Friedrich ohne Einsatzchance Gladbach-Trainer Farke sieht keinen Handlungsbedarf bei Elvedi

Mainz · Borussias Trainer Daniel Farke stärkt Nico Elvedi weiter den Rücken. Beim 0:4-Debakel in Mainz war der Schweizer vor allem am ersten Gegentor beteiligt. Warum Elvedi dennoch den Vorzug vor Marvin Friedrich erhält und die Situation der Innenverteidigung sinnbildlich ist in Gladbach.

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Fußballtrainer heben ungern einzelne Spieler hervor, im positiven wie im negativen Kontext. Gladbachs Daniel Farke wollte dennoch nicht auf eine detaillierte Schilderung des Gegentors zum 0:1 beim 0:4 gegen den FSV Mainz verzichten, weil es so prägnant für Borussias Defizite stand. Also taufte er Nico Elvedi kurzerhand in „mein Innenverteidiger“ um: „Mein Innenverteidiger wird außen angespielt und unterschätzt die Situation total, verliert den Ball“, sagte Farke. „Folgerichtig ist er bei der Flankenverteidigung nicht in der Mitte, wo er eigentlich zu sein hat, weil er den Ball gerade verloren hat.“

Wie war Elvedi überhaupt auf Ramy Bensebainis Position gelandet? Der Schweizer dribbelte auf links an, blieb hängen. Sein Kollege sicherte schulbuchmäßig ab, doch war der Druck nicht sonderlich hoch, sodass der Tausch mit klarer Kommunikation nicht notwendig gewesen wäre. Im nächsten Moment suchte Torwart Jonas Omlin dann Elvedi, der sozusagen zu Bensebaini geworden war – und das Unheil nahm seinen Lauf. „Elvedi musst Du als Mitspieler vor jedem Pass schriftlich anfragen, ob er bereit ist“, schrieb der Twitter-Nutzer „@inselfohlen“. Bei den Fans hat Elvedi kaum noch Kredit.

„Aus dem Nichts geben wir das 0:1 weg“, sagte Farke. Und sein Mainzer Gegenüber Bo Svensson war dankbar für das Geschenk. „In der ersten Halbzeit hat man nicht gesehen, dass es ein 4:0-Spiel wird“, sagte er. „Mit der einzigen Torchance gehen wir in Führung.“ Mit dem Fehler war nicht nur Borussias anfängliche Souveränität dahin, Elvedi (RP-Note: 6) wurde mal wieder zum Gesicht eines Strudels, in den die Mannschaft häufig kollektiv gerät.

Als er bei einer weiteren Flanke Danny da Costas wieder auf dem Posten war, schien Elvedi den Ball mit dem Oberschenkel in der Luft stoppen zu wollen. Er sprang an seine Hand und von dort vor die Füße Ludovic Ajorques. Der Franzose scheiterte da noch, holte sein erstes Bundesliga-Tor aber nach, indem er später das 3:0 erzielte. Elvedi war da der letzte Borusse, der ihn hätte stören können. Beim vierten Gegentor übersah er Nelson Weiper in seinem Rücken, auch der 17-Jährige traf erstmals in der Bundesliga.

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Hinter Farkes Worten anonymisierter Fehler-Beschreibung steckte wohl mehr Kommunikations-Kodex als expliziter Elvedi-Schutz. Denn der Trainer sieht keinerlei Bedarf, dem Schweizer eine Pause zu geben, dessen Schultern und Knie wie in der Anfangsphase seiner Gladbach-Zeit bei Patzern schnell zu Pudding zu werden scheinen. „Nico Elvedi ist für uns ein absoluter Führungsspieler. Wenn er in seinem Top-Flow ist, ist er einer der besten Innenverteidiger in Europa. Das hat er über Jahre nachgewiesen“, sagte Farke. „Ehrlich und selbstkritisch muss man sagen, dass er jetzt das eine oder andere Spiel nicht auf seinem Top-Niveau war. Es gibt kein Verstecken dahinter, sondern das ist klar und deutlich zu benennen.“

Wann immer Elvedi fit war in dieser Saison, begann er, in 20 von 22 Ligaspielen. Gleiches gilt für Ko Itakura, an dessen Seite Elvedi oft stabiler wirkte. Doch auch der Japaner verteidigt derzeit nicht mehr wie in der Anfangsphase der Saison, als er das eine oder andere Highlight-Video mit seinen Blocks und Grätschen produzierte. Harmonisch wirkt wenig in der Defensive, die nun 39 Gegentore kassiert hat, 34 davon in den vergangenen 15 Spielen. „Wenn du als Innenverteidiger einen Fehler machst und der bestraft wird, geht es darum, es weiter gut zu verteidigen. Ich wollte ihn mit seiner Geschwindigkeit weiter im Spiel haben, weil klar war, dass wir drängen und hoch stehen müssen. Das kann Nico sehr gut umsetzen“, erklärte Farke sein Festhalten an Elvedi, der mit 33,17 km/h diese Saison allerdings weit hinter seinem Karriere-Topspeed zurückbleibt.

Dass Marvin Friedrich gegen den SC Freiburg plötzlich in die Startelf rückt, ist schwer vorstellbar. Eine Minute beim 0:1 gegen den FC Augsburg durfte er in diesem Jahr ran, als Aushilfs-Mittelstürmer, um noch den Ausgleich zu erzwingen. Seit 13 Monaten ist Friedrich in Gladbach, öffentlich würde er es wohl nie zugeben, aber es wäre dem 27-Jährigen nicht zu verdenken, wenn er seinen Weggang von Union Berlin mittlerweile bereuen würde. Da Tony Jantschke verletzt und Jordan Beyer verliehen ist, ist Friedrich der letzte verbliebene Innenverteidiger auf der Bank – und offenbar chancenlos.

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Beyers Verbleib in England bahnt sich an, wie es mit Jantschke weitergeht, ist unklar. Friedrich kann nicht zufrieden sein mit seiner Situation und bei Elvedi steht im Sommer eine Grundsatzentscheidung bevor – verlängern oder verkauft werden ein Jahr vor Vertragsende. Die Situation in der Innenverteidigung steht fast sinnbildlich dafür, wie offen ist, wohin der Umbruch die Mannschaft führt.

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