Interview mit Borussias Ex-Trainer Hans Meyer: "Gebt de Jong Zeit"

Mönchengladbach · Der Ex-Trainer – heute Vorstandsmitglied von Borussia Mönchengladbach – über zu hohe Erwartungen, die Mehrbelastung durch die Europa League, Geduld mit dem teuersten Zugang und die schwierige Aufgabe heute gegen Nürnberg.

Bundesliga: Unsere Tipps zum 2. Spieltag
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Foto: rpo

Der Ex-Trainer — heute Vorstandsmitglied von Borussia Mönchengladbach — über zu hohe Erwartungen, die Mehrbelastung durch die Europa League, Geduld mit dem teuersten Zugang und die schwierige Aufgabe heute gegen Nürnberg.

Sie sind in Gladbach Präsidiumsmitglied, leben aber in Nürnberg. Nun treffen sich beide Klubs heute zum Bundesligaspiel. Hoffen Sie auf ein friedfertiges Unentschieden?

Meyer Nein, da gibt es eine klare Priorität. Es gibt keinen Klub, für den ich gearbeitet habe, bei dem ich wegen eines Sieges oder einer Niederlage nicht schlafen kann, egal ob Gladbach, Berlin oder Nürnberg. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich in den Glanzzeiten der Borussen den Fußball der Fohlen gemocht habe. Aber es wäre idiotisch zu sagen, dass ich dem Klub, bei dem ich im Vorstand bin, nicht von ganzem Herzen den Sieg wünsche. Wir wollen den fantastischen Weg, den wir in der vergangenen Saison eingeschlagen haben, fortsetzen.

Borussia war Vierter. Kann das der Maßstab für diese Saison sein?

Meyer Bitte hören Sie damit auf. Das ist doch unseriös. Alle müssen realistisch bleiben. Es ist schlimm, dass Trainer Lucien Favre mit solchen Sachen unter Druck gesetzt wird. Jeder weiß, dass das, was in der vergangenen Saison passiert ist, das Resultat der tollen Leistung des Teams und des Trainers ist. Aber es hat auch alles gut gepasst. Das war schon beim Sieg in München am ersten Spieltag so. Was damit losgetreten wurde und die Art und Weise, wie die Mannschaft daraus Selbstvertrauen gezogen hat, das war beachtlich. Das waren 110 Prozent, und es war auch das Resultat dessen, was Sportdirektor Max Eberl in den Jahren zuvor mit klugen Transfers geleistet hat. Es ist schön für einen Verein, der vorher Jahrzehnte immer wieder nach unten schauen musste. Aber so etwas ist nicht planbar, darum wird diese Saison keineswegs ein Selbstläufer.

Wissen das die Fans?

Meyer Gehen sie mal davon aus, dass ein Großteil unserer Fans sehr realistisch ist. Das zeigt allein die Art und Weise, wie sie das Team trotz der Niederlage gegen Kiew unterstützt haben.

Was ist realistisch für diese Saison?

Meyer Es ist eine große Aufgabe, die Lucien Favre und das Team zu bewältigen haben. Seine Mannschaft spielt jetzt international — und wer weiß, wofür es gut ist, dass es am Ende die Europa League geworden ist. So oder so muss unser Trainer aber den komplizierten Spagat zwischen Europa und der Bundesliga hinbekommen. Es kann Situationen geben, wo es zwei Niederlagen am Stück gibt, da darf man nicht die Ruhe verlieren. Das Problem ist: Die Spiele gegen Istanbul, Limasoll und Marseille sind eine tolle Sache für das junge Team — aber die vielen jungen Spieler müssen auch lernen, mit der Situation umzugehen. Heute Europa, morgen Alltag, das ist nicht immer leicht. Wichtig ist, dass die jungen Leute coachbar bleiben und sich weiterentwickeln wollen. Individuelle und kollektive Fehleinschätzungen wären fatal und kontraproduktiv.

Lucien Favre klagt, mit Reus, Dante und Neustädter habe Borussia Ihr Rückgrat verloren.

Meyer Lucien Favre klagt nicht, er stellte richtigerweise fest, dass die Mannschaft im Sommer drei sehr wichtige Spieler verloren hat. Bei zwei Spielern wussten wir seit Januar, dass sie gehen, bei Dante seit Mai. Diese Zeit wurde gut genutzt im Transfergebaren. Jetzt sollten wir alle zum Ligaalltag zurückkehren und den schönen, schweren Neuaufbau ohne Nostalgie optimistisch angehen und allen Neuen und den Spielern des erfolgreichen letzten Jahres Vertrauen entgegenbringen. Wir sollten nicht vergessen, dass wir letztes Jahr als Team hervorragend funktioniert haben — und von dieser Mannschaft sind noch jede Menge da.

Wie lange braucht Luuk de Jong, um in der Bundesliga anzukommen?

Meyer Ich bin kein Hellseher, aber auf jeden Fall länger, als die zwei Spieltage, die manchem ausreichen, um einen jungen Mann wie ihm die Fähigkeiten abzusprechen. Gebt ihm doch ein bisschen Zeit. Lewandowski hat in seiner ersten Saison drei Tore für Dortmund gemacht. Wie viele Tore hatte Reus nach zehn Spielen der letzten Saison? Drei! Wenn de Jong das Ding in Düsseldorf rein macht, bejubeln alle die technische Weltklasseleistung. So ist es doch. De Jong muss sich auf Borussia einstellen, dann wird er auch seine Tore machen.

Wie lange wird es dauern, bis Borussia richtig eingespielt ist?

Meyer Schwer zu sagen. Entscheidend ist doch, in dieser Phase mal über den Kampf zu punkten. Wir haben vier Punkte geholt, das ist gut. Der Sieg gegen Hoffenheim war spielerisch nicht toll, aber die Jungs haben den Schweinehund besiegt und gegen diesen Gegner gewonnen. Nürnberg wird auch schwer. Ich habe den Club gegen Dortmund sehr gut gesehen. Wir werden geduldig sein müssen.

(RP/csi)
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