Zittern am Tablet in Madrid „Kleines Wunder“ - Achtelfinale sorgt bei Borussia für Ekstase

Madrid · Borussia feiert mit dem Einzug ins Achtelfinale der Champions League den größten internationalen Erfolg seit Jahrzehnten. Die Bilder des Bibberns werden in Erinnerung bleiben. Am Ende jubelten die Gladbacher am Tablet, weil Inter und Donezk die Punkte teilten.

Borussia Mönchengladbach - Einzelkritik: Die Noten gegen Real Madrid
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Real Madrid - Borussia: die Fohlen in der Einzelkritik

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Foto: AP/Bernat Armangue

In den alles entscheidenden Minuten war kein Unterschied zu erkennen zwischen Spielern und Fans: Die einen standen in Madrid im Kreis, in der Mitte ein Tablet auf einem Stativ mit dem Livestream des Parallelspiels in Mailand. Die anderen saßen oder standen in ihren Wohnzimmern, vielleicht lagen sie auch schon, und fieberten mit. „Will der mich verarschen?“, war aus der Traube in Madrid zu vernehmen, dazu der Satz, den jeder Fan in der Kurve eines Fußballstadions schon mal gehört hat: „Pfeif‘ ab!“

Die Borussen zitterten mit niemandem, sie zitterten gegen Inter Mailand und gegen Schachtjor Donezk, zwischen denen auch nach 90 Minuten im zweiten Duell noch kein Tor gefallen war. Dabei musste es aus Gladbacher Sicht unbedingt bleiben. Eine unglaubliche Szene hatten die Livestream-Fohlen in der 89. Minute verpasst, weil sie da noch selbst auf dem Rasen standen, bei ihrem 0:2 gegen Real Madrid: Inters Alexis Sanchéz köpfte völlig freistehend und Romelu Lukaku, mit vier Toren in den zwei Duellen der große Borussia-Schreck, stand im Weg, verhinderte so das sichere 1:0.

In der Nachspielzeit parierte Anatolyi Trubin einen Schuss von Christian Eriksen überragend, im ersten Spiel gegen Gladbach hatte der 19-Jährige sechs Tore kassiert, nun wurde Schachtjors Keeper zum indirekten Borussia-Helden. Trubin musste noch behandelt werden, aus vier Minuten wurden acht. Zum Glück hatten die Borussen in Madrid WLAN, andernfalls hätten sie bangen muss, ob ihr Datenvolumen reicht.

Hier sehen Sie den Gladbacher Jubel im Video:

Um 22.56 Uhr nahm Schiedsrichter Slavko Vincic im 1200 Kilometer entfernten Mailand final die Pfeife in den Mund – und man muss wirklich überlegen, wann man Gladbach-Spieler zuletzt so ekstatisch jubeln sah. Es reichte an den ersten Einzug in die Champions League vor fünf und an die Relegation vor neun Jahren heran. „Das sind Wahnsinns-Emotionen, wenn man nicht viel mehr hat als die Hoffnung, dass es im anderen Spiel beim 0:0 bleibt“, sagte Christoph Kramer. „Es war eine unfassbar lange Nachspielzeit. Dann bricht es einfach aus einem heraus.“

Bei Inter war sogar Torwart Samir Handanovic mit nach vorne gekommen und hatte sich zwischenzeitlich gar nicht mehr nach hinten orientiert. Seine Absicherung hätte im Mittelkreis nur den Ball verlieren müssen und Donezk wäre aufs leere Tor zugelaufen. Doch die Ukrainer mauerten, statt auf den Sieg zu gehen, sie hatten mit dem 0:0 wenigstens Platz drei sicher. Was für eine Gruppe: Borussia schlägt zweimal Donezk mit insgesamt zehn Toren Unterschied, Donezk schlägt zweimal Real, Real schlägt zweimal Inter und Inter spielt zweimal 0:0 gegen Donezk.

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Foto: AP/Martin Meissner

„Wahnsinn, Wahnsinn! Wir machen unser schlechtestes Spiel in der Vorrunde und kommen trotzdem weiter. Aber das haben wir uns verdient mit den letzten Auftritten“, sagte Kapitän Lars Stindl. „Wir haben den Namen Borussia Mönchengladbach ganz teuer verkauft, mit Leistungen und Ergebnissen. Deswegen können wir stolz darauf sein, was wir erreicht haben“, pflichtete ihm Kramer bei. Als einziges Team in Gruppe B hat Borussia gegen jeden Gegner gepunktet, als einziges Team aus Lostopf vier steht sie im Achtelfinale, sie hat nach dem FC Bayern, gleichauf mit dem FC Barcelona die zweitmeisten Tore erzielt.

„Ich bin sehr stolz auf die Mannschaft und bin sehr froh für die Fans und den Verein, dass wir so etwas schaffen konnten als Borussia Mönchengladbach“, sagte Rose, der mit der Leistung seiner Mannschaft an diesem Abend alles andere als zufrieden war. „Wenn man gegen Real Madrid mit dem Ball und gegen den Ball nicht mit der Überzeugung arbeitet, die es braucht, dann wird es schwierig“, sagte der 44-Jährige. Er hofft auf Lerneffekte und Weiterentwicklung bis zum Achtelfinale, das am Montag ausgelost und am 16./17. Februar sowie am 16./17. März ausgetragen wird. Die fünf möglichen Gegner sind der FC Liverpool, Manchester City, der FC Chelsea, Juventus Turin und Paris Saint-Germain.

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Foto: imago sportfotodienst

In Madrid kosteten die Borussen allerdings erst einmal den Moment aus, eine selten triumphale Niederlage, den größten internationalen Erfolg des Vereins seit Jahrzehnten. Das Viertelfinale im Pokalsieger-Cup 1996 war leichter zu erreichen, man landet mindestens beim Uefa-Cup-Halbfinale 1987 als Vergleichsgröße. Dass gegen Real fast nichts funktioniert hatte? Ein Inhalt für eine Sitzung in der Heimat, nicht für die Party in der Kabine. „Wir müssen das ein bisschen analysieren und schauen, was wir besser machen können“, sagte Stindl. „Momentan ist das egal. Wir sind alle froh, dass wir dieses kleine Wunder geschafft haben.“

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