Borussia Mönchengladbach Xhaka: "Habe hier alles, was ich mir gewünscht habe"

Mönchengladbach · Borussias Kapitän Granit Xhaka spricht über seine Rückkehr ins Team am Sonntag in Hamburg, seine Entwicklung, die EM und seine Zukunft.

Granit Xhaka – Schweizer, Ex-Borusse, Führungsspieler
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Das ist Granit Xhaka

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Herr Xhaka, als Sie 2012 aus Basel kamen, waren Sie 19. Was haben Sie seitdem als Mensch dazugelernt?

Granit Xhaka Vieles, natürlich. Ich hatte vorher zweieinhalb schöne Jahre beim FC Basel, in denen ich Erfolg hatte und in denen alles glatt lief. Dann bin ich hierhergekommen und bin erstmal auf die, ich sage es ganz einfach, wie ich es empfunden habe, Fresse gefallen. Dadurch bin ich mental aber stärker geworden. Ich bin aufgestanden und habe das gemacht, was ich auch in Basel gemacht habe: Ich habe Leistung gezeigt. Allgemein bin ich etwas ruhiger geworden, vor allem neben dem Platz. Und ich habe in den vier Jahren, die ich hier in Gladbach bin, viel Positives mitgenommen.

Ein großer Schritt war damals, dass Sie erstmals aus dem Elternhaus ausgezogen sind.

Xhaka Das ist richtig. Am Anfang war es schwer für mich, ohne meine Eltern, meinen Bruder oder meine Freunde zu sein. Ich hatte vorher nie allein gewohnt. Ich konnte nicht kochen, nicht waschen, all das hat ja bis dahin meine Mama für mich gemacht. Ich musste viel lernen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich eigentlich nie richtig allein war. Mein Papa oder meine Mama waren immer da, mindestens einer von beiden. Ich bin froh, dass sie immer da waren. Nun bin ich im März ja seit einem Jahr verlobt - meine Frau hilft mir jetzt. Familie ist mir sehr wichtig, sie gibt mir Kraft, als Fußballer und als Mensch.

Nun ist es wieder ein wichtiges Jahr für Sie: Es wird viel über Ihre Zukunft gesprochen, über einen möglichen Wechsel nach England im Sommer, Sie werden Ihre erste EM für die Schweiz spielen und dabei auf Albanien mit Ihrem Bruder treffen ...

Xhaka Was meine Zukunft angeht: Damit beschäftige ich mich nicht, das ist Sache meines Beraters. Ich konzentriere mich auf den Fußball. Bei der Euro haben wir hohe Ziele. Wir wollen die Gruppenphase überstehen, auch wenn es nicht leicht wird.

Zumal das erste Spiel das gegen Albanien ist - für das Ihr Bruder Taulant spielt.

Xhaka Das habe ich mir so sicher nicht gewünscht. Aber es wird so kommen, wir treffen zum ersten Mal mit den Nationalteams aufeinander. Der Gedanke, im Nati-Trikot gegen meinen Bruder zu spielen, fühlt sich im Moment komisch an. Wie das dann in den 90 Minuten sein wird, weiß ich nicht. Da müssen wir es beide ausblenden, und wir beide sind professionell genug, das hinzukriegen. Der Bessere soll an dem Tag gewinnen.

Wie weit kann es gehen für die Schweiz? Kann sie auch Europameister werden?

Xhaka Warum nicht? Klar, es gibt andere Teams, die Favoriten sind. Dazu gehören wir erstmal nicht. Aber ganz sicher werde ich meinen Koffer nicht nur für zehn Tage packen, sondern für das gesamte Turnier. Mit ein bisschen Glück und guten Leistungen können wir auch den Titel holen.

Ist eine EM wegen der Leistungsdichte der Teams schwieriger als eine WM?

Xhaka Es wird meine erste EM sein, daher kann ich das nicht mit Bestimmtheit sagen. Aber die WM in Brasilien war natürlich das bisherige Highlight meiner Karriere. Es war eine tolle Erfahrung, dort gegen südamerikanische Teams, also Teams aus einer anderen Fußballwelt, zu spielen. Nun bin ich gespannt, wie es bei einer EM ist, wenn sich die besten Mannschaften des Kontinents treffen.

Das Spiel gegen Albanien wird in der Schweiz eine große Aufmerksamkeit haben, denn Sie selbst und einige andere Schweizer Spieler haben Ihre Wurzeln im Kosovo. Und im albanischen Team stehen viele Spieler, die wie Ihr Bruder in der Schweiz geboren wurden. Ist man in der Schweiz, wenn es um dieses Thema geht, in gewisser Weise auch ein politischer Mensch? Sie haben sich zu dem Thema schon öfter geäußert.

Xhaka Das werde ich auch weiterhin tun. Es wird von einigen negativ, von vielen aber auch positiv aufgenommen, was ich dazu sage. Ich werde meine Wurzeln nicht verstecken, nie im Leben. Ich bin geboren und aufgewachsen in der Schweiz und bin der Schweiz sehr dankbar für alles, was sie mir gegeben hat. Aber ich werde immer zu meinen Wurzeln stehen, zu den Wurzeln meiner Eltern, und das ist der Kosovo. Nun werden manche fragen: Warum spielt er dann nicht für Albanien? Ich habe mich nun mal anders entschieden: für die Schweiz. Trotzdem ist es ein komisches Gefühl, dann gegen den eigenen Bruder zu spielen im Nationalteam. Es ist einfach eine besondere Situation, die viele nicht nachvollziehen können. Das hat nichts mit Albanien und der Schweiz zu tun, sondern einfach damit, dass man gegen sein eigenes Blut spielt. Aber wir freuen uns beide darauf.

Für Ihre Eltern wird es ebenfalls eine seltsame Situation sein.

Xhaka Ich habe natürlich schon gefragt, für wen Sie sein werden. Sie haben gesagt: Zum Glück haben wir zwei Hände. Mit der einen drücken wir den Daumen für dich, mit der anderen für Taulant.

Sie mögen heiße Spiele. Auch in der Bundesliga. Da steht nun der Vergleich mit dem Hamburger SV an. Sie kehren nach drei Spielen Sperre zurück. Es ist das erste von 14, die es noch gibt in dieser Saison ...

Xhaka ... und jedes davon ist wichtig, für mich persönlich und für uns alle. Wir haben das Ziel, nächste Saison wieder international zu spielen. Wir sind nicht gut gestartet in die Rückrunde, haben aber gegen Bremen ein super Spiel gezeigt. Das wollen wir nun beim HSV bestätigen. Danach kommt das Derby gegen Köln. Das sind zwei wichtige Spiele, die vielleicht eine Richtung aufzeigen werden.

Seit André Schubert Trainer ist, sind Sie Kapitän. Werden sie mit der Binde am Arm von den Schiedsrichtern anders wahrgenommen?

Xhaka Ich bin Kapitän und probieren dem Team zu helfen, wenn etwas nicht stimmt. Gegen Ingolstadt kriege ich aber die erste Gelbe Karte, als ich zum Schiedsrichter gehe und sage, dass es kein Foul von Mo Dahoud war. Vielleicht muss ich einfach den Mund halten - aber ich sehe es als meine Aufgabe als Kapitän, mich einzusetzen für das Team, mich vor die Mannschaft zu stellen.

Ist Dahoud in der Situation, in der Sie vor vier Jahren waren: Ist er dabei, Entscheidendes dazuzulernen? Und: Können Sie ihm dabei helfen?

Xhaka Ich hoffe, dass ich ihm helfen kann. Es kommt ja immer darauf an, wie der andere etwas wahrnimmt. Ich kann mich an die Zeit in Basel erinnern, als ich ein junger Kerl wie Mo war und mir die älteren Spieler geholfen haben. Jeder Tipp, und auch, wenn man mal angeschrien wird - man sollte es aufnehmen. Mo ist auf jeden Fall auf einem guten Weg. Er ist ehrgeizig genug, das ist wichtig. Alles andere wird kommen.

Kann er Ihre Rolle als Anführer übernehmen, wenn Sie mal nicht mehr da sind? Trauen sie ihm das zu?

Xhaka Bei ihm ist es ja bisher etwas anders gelaufen als bei mir damals. Er kennt das Gefühl noch nicht richtig, dass es Rückschläge gibt. Und gerade das macht einen Spieler stark, wenn er richtig damit umgeht. Aber ich kann mir auf jeden Fall vorstellen, dass Mo Verantwortung übernehmen kann.

Muss er das vielleicht schon im Sommer tun? Es gibt viele Gerüchte - und auch schon eine Entscheidung?

Xhaka Es gibt noch keine Entscheidung - und die wird es auch in naher Zukunft nicht geben. Ich habe einen Vertrag bis 2019 bei Borussia und ich bin enorm glücklich hier. Ich habe alles, was ich mir gewünscht habe. Den Schritt von Basel hierher zu machen, das war der perfekte Schritt. Ich hoffe, ich bleibe gesund und habe mit Borussia Erfolg. Danach kommt die EM. Ich will mich, wie gesagt, auf Fußball konzentrieren, für den Rest ist mein Berater da. Ich habe mir null Gedanken gemacht, wegzugehen aus Gladbach.

Macht es Sie stolz, dass Sie mit vielen Topklubs in Verbindung gebracht wird?

Xhaka Natürlich. Meine Anfangszeit in Gladbach war ja nicht so gut. Inzwischen sehe ich, dass die Fans mich mögen. Und wenn englische Teams oder auch die Bayern Interesse an mir haben sollen, ist das für mich vor allem ein Beleg dafür, dass meine Leistungen in den vergangenen Jahren gestimmt haben.

Jahre, in denen Sie sich zum Vorbild entwickelt haben für Spieler wie Dahoud. Aber Sie sind auch erst 23.

Xhaka (lacht) Ja, das vergessen ja viele. Das ist schon ein komisches Gefühl, wenn man mit 23 Verantwortung übenehmen darf. Das ehrt mich natürlich. Ich bin immer da für das Team, das kann ich sagen. Und ich bin gern für das Team da.

Ist es anders, im Klub Verantwortung zu übernehmen als in der Nati?

Xhaka Es ist anders. Ich bin in der Nati nicht so stark in der Verantwortung wie bei Borussia. Im Nationalteam gibt es andere, erfahrene Spieler, die das übernehmen. Das ist auch angenehm für mich.

Josip Drmic kennen Sie auch aus dem Nationalteam - und aus der Hinrunde bei Borussia. Er spielt nun für den HSV, ist am Sonntag Ihr Gegner. Sie haben ihm ein Torverbot erteilt.

Xhaka Ich sag es mal so: Wenn Josip nächstes Jahr in der Champions League spielen will, muss er ein Eigentor machen.

Das ist mal eine Ansage.

Xhaka Er kommt ja im Sommer zurück nach Gladbach, oder? Aber mal Spaß beiseite: Es ist schon komisch. Vor zwei Wochen haben wir noch zusammen trainiert und jetzt steht er gegenüber. Er ist auch sicher heiß darauf, das Spiel zu gewinnen - auch wenn er weiß, dass es, wenn er in die Zukunft schaut, ein Fehler wäre.

Josip Drmic hat ein verborgenes Talent gezeigt: Er spielt Klavier. Haben Sie auch so ein Talent. Schreiben Sie beispielsweise Gedichte für Ihre Frau?

Xhaka Nein, musisch bin ich nicht so beschlagen. Ich spiele aber gern Tischtennis. Das kann ich sehr gut. Und ich habe noch keinen gefunden, der mich besiegen konnte (lacht).

Sie sind auch ein Freund des rheinischen Brauchtums. Sie haben sich zuletzt als Clown in den Karneval gestürzt. Es heißt ja, dass man an den närrischen Tagen das Kostüm wählt, das ein bisschen dem Selbst entspricht: Der Clown ist eine Figur, die auch die Komik wählt, um Ernsthaftes zu sagen.

Xhaka Solche Gedanken habe ich mir bei der Auswahl des Kostüms ehrlich gesagt nicht gemacht. Es war eher Zufall, meine Freunde hatten das Kostüm noch im Schrank. Aber es klingt schlüssig. Ich bin schon jemand, der es auch auf die humorige Art versucht. Es kommt immer auf den Moment an, wie ich bin. Klar ist aber: Ich bin auf dem Platz ein ganz anderer Mensch als daneben. Auf dem Platz lebe ich von den Emotionen - und damit bin ich bis heute weit gekommen.

Was sagt Borussias Kapitän seiner Mannschaft vor dem Hamburg-Spiel?

Xhaka Für mich es ist ja wieder eine besondere Situation. Ich war drei Wochen weg, es ist mein erstes Spiel nach der Winterpause. Aber ich spüre, dass sich die anderen freuen, dass ich wieder da bin. Und ich spüre, dass das Team nach dem 5:1-Sieg gegen Bremen wieder Selbstvertrauen hat. Das ist wichtig. Wenn wir verloren hätten, wäre es schon eine schwierige Situation gewesen.

KARSTEN KELLERMANN UND STEFAN KLÜTTERMANN FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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