Gladbachs Israel-Beziehung Borussen als Diplomaten und Botschafter

Mönchengladbach · Im Zuge der Ausstellung „Verantwortung in Fußballschuhen“ im Borussia-Museum berichteten die Ex-Gladbacher Herbert Laumen und Tim Heubach von ihren persönlichen Israel-Erfahrungen. Die ehemaligen Borussen haben ein Alleinstellungsmerkmal gemeinsam.

Die ehemaligen Borussen Tim Heubach (l.) und Herbert Laumen sprechen im Zuge der Ausstellung „Verantwortung in Fußballschuhen“ mit Torsten Knippertz über ihre Israel-Erfahrungen.

Die ehemaligen Borussen Tim Heubach (l.) und Herbert Laumen sprechen im Zuge der Ausstellung „Verantwortung in Fußballschuhen“ mit Torsten Knippertz über ihre Israel-Erfahrungen.

Foto: Ja/Karsten Kellermann

Herbert Laumen und Tim Heubach, der eine 1943 in Mönchengladbach geboren, der andere 1988 in Neuss, sind nicht nur beide Ex-Borussen, sondern haben auch ein Alleinstellungsmerkmal gemeinsam: Beide nehmen eine Sonderstellung ein in der Geschichte der sportlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. Laumen gehörte 1970 zu jenem Borussen-Team, das als erste deutsche Sportmannschaft nach Israel reiste. Heubach war 2017 der erste deutsche Profi, der in der israelischen Liga spielte.

Beide trafen sich nun erstmals beim Talk „Zwei Fohlen in Israel“ im Rahmen der Ausstellung „Verantwortung in Fußballschuhen“ im Vereinsmuseum Borussias und sprachen mit Moderator Torsten Knippertz über ihre Israel-Erfahrungen. Für Laumen waren es intensive drei Tage rund um das erste Spiel am 25. Februar 1970. Beim 6:0 der Borussen gegen den WM-Teilnehmer Israel wurden die Fußballkünste von Günter Netzer und Co. frenetisch gefeiert von den israelischen Fans. „Es war vielleicht eines unserer besten Spiele. Dass die Israelis uns als Deutsche so feiern würden, das hatten wir nicht erwartet. Es war Gänsehaut pur“, erinnert sich Laumen über 50 Jahre später.

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Er gab zu, dass die Gladbacher wegen der damaligen Bedrohungslage in Israel eigentlich nicht fliegen wollten. Dann aber schaltete sich Bundeskanzler Willy Brandt ein und machte klar, wie wichtig die Reise für die deutsch-israelische Beziehung sei. Die Gladbacher wurden zu Diplomaten in Fußballschuhen.

Und sie leisteten wertvolle Arbeit 30 Jahre nach dem Holocaust. „Dass wir als Borussen diesen Beitrag geleistet haben, dass sich das Verhältnis von Deutschland zu Israel gebessert hat, darauf waren wir als Mannschaft schon stolz, und ich bin es auch bis heute“, sagte Laumen. Bis heute halten die guten Beziehungen zwischen Borussia und Israel an, die ihren Ursprung in der Freundschaft von Gladbachs Meistertrainer Hennes Weisweiler und Israel-Coach Eddy Schaffer haben. Im Oktober 2022 kam Moshe Schaffer, der Sohn des israelischen Trainers, nach Gladbach und schaute sich die Borussia-Ausstellung zum Spiel in Israel an. 2014 bekam der Klub den Preis der Israel-Stifung, 2008 war Borussia zuletzt in Israel, unter anderem gab es ein Freundschaftsspiel gegen Maccabi Netanya, das vom Ex-Gladbacher Lothar Matthäus trainiert wurde. Matthäus war der erste deutsche Trainer in Israel.

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Borussia Mönchengladbach ist somit ein roter Faden der gemeinsamen Sportgeschichte Deutschlands und Israels, zumal 1972 Schmuel Rosenthal als erster Israeli, der einen Profivertrag in Europa erhielt, für Gladbach spielte. 2017 heuerte Heubach dann beim Ex-Klub von Matthäus an. „Ich wurde oft auf das erste Spiel der Borussen in Israel angesprochen. Borussia hat nach wie vor eine große Wertschätzung dort und hat mit ihren Reisen nach Israel dazu beigetragen, dass wir Deutschen dort gut angesehen sind“, sagte der 34-Jährige, der mittlerweile für den Bezirksligisten VfL Jüchen-Garzweiler spielt.

Er berichtete vom Leben in Tel Aviv, von der Freundlichkeit der Menschen dort, von der Verwunderung seiner Kollegen, dass „ich als Deutscher nicht sechs Liter Bier am Tag trinke“, von Einladungen zu jüdischen Hochfesten, bei denen er „natürlich auch eine Kippa trug, weil es wichtig ist, sich auf die Kultur eines Landes einzulassen, wenn man dort lebt“.

Aber Tim Heubach sprach auch vom mulmigen Gefühl im Luftschutzkeller bei Raketenangriffen auf Tel Aviv und bei einem Treffen mit einem Holocaust-Überlebenden. „Aber er war Netanya-Fan und auch ein Fan von mir. Er hat mich gleich umarmt, hatte keinerlei Vorurteile. Es werde das Treffen nie vergessen“, sagte Heubach.

„Ich habe mich in Israel auch ein wenig als Botschafter Deutschlands empfunden. Ich habe in meiner Zeit in Netanya versucht, allen meinen Freunden und Bekannten das Land und die Menschen in Israel näherzubringen. Ich bin auch heute noch viel in Deutschland unterwegs bei Events und Podiumsdiskussionen, und versuche auf das Thema Antisemitismus aufmerksam zu machen“, sagte Heubach, der nach der Zeit in Israel auch noch in Malaysia spielte. „Man hat als Fußballer eine gewisse Verantwortung, sich zu gesellschaftlichen Themen vernünftig zu positionieren. Heute vielleicht sogar noch mehr als früher, weil man durch Soziale Medien eine größere Reichweite hat.“

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