Borussia Mönchengladbach Imagewechsel für Borussias Minimalisten

Mönchengladbach · Die defensive Spielweise vieler Gegner zeigt, wie sehr sie Borussia als Topteam verinnerlicht haben. Favres Elf steht so unter Druck, sich hin zu neuen Lösungen weiterzuentwickeln. Individuelle Klasse gewinnt an Bedeutung. Eine Analyse.

 Raffael (hier gegen Kölns Mergim Mavraj) ist einer, der im Eins gegen Eins Lücken reißen kann. Weil ihm das aber seit Wochen nicht gut genug gelingt, fehlt es Borussia in den entscheidenden Situationen an Tempo.

Raffael (hier gegen Kölns Mergim Mavraj) ist einer, der im Eins gegen Eins Lücken reißen kann. Weil ihm das aber seit Wochen nicht gut genug gelingt, fehlt es Borussia in den entscheidenden Situationen an Tempo.

Foto: Dirk Päffgen

Das Lob kam aus prominentem Munde. Als der BVB Anfang November die Namenscousine aus Mönchengladbach 1:0 geschlagen hatte, bezeichnete Dortmunds Trainer Jürgen Klopp den Gegner als "die Mannschaft mit der großartigsten Entwicklung in den vergangenen zwei Jahren im deutschen Fußball". Ob die verbleibenden 16 Bundesligatrainer das genauso sehen, ist nicht bekannt. Fakt ist aber, dass jeder von ihnen Borussia inzwischen selbstverständlich als Spitzenteam einordnet.

Die Folge: Bis auf wenige Ausnahmen suchen Gladbachs Gegner ihr Heil in der Defensive, Köln am Samstag, ja selbst ein Europacup-Dauergast wie Schalke eine Woche zuvor. "Es ist überraschend, dass so viele Mannschaften so defensiv gegen uns spielen. Anscheinend ist der Respekt uns gegenüber dermaßen gestiegen. Das macht es für uns natürlich nicht einfacher, wenn eine Mannschaft im eigenen Sechzehner bleibt und sich nur hinten rein stellt", sagt Granit Xhaka. Seine Kollegen und er sind dadurch gezwungen, als Mannschaft ihrer Entwicklung zeitnah den nächsten Schritt hinzuzufügen. Hin zu neuen Lösungen.

Vom Fast-Absteiger, über das Sensations-Konter-Team bis hin zur Ballbesitz-Maschine - seit Lucien Favre das Sagen hat, hat Borussia bereits ihre dritte Entwicklungsstufe erreicht. Der Erfolg stellte sich jeweils ein, und aktuell ist die Mannschaft dank einer sehr guten Defensivleistung auch noch in der Lage, Spiele mit nur einem geschossenen Tor zu gewinnen. Doch Beispiele anderer Vereine zeigen, dass sich die Gegner früher oder später auf jede Spielidee einstellen und sie neutralisieren, wenn diese Idee zu sehr zum starren "Schema F" mutiert.

Granit Xhaka: Jubellauf nach Siegtor im Derby gegen den 1. FC Köln
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Xhakas Jubellauf nach Siegtor im Derby

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Foto: dpa, fg nic

Klopps BVB verblüffte und überforderte zwei Jahre lang alle mit seinem Tempo-Pressing-Laufspiel. Die Zeiten sind vorbei. Zu Saisonbeginn sah es so aus, als sollte niemand Bayer Leverkusen in dessen neuem Pressing-Wahn stoppen, doch man stoppte ihn relativ schnell. Ja selbst beim FC Barcelona sind sie inzwischen überglücklich, nicht länger nur auf das so viel gerühmte Tiki-Taka beschränkt zu sein. Stillstand ist Rückschritt im Fußball - gerade, wenn es darum geht, den Sprung hin zu einem konstanten Spitzenteam zu machen.

In diesen Wochen probiert es Borussia gegen tief stehende Gegner nach wie vor mit schneller, aber eben auch geduldiger Ballzirkulation, die immer dann an Wirkung verliert, wenn im vorderen Bereich niemand in der Lage ist, sich im Eins gegen Eins durchzusetzen. Diese individuelle Klasse wird so immer wichtiger und ein immer wichtigerer Aspekt bei der Kaderplanung.

Borussia Mönchengladbach: Einzelkritik gegen den 1. FC Köln
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Gladbach - Köln: Einzelkritik

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Fehlt die Handlungsschnelligkeit des Einzelnen in einer Szene, geht es bei Borussia wieder hinten herum, der Gegner stellt sich neu, und Gladbach testet so die eigene Geduld und die der Fans, von denen Teile auch am Samstag wieder raunten, als der Ballbesitz in ihren Augen zum Selbstzweck geworden schien. Mit dem Erfolg ist eben auch die Erwartungshaltung gestiegen. "Die Gegner wissen, wir stark wir sind, wenn wir vorne Platz haben, deswegen stellen sie sich hinten rein", sagt Yann Sommer. Es klingt wie der Fluch der guten Tat. Und dem muss sich Borussia stellen.

(RP)
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