Borussia Mönchengladbach Der Weg zum "Fußballgott" und ein Kramer für Deutschland

Nach fünf Jahren und zehn Freistoßtoren verabschiedet sich Juan Arango. Borussia Mönchengladbach hat er mit seinem linken Fuß enorm bereichert. Andere haben vor kurzem erst damit begonnen, den VfL zu bereichern. Eine "Zehn vom Niederrhein" voller guter Typen.

Juan Arango: Alle Freistoß-Tore für Borussia Mönchengladbach
13 Bilder

Juan Arangos Freistoßtore für Borussia Mönchengladbach

13 Bilder
Foto: dpa, Roland Weihrauch

1.) "Fußballgott" geht Es hatte sich über Monate angestaut. Erst waren die "Fußballgott"-Rufe nur aus einzelnen Blöcken im Borussia-Park zu hören, spätestens am 22. März dann — Gladbach gewann 3:0 gegen Hertha BSC — bestand kein Zweifel mehr, dass Juan Arango es endgültig geschafft hatte. Im Sommer 2009 kam der Venezolaner mit all seiner internationalen Erfahrung aus Mallorca an den Niederrhein, um eine chronisch abstiegsgefährdete Borussia zu verstärken — ohne Heilsbringer-Anspruch, erst Recht ohne "Fußballgott"-Erwartungen. Arango kann nicht alles, aber er kann mit seinem linken Fuß so viel, dass man beinahe gezwungen war, über jegliches Phlegma hinwegzusehen, wenn er mal wieder aus 44 Metern im Sitzen traf.

2.) Hohe Kunst Zehn Freistoßtore hat Arango in fünf Jahren produziert. Die Zahl klingt gar nicht so beeindruckend. Aber gefühlt waren es 37, weil sich jede dieser Szenen eingebrannt hat. Vor einem Freistoßtor gibt es keine Passstaffette, die im Kopf bleibt, nur die Flugbahn des Balles. Wie ein Pinselstrich. Zu erörtern, welcher Freistoß am schönsten war, sei einem Kunstmagazin in einer Titelstory überlassen. Es sollte für jeden Geschmack etwas dabei gewesen sein.

3.) Sechser mit Sechser im Lotto Kann man es als "Kampagnenjournalismus" bezeichnen, was die Taktikexperten von spielverlagerung.de am 22. November 2013 unter ihre Analyse zum Spiel der Borussia beim VfB Stuttgart schrieben? Kurz und knapp hieß es da: "Kramer muss in die Nationalmannschaft." Dieser Kramer, Christoph Kramer, war fünf Monate zuvor von Bayer Leverkusen nach Gladbach ausgeliehen worden, nachdem er zwei Jahre beim VfL Bochum in der 2. Bundesliga auf sich aufmerksam gemacht hatte. Noch in der Winterpause glaubte der 23-Jährige nicht an sich und den DFB. "Das ist natürlich totaler Quatsch", sagte Kramer in einem Interview mit unserer Redaktion, in dem er und Max Kruse sich gegenseitig die Fragen stellten. "Ich denke, dass ich die WM wohl nicht als Spieler erleben werde." Der Ansicht darf er weiterhin sein. Nur sollte Kramer seine Gedanken im Trainingslager der Nationalmannschaft nicht zu laut mitteilen. Der Bundestrainer scheint regelmäßig spielverlagerung.de zu besuchen.

WM 2014: Diese 23 Spieler wurden mit Deutschland Weltmeister
25 Bilder

Diese 23 Spieler wurden in Brasilien Weltmeister

25 Bilder

4.) Vorneweg Fast schon berühmt ist Kramer für seine Pferdelunge. 387,07 Kilometer hat der gebürtige Solinger in der vergangenen Saison zurückgelegt. Bei einer Einsatzzeit von 2653 Minuten sind das 13,1 Kilometer pro 90 Minuten. Zur Einordnung: Das genügt in den meisten Fällen, um als lauffreudigster Spieler auf dem Platz in die Statistik einzugehen. In einem Jahr endet das Leihgeschäft zwischen Gladbach und Leverkusen. Laut Vertrag spult Kramer seine 13 Kilometer dann bis 2017 für Bayer ab.

5.) Fohlenstall Drei Eigengewächse der Borussia — Jahrgang 1990, 1991 und 1992 — absolvierten in der vergangenen Spielzeit mehr als 30 Partien. Sowohl Tony Jantschke als auch Patrick Herrmann und Marc-André ter Stegen traten im Saisonverlauf in den "Klub der Hunderter" ein. Herrmann führt die interne Rangliste mit 130 Bundesligaspielen an, Jantschke hat jetzt 115 und ter Stegen verlässt den VfL nach 108 Einsätzen.

6.) Ein bisschen unbesiegbar So weit ist Julian Korb noch nicht. Der 22-Jährige steht bei 23 Bundesligaspielen, hat aber zweifellos den Durchbruch geschafft. Ihn im vergangenen Sommer nicht zu verleihen, war eine goldrichtige Entscheidung — wenn man denn überhaupt sagen kann, dass diese Entscheidung zu 100 Prozent aus freien Stücken gefällt wurde. Schließlich hatte der Rechtsverteidiger bis dahin in gerade einmal zwei Spielen auf sich aufmerksam machen können. 2012 feierte er beim 3:0 in Mainz sein Bundesliga-Debüt und zeigte beim 3:0 gegen Fenerbahce Istanbul eine starke Leistung in der Europa League. So ging es weiter, nachdem er Ende Oktober 2013 in Borussias Startelf gespült wurde. Korb verließ in seinen ersten acht Pflichtspielen den Platz immer als Sieger, 20:3 Tore lautete die Bilanz. Obwohl er mittlerweile auch das Verlieren kennengelernt hat, gehört er zu den Gewinnern des Jahres.

Bundesliga 12/13: Arango trifft von der Seitenlinie
7 Bilder

Bundesliga 12/13: Arango trifft von der Seitenlinie

7 Bilder

7.) Jung-Kapitän Ein wenig hat Korb seinen Durchbruch Tony Jantschke zu verdanken. Der wiederum erlebte im zarten Alter von 23 Jahren bereits seinen zweiten Frühling. Alvaro Dominguez hatte sich an der Schulter verletzt, Martin Stranzl war gesperrt, da zog es Jantschke nach innen und er räumte seinen Platz als rechter Verteidiger für Korb. So blieb es — und bei spielverlagerung.de begannen die ersten User, auch Jantschke für die Nationalmannschaft ins Gespräch zu bringen. Im April führte er die Borussia in Nürnberg erstmals als Kapitän aufs Spielfeld. Im Februar verlängerte der Verein seinen Vertrag vorzeitig bis 2018. Wenn der ausläuft, könnte er weit mehr als 200 Bundesligaspiele für den VfL absolviert haben.

8.) Kein Bankdrücker Nach dieser Saison gibt es kaum Gründe, die dagegen sprechen. Jantschke ist unter Lucien Favre so gesetzt, dass es geradezu merkwürdig war, als er im März beim 0:1 in Frankfurt nicht in der Startelf stand. Jantschke hinter der Grundlinie, beim Warmmachen — das kennt man so nicht. Bis zu jenem Mittwochabend hatte Favre 97-mal in Folge auf Jantschke gesetzt, wenn der auch zur Verfügung stand.

9.) Gelbe Zurückhaltung Juan Arango zaubert, Christoph Kramer läuft, Max Kruse bringt die nötige Prise Verrücktheit, Raffael die Kreativität — so trugen die verschiedenen Typen der Borussia ihren Teil zu erfolgreichen Saison bei. Martin Stranzl ist für die Kategorie Zuverlässigkeit zuständig, über Monate gepaart mit bemerkenswerter Disziplin. Bereits am 11. Spieltag sah der Österreicher seine vierte Gelbe Karte. Anschließend kam er 1759 Minuten lang ohne aus. Erst am letzten Spieltag sah Stranzl die fünfte, als ihn das Regelwerk vor einer Gelbsperre schützte.

Porträt: Das ist Christoph Kramer von Borussia Mönchengladbach
26 Bilder

Das ist Christoph Kramer

26 Bilder
Foto: Dirk PŠffgen/Dirk Paeffgen (dirk)

10.) Brouwers bleibt Wenn es ums Thema Zuverlässigkeit geht, führt kein Weg an Roel Brouwers vorbei. Der Niederländer, 2007 vom SC Paderborn gekommen, bleibt ein achtes Jahr bei der Borussia. Unter Lucien Favre kann Brouwers eine bemerkenswerte Statistik vorweisen: 390 Minuten hat er unter dem Trainer als Joker gespielt, in dieser Zeit kassierte Gladbach nur ein Gegentor. Und das besorgte Brouwers damals gegen den VfB Stuttgart auch noch selbst.

(csi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort