Borussias Ballbesitzspiel Querbesetzen nach dem Haaland-Prinzip

Mönchengladbach · Pep Guardiola hat sein Ballbesitzspiel angepasst und setzt auf Spieler, die eigentlich gar nicht dazu passen – wie Erling Haaland, der aus der RB-Schule kommt. Das kann für Borussias Trainer Daniel Farke auch ein Weg sein, um das Spiel der Gladbacher überraschender zu machen.

Pep Guardiola mit Erling Haaland.

Pep Guardiola mit Erling Haaland.

Foto: dpa/Nick Potts

Winfried Schäfer ist kein Freund des Pep-Guardiola-Fußballs. Gern schickt er Statistiken, die belegen, dass Ballbesitzteams mal wieder zu uneffektiv waren. Wie zuletzt Spanien im WM-Achtelfinale gegen Marokko oder die Niederlande. „Sie spielen immer noch sein System, haben 75 Prozent Ballbesitz und verlieren, Oranje kam erst ins Spiel, als es Kick and Rush spielte mit zwei echten Mittelstürmern“, sagt Schäfer. Ihm fehlt im Ballbesitz-Stil zu oft der Zug in den Strafraum, so wird das Ballbesitzspiel dann zum Selbstzweck. Schäfer, der Ex-Profi und Trainer-Globetrotter, hat auch ein Problem mit der „falschen 9“, dem Stürmer, der aus der Tiefe kommt. Er verkörpert das Spiel um den heißen Brei.

„Alle haben Pep das nachgemacht, vor allem viele deutsche Trainer. Aber er hatte Messi, Iniesta und Xavi, die dafür ausgebildet waren von kleinauf in La Masia, sie haben es perfekt gespielt. Und jetzt sitzt er im Restaurant, genießt einen guten Rotwein und lächelt über die, die ihm nacheifern und keine Tore hinkriegen, sondern drum herumspielen. Er selbst hat bei den Bayern Robert Lewandowski geholt und jetzt bei Manchester City Erling Haaland“, sagt Schäfer.

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Foto: dpa/Jan-Philipp Strobel

Haaland stammt aus der RB-Schule, die eigentlich eine Antipode zum Pep-Guardiola-Stil ist. Dennoch hat Guardiola den wilden Norweger geholt von Borussia Dortmund und damit das Portfolio von Manchester City erweitert. Im Grunde ist auch Kevin de Bruyne, der belgische Powerspieler, keiner der Art Xavis oder Iniestas, die einst in Barcelona Guardiolas Taktgeber waren. Oder wie später bei den Bayern Thiago. Guardiolas Kniff: Er setzt für sein Spiel untypische Spieler ein, die seine Teams dann noch unberechenbarer machen.

Oder, wie jetzt durch Haaland, einen neuen Spirit bekommen. Der Norweger ist keiner aus der Edelkicker-Schule, die man als erstes mit Ballbesitzfußball in Verbindung bringt, doch mit seiner unaufhaltsamen fußballerischen und mentalen Wucht kann er das gesamte Team mitreißen, eben so einer fehlte im Champions-League-Halbfinale der Vorsaison den Citizens, als sie Real Madrid unterlagen. Daraufhin tauschte Guardiola den feineren Gabriel Jesus durch Haaland.

Borussias Trainer Daniel Farke tauscht sich regelmäßig mit Guardiola aus. Von daher ist anzunehmen, dass er genau hinschaut, was bei City passiert. Spieler quasi gegen den Strom aufzustellen, ihnen untypische Jobs zu geben, das macht auch Farke gern: Marcus Thuram wird in dieser Saison konsequent zum Mittelstürmer umgeschult, zuvor pendelte der Franzose zwischen linkem Flügel und, seltener, Sturmzentrum. Die Folge: Thuram hat bereits zehn Liga-Tore erzielt, er ist ein Kandidat für die Torjäger-Krone in der Bundesliga und gehört zur Frankreichs WM-Team, das es schon bis ins Halbfinale geschafft hat.

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Foto: dpa/Marius Becker

Der zweite Umschüler: Christoph Kramer. Der Sechser war erst aushilfsweise Innenverteidiger und dann, als Florian Neuhaus ausfiel, rückte er auf die Zehner-Position. Farke wollte Kramers Laufstärke weit vorne nutzen, um Vorteile in der Disziplin Anlaufen und Pressing zu haben. Farke fand seine Idee so gut, dass er sie bis zur Winterpause durchzog.

In der Rückrunde könnte einer ein Projekt werden, der bislang kaum eine Rolle spielte: Hannes Wolf. Als er dran gewesen wäre nach dem Neuhaus-Ausfall, verletzte er sich selbst, möglicherweise hätte er sonst mit Kramer konkurriert. Wolf ist indes ein Spielertyp, den Borussia so nicht hat, einer aus der RB-Schule mit typischen Anlagen. Bei der WM zeigt sich, dass Teampressing nicht mehr das wesentliche Prinzip ist, sondern der Gegner eher situativ attackiert wird. Das kann Wolf gut, er ist ein Spieler, der nervt. Gerade wenn Farke auch mal das System wechseln will auf ein 4-3-3, um die Flügel zu stärken (was auch ein WM-Trend ist) kann Wolf, der Flügelmann wie Achter oder Zehner sein kann, eine Option sein mit seiner Art zu spielen.

Mit Spielern wie Ko Itakura oder Julian Weigl hat Borussia im vergangenen Sommer Spieler geholt, die insbesondere zu ihrem Ansatz passen. Der wird auch in den nächsten Transferperioden der rote Faden sein. Doch kann es auch mal ein Spieler sein, der ganz andere Fähigkeiten hat und damit die eine oder andere Position ganz anders interpretiert. Querbesetzen nach Guardiolas Haaland-Prinzip um das eigene Spiel überraschender zu machen, kann gerade in den Spielen helfen, die Borussia nicht liegen, in denen der reine Ballbesitz-Stil an seine Grenzen stößt. Farke hat wie Guardiola Möglichkeiten dazu. „Es muss aber Effekte haben und keine Effekthascherei sein“, sagt Schäfer.

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