Frühjahrsputz und Einsatz aus Südamerika

Mönchengladbach · Borussia Mönchengladbach hat mit dem 2:1 in Dortmund große und kleine, langfristige und kurzfristige Krisen beendet. Selbst hausgemachte Action in der Schlussphase änderte nichts am ersten Sieg im Ruhrgebiet seit 16 Jahren.

Bundesliga 13/14: 25. Spieltag - Pressestimmen
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1.) Kunst und Kerngeschäft Der Countdown läuft. "Noch zehn", konnte man vor dem Spiel in Dortmund anzählen. "Noch neun" Spiele bleiben jetzt, die Marc-André ter Stegen maximal im Gladbacher Tor absolvieren wird. In seinen nunmehr 99 Bundesligapartien hat der 21-Jährige lediglich 14 Minuten verpasst, im September 2012 beim BVB. Über die volle Spieldauer von 95 Minuten packte ter Stegen diesmal alles Positive aus, was ihn seit seinem Debüt im Derby gegen den 1. FC Köln vor fast drei Jahren ausgemacht hat. Vor dem 1:0 schnappte er sich einen langen Ball der Dortmunder an der Strafraumgrenze und beförderte ihn mit einem gezielten Wurf in den Mittelkreis, von wo Raffael Fahrt aufnahm. In Hälfte zwei glänzte ter Stegen mit einer Parade gegen Robert Lewandowski im Kerngeschäft seines Jobs. Und die paar Sekunden alleine vor dem feiernden Gästeblock wirkten schließlich erst Recht wie der Beginn einer Abschiedstournee.

2.) Reingehauen Geschlossenheit demonstrierte die Mannschaft bereits vor dem Anpfiff. Der Gang in Richtung Borussia-Fans, der gegenseitige Applaus — das ist ein Ritual, seit Lucien Favre als Trainer in Mönchengladbach arbeitet, seit mittlerweile drei Jahren. Man neigt zur Überinterpretation, aber Martin Stranzl und Co. strahlten bereits in diesen Sekunden vor dem Anpfiff einen Tatendrang aus, der sich erst ab der 69. Minute verringerte, weil sich nach Havard Nordtveits Platzverweis nur noch zehn Gladbacher reinhauen konnten.

Bundesliga 13/14, Dortmund - Gladbach: Einzelkritik
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3.) Immer Aytekin Die Gelb-Rote Karte gegen den Norweger war ein Spannungsbringer aus dem Nichts. Unnötig. Als würde Til Schweiger in einem vor sich hinplänkelnden Bodensee-Tatort plötzlich als Gastermittler auftauchen. Zuletzt war im Oktober ein Gladbacher vom Platz geflogen, Martin Stranzl bei Hertha BSC. Auf das Konto des Österreichers ging auch der vorletzte Platzverweis gegen den Hamburger SV vor anderthalb Jahren. Damals fiel im Gegensatz zu Samstag der 2:2-Ausgleich in der Nachspielzeit — für Gladbach. Schiedsrichter der Partie war wie in Dortmund Deniz Aytekin. Der schmiss auch im April 2011 Mike Hanke in Mainz vom Platz. Damit gehen drei der fünf Gladbacher Platzverweise in der Favre-Ära auf das Konto des selben Referees. Nur einmal jedoch verlor der VfL.

4.) 11,01 Erst reagierte Favre mit der Einwechslung von Thorben Marx für Max Kruse auf die Unterzahl. Dann kam Lukas Rupp für Patrick Herrmann. Als schließlich Roel Brouwers Raffael ersetzte, agierte Gladbach in einem 5-2-1-1 mit Juan Arango als letztem Offensiv-Mohikaner. Der 33-Jährige, Assistgeber zum zwischenzeitlichen 2:0, lief 11,01 Kilometer. Während ein Christoph Kramer regelmäßig 13 Kilometer abspult, ist das für Arango ein sehr ordentlicher Wert. Seine Ballannahmen in der Schlussphase, oftmals direkt an der Seitenlinie, waren eine Augenweide. Es war einer dieser Nachmittage, an dem sich zweifellos festhalten ließ: Arango hatte Bock.

5.) Reus-artig Für die Auszeichnung "Mann des Spiels" reichte es trotzdem nicht ganz. Die verdiente sich Raffael. Genau wie Co-Südamerikaner Arango fiel der 28-Jährige nicht nur durch seine spielerische Klasse auf. 28 gewonnene Zweikämpfe sind ein Wahnsinnswert. Auf dem geteilten zweiten Platz in dieser Wertung, die gegnerischen Spieler eingeschlossen, folgten Julian Korb und Christoph Kramer mit 18. Am wertvollsten war letzten Endes jedoch die Zahl 27: Mit dieser Geschwindigkeit, in Stundenkilometern, hauchte der Brasilianer den Ball zum 1:0 über die Linie. Seit 1996 erzielte nur Marco Reus in der Saison 2011/12 mehr Tore für den VfL. Raffael Brasilianer hat sieben der letzten 14 Gladbacher Tore erzielt.

6.) Nur noch 950 Drei Viertel der "Fantastischen Vier" hatten wochenlang geschwächelt, allen voran Max Kruse. Der wischte seine Krise nicht nur mit seinem Treffer zum 2:0 weg, sondern anschließend auch symbolisch beim Torjubel — Frühjahrsputz in Dortmund. Zuletzt hatte er am 11. Spieltag beim Auswärtssieg in Hamburg aus dem Spiel heraus getroffen, auch damals mit einem vermeintlich billigen, aber äußerst gewinnbringenden Tänzchen. Die Minuten-Zählerei ist vorbei, mehr als 950 torlose können es in dieser Saison nicht mehr werden.

7.) Sicherer als gedacht Der BVB lief acht Kilometer mehr als der VfL (126:118). Selbst wenn man die Zahl um die verlorenen Meter durch Nordtveits Platzverweis bereinigt, bleibt eine große Differenz. Doch Gladbach hatte in den vergangenen Wochen am eigenen Leib erfahren, dass nicht jeder Wert Sinn ergeben muss. Die 2:0-Pausenführung ging durchaus in Ordnung, mutete nach all den Klatschen in Dortmund jedoch surreal an. Gladbach-Fans tendieren in solchen Situationen zu übervorsichtigem Optimismus à la: "Noch ein Tor und ein Punkt ist sicher." Hätte ihnen doch jemand nach 45 Minuten gesagt, dass der BVB in seiner Bundesliga-Historie erst einmal nach einem 0:2-Pausenrückstand noch gewonnen hat.

8.) Effektiv Apropos nichts sagende Statistiken: Der BVB hat es fertiggebracht, in dieser Saison 52 Schüsse in Richtung Tor von Marc-André ter Stegen abzufeuern, davon 15 auf den Kasten, 18 wurden abgeblockt. Beim einzigen Treffer durch Milos Jojic half Alvaro Dominguez' Knie entscheidend mit. 13 Versuche unternahm Gladbach in beiden Partien zusammen, sechs gingen aufs Tor — vier waren drin.

9.) Pottkrise Spielerisch, kämpfend und mit der nötigen Portion Glück hat der VfL also den ersten Sieg in Dortmund seit dem Frühjahr 1998 gefeiert. Diese Durststrecke ließ sich auf den gesamten Ruhrpott ausweiten. Bis Samstag hatte Gladbach 34 Gastspiele hintereinander im Pott nicht gewonnen. Nur elf Unentschieden gab es. Mit einer solchen Bilanz über eine ganze Saison würde man sich in Sphären von Tasmania Berlin bewegen.

10.) Alte Leier In der Hinrunde war das Spiel zwischen Gladbach und dem BVB das Duell Siebter gegen Erster. Am Samstag trennten den Achten und Zweiten wieder sechs Positionen. Nimmt man alle 18 Spiele in diesem Zeitraum zusammen, liegen beide Borussias gleichauf. Auf Bayer Leverkusen haben sie sogar je drei Punkte gutgemacht. Niemand vermag zu prophezeien, was die letzten neun Saisonspiele bringen. Der Einfachheit halber hat man sich in Gladbach wieder darauf verständigt, von Spiel zu Spiel zu denken.

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