Borussias Spielstil Kramers Plädoyer für den emotionalen Ballbesitzfußball

Analyse | Mönchengladbach · Borussias Mittelfeldspieler Christoph Kramer lobte bei der Europameisterschaft den Ballbesitzfußball der Spanier. Das könnte ein gewisser Hinweis darauf sein, dass es künftig bei Borussia ein bisschen „zurück zu den Wurzeln“ gehen wird.

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Die besten Sprüche von Gladbachs Christoph Kramer

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Foto: Dirk Päffgen/Dirk Paeffgen (dirk)

Christoph Kramers vorzüglichste Qualität als TV-Experte ist, dass er mit seinen Thesen nicht nur in die Tiefe, sondern auch mal steil geht, dass Borussias Mittelfeldmann zuweilen gegen den Strom spricht, Dinge sieht und gut findet, die nicht alles sehen und gut finden. Dass man aus seinen Einlassungen möglicherweise immer auch ein bisschen ableiten kann, was so Sache ist bei Borussia, darf man unterstellen. Schließlich ist Kramer lange genug Gladbacher, um die sportlichen Strömungen im Verein zu erfühlen.

Entsprechend interessant ist sein Plädoyer für den spanischen Ballbesitzfußball, das er nach dem 5:3 der Iberer gegen Kroatien hielt. Der 30-Jährige ist bekennender Fan des Ansatzes (auch wenn er es nun im Viertelfinale gegen die Schweiz mit seinen vielen Teamkollegen aus Gladbach hält), der bei Borussia über Jahre das Leitprinzip war. Lucien Favre, der es etablierte, entwickelte den Gladbach-Stil nach dem Vorbild des spanischen Tiki-Taka im Geiste des FC Barcelona von Pep Guardiola.

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Foto: dpa/Swen Pförtner

Vielen Fußball-Freunden war das Zirkulieren des Balles irgendwann zu langweilig. Es sollte mehr Action her, mehr Aggressivität. Marco Rose wurde geholt, um genau dies ins Gladbacher Spiel einzubringen. Doch wurde der Attacke-Ansatz zu sehr zum einzigen Prinzip, ausgerechnet im Ballbesitz, zuvor ihre Königsdisziplin, fehlte den Borussen plötzlich oft das Know-how, um Gescheites damit anzufangen. Eben dies merkte Kramer auch im Interview mit unserer Redaktion an.

Nun haben die Spanier in der Gruppenphase der EM auch vorgeführt, was die Nachteile des Ballbesitzspiels sind, nämlich, dass es träge, behäbig und ziellos wirkt, wenn nicht im richtigen Moment auf Action umgeschaltet wird. Genau diese Umschalten war der Schlüssel zum Spektakel gegen Kroatien: Spanien spielte emotionalen Ballbesitzfußball. Und den feierte Kramer ab.

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Foto: dapd

„Es war ein schöner Tag für den Fußball. Spanien hat so tollen Fußball gespielt, dafür gehen wir ins Stadion. Mich freut es, dass sie sich durchgesetzt haben. Ich höre immer in der heutigen Zeit, der Ballbesitz ist gestorben, Ballbesitz schießt keine Tore“, sagte Kramer ob des flotten Kombinations- und Positionsspiels der Spanier, das gegen die Slowakei (5:0) und Kroatien zehn Tore in zwei Spielen hervorbrachte.

In gewisser Weise könnte es ein Vorgucker auf das sein, was in Gladbach unter dem neuen Trainer Adi Hütter künftig fußballerisch geboten wird. Ballstafetten, dynamisch, praktisch und gut. Es ist der Mix, den Marco Rose zuletzt nicht mehr hinkriegte, nun ist er Hütters Auftrag.

 Christoph Kramer als EM-Experte.

Christoph Kramer als EM-Experte.

Foto: ZDF/ZDF/Torsten Silz

Kramers Ideal ist, was Spanien gegen Kroatien bot: Ästhetik, Action, Drama, mehr geht nicht. Kramer hat Recht mit seinem Plädoyer für den Ballbesitzfußball. „Genauso wie die Spanier spielen, müssen wir spielen“, sagte er als Analytiker und Fan. Dass er das mit den anderen Borussen auch gern auf den Platz bringen würde, darf man voraussetzen. Das wäre auf gewisse Weise ein „zurück zu den Wurzeln“ für Borussia. Es würde ihrem Spiel guttun.

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