Borussia Mönchengladbach Holländer Herrmann und die Rückkehr der Spätzünder

Mönchengladbach · Patrick Herrmann hat gegen den Hamburger SV einen Bundesliga-Rekord eingestellt. Filip Daems dagegen wird einen anderen nicht mehr schaffen. Ganz sicher ist nur Borussias Klassenerhalt. Aber man muss nicht alles feiern, findet die "Zehn vom Niederrhein".

Filip Daems' 20 Elfmeter für Borussia
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Filip Daems' 20 Elfmeter für Borussia

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Foto: dpa, fg hak

1.) Verflixte 19 Das hatte es noch nie gegeben. Und nur weil das nie zuvor Geschehene passierte, konnte etwas anderes passieren, was es vorher auch noch nie gegeben hatte. Letztendlich war es für Filip Daems deutlich einfacher, den Ball nach seinem verschossenen Elfmeter über die Torlinie zu drücken, als diese Zeilen im ersten Versuch zu verstehen. Der Belgier scheiterte erst an René Adlers Beinen. Daems hatte aber Glück, seinen 19. Elfmeter im Gladbach-Trikot so schwach geschossen zu haben, dass der Ball einfach liegen blieb wie ein Stein. Somit darf zumindest diskutiert werden, ob der 35-Jährige am Sonntag sein erstes Bundesliga-Tor aus dem Spiel heraus erzielt hat.

2.) Rechtsfußverweigerer Es hätten historische sechs Minuten im Borussia werden können: Zunächst verschoss Filip Daems seinen ersten Elfmeter, dann hätte Juan Arango beinahe sein erstes Tor mit rechts erzielt. Frei vor Hamburgs Keeper Adler, nach einem tollen Zuspiel von Martin Stranzl, hätte es womöglich genügt, den Ball mit rechts durch die Beine zu spitzeln. Doch Arango sah das gar nicht ein.

Patrick Herrmann: Das stolze Eigengewächs von Borussia Mönchengladbach
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Das ist Patrick Herrmann

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Foto: Dirk Päffgen

3.) Wie ein alter Holländer Immerhin eins kann Patrick Herrmann behaupten: Wenn er nach 90 Minuten noch auf dem Platz stand, hat er den Abpfiff in dieser Saison nie als Verlierer erlebt. Ansonsten gibt es keine Muster, wann er mal durchspielen darf. Nun ja, es gibt auch lediglich drei Beispiele. 3, 14, 19, 22 und bis jetzt 25 — von Saison zu Saison sind die Auswechslungen mehr geworden. Am Wochenende hat Herrmann sogar den Bundesligarekord des Ex-Schalkers René Eijkelkamp eingestellt. Der Niederländer war damals 34 Jahre alt, Herrmann ist 23. Damit scheint der Allzeit-Rekord von Gerald Asamoah in Reichweite. Noch 56 Auswechslungen fehlen — bei dem Tempo dauert das vielleicht nicht einmal zwei Jahre.

4.) Zwei für 25 und 16 Dem Vernehmen nach hat Max Eberl einen Gesamtpreis von etwa acht Millionen Euro für das Sturmduo Raffael und Max Kruse ausgehandelt. Die beiden kamen im vergangenen Sommer aus unterschiedlichen Welten — von einem Gastspiel auf Schalke mit Vertrag bei Dynamo Kiew und vom SC Freiburg. Mit insgesamt 25 Toren und 16 Vorlagen gehören die beiden — Kruses zwischenzeitlicher Durststrecke zum Trotz — zum Besten, was die Liga zu bieten hat. Vier seiner Treffer hat Raffael von Kruse aufgelegt bekommen und sich seinerseits mit zwei direkten Assists bedankt.

5.) Spätzunder reaktiviert Lucien Favre hatte in den vergangenen Wochen ein fast schon sensationelles Wechselverhalten an den Tag gelegt. Der Vorwurf, Gladbachs Trainer bringe zu spät frische Leute, zielte neuerdings ins Leere. Gegen Hamburg startete Favre die kleine Konterrevolution und wechselte bis zur 86. Minute nur einmal — weil Stranzls Verletzung ihn dazu zwang. Raffael (75. Minute) und Álvaro Dominguez (78. Minute) vollendeten spät die Wende. Sie erzielten Gladbachs erste Treffer in der zweiten Hälfte seit zwei Monaten und sorgten gleichzeitig dafür, dass die Mannschaft im eigenen Stadion nun schon dreimal einen 0:1-Rückstand noch in einen Sieg umgewandelt hat — bei insgesamt sechs Versuchen.

6.) Dringeblieben Während die HSV-Fans nach dem Führungstreffer für ihr Team lauthals "Niemals Zweite Liga!" sangen, hätten die Borussia-Fans in der Nordkurve Handfestes verkünden können: Gladbach hat am Sonntag den Klassenerhalt geschafft, wird am Saisonende sicher auf Platz 14 stehen. Den Nichtabstieg am 28. Spieltag frenetisch zu feiern, wäre wohl ein wenig zu demütig. Doch bereits Platz 14 bedeutet, dass die Borussia besser abschneidet als in neun der vergangenen 16 Jahre. Schon am kommenden Spieltag kann die Borussia in den vereinsinternen Charts seit 1997 weiter steigen.

7.) Gern gesehen In der besten Spielzeit der vergangenen 17 Jahre stellte Gladbach seinen Zuschauerrekord auf. Insgesamt 877.364 Menschen sahen Marco Reus und Co. auf bei ihrem Sturm auf Platz vier zu. Die Platzierung aus der Saison 2011/12 wird vielleicht nicht getoppt, dafür aber die Bestmarke auf den Rängen im Borussia-Park. Da die Heimspiele gegen den VfB Stuttgart und den FSV Mainz 05 ausverkauft sind, wird der Rekord auf 888.422 Zuschauer geschraubt — ein Schnitt von 52.260 und eine Auslastung von 96 Prozent.

8.) Daneben Etwa 5000 mitgereiste HSV-Fans gehen in die Statistik ein. Einige benahmen sich mächtig daneben. Die Bandbreite reicht von umgangenen Einlasskontrollen über zwei massive Pyrotechnik-Einsätze bis hin zu Ausschreitungen an einer Raststätte im Münsterland. Der Gesamteindruck war weder erstklassig noch mit irgendeiner anderen Liga kompatibel.

9.) Ins eigene Fleisch Am letzten Märzwochenende 2013 meldete der SC Freiburg so gut wie Vollzug in Sachen Max Kruse. Die Borussia war im Breisgau zu Gast und traf auf ihren designierten Sommerneuzugang. Der wiederum traf doppelt, schoss sich rückblickend selbst aus dem Europapokal. Vor drei Wochen schaffte Augsburgs André Hahn ebenfalls einen Doppelpack, wenn auch nur mit zwei Torvorlagen. Nach einer sieglosen Englischen Woche für den FCA sieht es nun ganz danach aus, als könne die Schlagzeile "Bald-Borusse bringt sich selbst ums internationale Geschäft" dieses Jahr im Schlagzeilenschrank bleiben.

10.) Tatort Wolfsburg Lucien Favre und seine Spieler schauen bekanntlich nur "von Spiel zu Spiel". Wer sich jetzt schon einen Blick auf das Saisonfinale gönnt, wird begeistert feststellen, dass das am 33. und 34. Spieltag echte Krimis werden könnten. Mainz ist im Borussia-Park zu Gast, dann muss Gladbach nach Wolfsburg. 1998 nahm ein Krimi in der VW-Stadt ein gutes Ende. Man nannte es das erste von zwei großen "Nichtabstiegswundern", die die Borussia vollbracht hat.

(areh)
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