Ex-Abwehrchef über die Krise Stranzl wirft den Borussen Schönrederei vor

Mönchengladbach · Martin Stranzl hat sich erneut zu Wort gemeldet und lässt kein gutes Haar an seiner Nachfolge-Generation bei Borussia Mönchengladbach. Der ehemalige Kapitän wirft den Spielern und Verantwortlichen vor, die Dinge mitunter schönzureden. Was er zudem Trainer Adi Hütter nahelegt.

Martin Stranzl - Rückblick auf Zeit bei Borussia Mönchengladbach
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Martin Stranzl – seine Gladbach-Zeit in Bildern

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Foto: Dirk Päffgen (dirk)

Vor exakt sechs Jahren hat Martin Stranzl sein Karriereende angekündigt, und dennoch hat er rund um Borussia derzeit fast eine Präsenz wie als aktiver Profi auf dem Rasen. Zuletzt pries ihn Sportdirektor Roland Virkus noch einmal ausführlich in einem Mediengespräch, als es um Typen, Führungsspieler und Kommunikatoren ging. Denn Stranzl – einst Mit-Retter, Kapitän und Abwehrchef der zwischenzeitlich besten Defensive in Europa – verkörpert enorm viel von dem, was Borussia abgeht in der größten Krise, seit der Österreicher Anfang 2011 zum damaligen Schlusslicht der Bundesliga wechselte.

In einem Interview mit „ran.de“ hat sich Stranzl nun erneut selbst zu Wort gemeldet und die eine oder andere verbale Grätsche ausgepackt. „Katastrophal“ sei die Lage, so der 41-Jährige. „Weil die Gladbacher in all den bisherigen Saisonspielen nichts dazu gelernt haben. Das ist für mich das Allerschlimmste. Es ist keinerlei Verbesserung zu erkennen, aber auch in keiner Art und Weise“, sagte Stranzl. „Vor allem das gemeinsame Verteidigen in der letzten Linie, was ja schon in der vergangenen Saison ein großes Thema bei der Borussia war, wird nicht besser, sondern sogar eher noch schlimmer.“

Der größte Vorwurf, den Stranzl seinem Ex-Verein macht: Schönrederei. Als Beispiel nennt er die Reaktionen auf den 3:2-Sieg gegen den FC Augsburg vor einigen Wochen. „Aber unter dem Strich hat man auch in dieser Partie wieder zwei Gegentore bekommen und viele Großchancen des Gegners zugelassen. Gleiches ist nach dem 0:6 bei Borussia Dortmund passiert. Wenn du sechs Gegentore kassierst, kannst du dich nicht nach dem Spiel hinstellen und argumentieren, dass du bis zum 0:3 noch gut mitgehalten und das Spiel offen gestaltet hast.“ 51 Gegentore hat Borussia allein in dieser Saison kassiert, nach 25 Spielen, davon 37 in den vergangenen 13. Zum Vergleich: In der Saison 2011/12, nach der Gladbach mit Stranzl in den Europacup zurückkehrte, stellte die Mannschaft mit nur 24 Gegentoren einen Vereinsrekord auf.

Als bester Kommunikator im aktuellen Kader gilt Christoph Kramer, doch er teilt nicht Stranzls Neigung zum Granteln. Dennoch sind seine Worte nach dem 2:3 beim VfB Stuttgart als verbaler Weckruf eingeordnet worden, ja sogar als öffentlicher Hilferuf. Von „1000 Baustellen“ sprach Kramer, „Grüppchenbildung“ sei nur eine davon. „Die hast du ja letztendlich in jeder Mannschaft. Der eine hängt mit dem Spieler mehr ab als mit dem anderen. Und das bei Gladbach beispielsweise die Franzosen viel miteinander zu tun haben und gemeinsam Dinge unternehmen, ist auch ganz normal“, sagte Stranzl. „Allerdings brauchst du dann eben Führungsspieler in der Mannschaft, wie beispielsweise der Kapitän oder der gesamte Mannschaftsrat, die diese Gruppen einfangen, sie vereinen und auf einen gemeinsamen Erfolgsweg einschwören.“ Allerdings fehlten Borussia dafür die starken Spielerpersönlichkeiten.

Einen Trainerwechsel sieht Stranzl nicht als die Lösung aller Probleme. „Das kann gut gehen, kann aber auch scheitern. Was soll der Verein in der jetzigen Situation machen? Sie haben mit Hütter einen Trainer für sehr viel Geld im Sommer verpflichtet, der sicherlich auch gut verdient und aufgrund der ganzen Corona-Situation werden dem Verein finanziell auch ein Stück weit die Hände gebunden sein“, sagte er über seinen Landsmann. Hütter müsse sich entscheiden, „wie weit er vielleicht auch von seiner eigenen Überzeugung abrückt und sich beispielsweise wieder mehr den Basics in der Defensive widmet, damit die Mannschaft endlich mal wieder zu Null spielt und sich so Selbstvertrauen zurückholt.“ Doch diese Probleme bestünden nicht erst, seit Hütter da ist. „Aber in erster Linie nehme ich die Spieler in die Pflicht. Es kann nicht immer alles nur auf den Trainer abgewälzt werden“, betonte Stranzl und schloss sich damit Sportdirektor Virkus an.

Nicht nur in Krisenzeiten ist Stranzl einer, an dessen Lippen vor allem die Fans hängen. Aktuell macht er seinen Trainerschein, nach Max Eberls Rücktritt wurde er bis zu einem schnellen Dementi als Manager gehandelt. Irgendwann kommt vielleicht der Tag, an dem er wieder vor Ort in Gladbach „stranzlt“. Bis dahin bleibt er als Mahner aus dem Burgenland präsent.

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