Künstliche Intelligenz im Fußball Gladbacher Firma will Marktwerte revolutionieren
Mönchengladbach · Profivereine im Fußball kommen an Künstlicher Intelligenz kaum noch vorbei. Ein Finanz-Unternehmen aus Mönchengladbach überträgt seine Expertise mit Big Data und Algorithmen nun auf den Transfermarkt. So sehen Borussias Werte auf der Plattform „Gool“ aus.

Das sind die Borussia-Marktwerte von „Gool“
Der FC Bayern hatte im Uefa-Cup nur 2:2 gegen die Bolton Wanderers gespielt, als Karl-Heinz Rummenigge seinem Trainer Ottmar Hitzfeld dessen analytische Denkweise vorhielt. „Fußball ist keine Mathematik“, sagte der damalige Vorstandsboss. Die beiden Protagonisten sind in Rente, und dass die Bayern mal die Champions League verpassen, ist kaum noch vorstellbar. Nicht nur das sind Indizien, dass der Disput schon mehr als 15 Jahre zurückliegt.
Wer heute in Rummenigges Position behaupten würde, dass Mathematik im Fußball keine Rolle spiele, würde sich umgehend als Macher von Gestern outen. Unter den Datenanalysten der Bundesliga-Vereine tummeln sich studierte Mathematiker, Künstliche Intelligenz (KI) hat längst Einzug gehalten, ohne dass der Stadionbesucher oder „Sportschau“-Gucker zwingend etwas davon bemerkt.
Nur circa 300 Meter vom Borussia-Park entfernt hat sich eine Mönchengladbacher Firma der Revolution angeschlossen: GET Capital verwaltet mit KI-Unterstützung das Vermögen institutioneller Anleger, zum Beispiel Pensionskassen. Doch das Unternehmen will seinen Ansatz von der Finanzwelt auf den Sport übertragen, vor allem auf den Transfermarkt im Fußball. Mit dem FC Sevilla ging die Firma eine Kooperation ein, von der die Öffentlichkeit lange nichts erfuhr.

Ablösefreie Kandidaten für Borussia
Unternehmensgründer Harald Schnorrenberg hatte Kontakte zum Rekordsieger der Europa League und stieß beim berüchtigten Sportdirektor Monchi auf offene Ohren: GET Capital entwarf für Sevilla eine datengetriebene Scoutingplattform, auf der die Marktwerte der Spieler nicht durch die Schwarmintelligenz der User ermittelt werden wie auf „transfermarkt.de“, sondern rein KI-basiert. „Ein objektives Bewertungstool ohne Bauchmeinung“, wie Robert Kohtes, Head of Business Development, es nennt. Nur die Leistung auf dem Rasen zählt.
Unsere Redaktion kann die Plattform „gool.ai“ als erstes Medienunternehmen nutzen. Mehr als 90.000 Spieler aus über 70 Ligen finden sich dort. Aus rund 300 Datenpunkten, jeweils gewichtet nach ihrer Bedeutung für jede Position, errechnet sich der „Gool“-Marktwert, der jede Woche aktualisiert wird. „Wir können genau sagen, welche Leistungsdaten welchen Beitrag zum Marktwert leisten“, sagt Kohtes. „Es bringt größere Transparenz in die Marktwerte.“
Der aktuell wertvollste Spieler bei Borussia Mönchengladbach ist Manu Koné. Sein Alter, seine Spielzeit, sein Passverhalten oder seine Dribblingstärke sind positive Treiber seines Marktwerts, Abzüge gibt es für den überschaubaren unmittelbaren Output in der Offensive. Angegeben wird derzeit ein Wert von 20,87 Millionen Euro. „Gool“ bietet auch Entwicklungsprognosen: Im Sommer 2024 soll Koné 27,15 Millionen erreichen, 2025 schon 31,23. Bei Profis aus einer mittleren Altersklasse ist der Verlauf dagegen wellenförmig: Julian Weigl (27) soll bis nächstes Jahr von 13,13 Millionen auf 15,54 steigen und ein weiteres Jahr später auf 14,69 sinken.
Das Tool soll Vereinen helfen, effizienter zu planen und nicht zu hohe Preise zu zahlen. „Es gibt Faktoren, die am Ende nur ein Scout beurteilen kann“, gibt Kohtes aber auch zu. „Wie verhält der Spieler sich auf dem Platz? Ist er ein Motivator oder lässt er die Schultern hängen?“ Die Vermarktbarkeit eines Profis, oft gemessen an potenziellen Trikotverkäufen, fließt ebenso wenig ein.
Auf der Plattform lassen sich dafür Spieler testweise zu anderen Klubs transferieren, der Algorithmus errechnet einen möglichen Marktwert. Ein Faktor dürfe jedoch nicht unterschätzt werden, sagt Kohtes: „Sehr gute Spieler können nur einen sehr hohen Marktwert haben, wenn sie auch in einer sehr guten Mannschaft spielen.“ So würde Koné bei Paris Saint-Germain zum Beispiel mit seinen sportlichen Werten schlagartig auf 36,5 Millionen Euro taxiert. Fabian Rieder von den Young Boys Bern, der mit Borussia in Verbindung gebracht wird, wäre statt 5,51 Millionen bei einem Wechsel nach Gladbach laut „Gool“-Algorithmus 13,15 Millionen wert.
Der Gesamtwert des Borussia-Kaders beträgt derzeit knapp 60 Millionen Euro weniger als bei „transfermarkt.de“. Unter diesen Umständen trotzdem Vereine von ihrem Produkt zu überzeugen, ist für die „Gool“-Macher eine Herausforderung. Aber die Firma aus dem Mönchengladbacher Nordpark hat diese längst angenommen.