Borussia Mönchengladbach Die Rückkehr des Spielmachers
Mönchengladbach · Seit Stefan Effenberg hat kein Mittelfeldakteur Borussias Spiel so dominant geprägt wie derzeit Granit Xhaka. In der Bundesliga findet sich aktuell ebenfalls niemand, der in der Zentrale seines Teams eine ähnlich markante Präsenz aufweist.
Nein, der Fußball und die Borussia der 70er Jahre lassen sich nicht vergleichen mit Spielstil und Mannschaft der 90er. Beide sind zudem wieder anders als das, was die aktuelle Fohlenelf zeigt. Und doch gibt es Aspekte, die sich über Jahrzehnte der Vereinshistorie aussagekräftig zueinander in Verbindung setzen lassen. Den Einfluss eines Akteurs auf das Spiel der Borussen, zum Beispiel. Im Mittelfeld, der Schaltzentrale einer Elf, gab es nur wenige, die mit ihrer Dominanz und Präsenz für jeden erkennbar herausstachen und die Art des Borussen-Fußballs wie keiner ihrer jeweiligen Nebenleute prägten. Günter Netzer tat genau das in seinen Gladbacher Jahren, und als Stefan Effenberg 1994 aus Florenz zurückkehrte und Borussia für zwei Jahre ein sportliches Zwischenhoch bescherte, war er ebenfalls der unbestrittene Fokus auf (und neben) dem Platz. Und nun, 2015, schickt sich Granit Xhaka an, eine vergleichbare Rolle auszufüllen. Als Dreh- und Angelpunkt. Als Motor. Als Taktgeber. Als der, der sein agierendes Team besser macht, und ohne den sein Team anders spielt, anders spielen muss.
Etliche Jahre, nachdem der Spielmacher alter Prägung seine Berechtigung im modernen Fußball verlor, kehrt in Xhaka der Spielmacher zurück. In anderer Form, in einflussreicherer Form. Der alte "Zehner" beherrschte den genialen Pass, er war Freistoß-Zirkler, hatte bessere Tricks als Normalsterbliche im Repertoire und schoss - von Defensivaufgaben weitgehend befreit - Tore aus seinem Wirkungsbereich in der offensiven Zentrale. Heute ist der "Sechser" der Maschinenraum seiner Mannschaft. Xhaka ist Sechser. Und Achter. Und Zehner. Er ist in Lucien Favres System derjenige, der sich in der Regel den Ball bei den Innenverteidigern abholt, er verteilt, er lenkt, er treibt voran. Mal im Kurzpassspiel, mal mit Seitenwechseln à la Lothar Matthäus - je nach Bedarf. Er sucht vorne den Abschluss, er ist jedoch genauso als defensiver Abräumer unterwegs. Am Sonntag gegen Hannover kam er auf 141 Ballkontakte. Sein Partner in der Zentrale, Christoph Kramer, machte ebenfalls ein gutes Spiel, aber neben Xhaka fiel das eben in der Wahrnehmung nur nachrangig auf.
Neben den großen Spielmachern wie Netzer oder Effenberg gab es unter den länger Bleibenden in Borussias Historie natürlich auch filigrane Offensive wie Karlheinz Pflipsen, Dampfmacher wie Matthäus und jede Menge fleißige Bienen wie Hacki Wimmer, Christian Hochstätter, Igor Demo, Peer Kluge oder Peter Nielsen. Xhaka vereinigt Qualitäten all dieser Mittelfeldtypen in sich. Das macht ihn so wertvoll, das macht seine jüngste Vertragsverlängerung für Borussia so wertvoll. Dass sein Temperament ihm zuweilen immer noch Gelbe Karten und Platzverweise einbringt, ist ein nicht von der Hand zu weisender Kritikpunkt, andererseits treibt ihn sein Temperament eben auch zu dem, was er momentan leistet.
Wo im DFB-Team Toni Kroos das Maximum an Präsenz verkörpert, gibt es in der Bundesliga wohl niemanden, der in einem der 17 Klubs derart dominant im Mittelfeld agiert wie Xhaka. Bei den Bayern verteilen sich Präsenz und Einfluss naturgemäß auf mehrere Stars wie Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm oder Xabi Alonso, beim BVB hatte Ilkay Gündogan vor seiner Verletzung mal eine ähnliche Präsenz inne, im Moment indes noch nicht wieder. Zu all dem kommt: Xhaka ist erst 22. Kein schlechtes Alter für einen Fixpunkt.