Talkrunde mit Kramer und Chiquinho „Es muss der nächste Schritt sein, dass sich jemand outet“

Mönchengladbach · Mittelfeldmann Christoph Kramer und Ex-Borusse Chiquinho haben sich beim Talk im Borussia-Museum über Vielfalt in der Fußballer-Kabine unterhalten. Beide haben klare Standpunkte gezeigt, dabei ging es auch um ein mögliches Outing homosexueller Profi-Fußballer.

Christoph Kramer: Die besten Zitate und Sprüche des Gladbach-Profis
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Die besten Sprüche von Gladbachs Christoph Kramer

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Foto: Dirk Päffgen/Dirk Paeffgen (dirk)

Christoph Kramer ist nicht nur ein guter Fußballspieler mit möglichen WM-Ambitionen, er hat auch das Talent, Aphorismen zu prägen. Das hat er schon oft getan, und nun erneut, dieses Mal als Teilnehmer der Borussia-eigenen Talkrunde zum Thema „Vielfalt in der Kabine“. „Wenn die Gesellschaft eine Fußballer-Kabine wäre, hätten wir die Probleme wie Rassismus und Ausgrenzung nicht“, sagte Kramer am Donnerstagabend im Borussia-Museum. Es gab Applaus von den 30 anwesenden Fans und Chiquinho, dem Ex-Borussen, der neben Kramer und Moderator Torsten Knippertz Talkrunden-Teilnehmer war.

Chiquinho war 1997 Borussias erster Brasilianer und wurde, das gab er zu, in fremden Stadien wegen seiner Hautfarbe häufiger angegangen. „Meist waren es nur 50 Idioten, aber man hat es trotzdem mitbekommen. Ich habe aber versucht, diese Leute zu ignorieren und mich aufs Fußballspielen zu konzentrieren“, sagte Chiquinho, der heute für Borussias Traditionsteam, die Weisweiler-Elf spielt, und mit einem anderen Ex-Borussen, Raffael, eine Fußball-Akademie gegründet hat. „Da vermitteln wird den Kindern auch die Werte, die in einer Teamkabine immer gelebt werden“, sagte Chiquinho.

„In der Kabine“, berichtete Kramer, „wird Vielfalt stark gelebt. Ich habe, seit ich vier Jahre alt bin, in diversen Mannschaften Fußball gespielt, die sich immer aus vielen verschiedenen Nationen zusammengesetzt haben. Weder für mich noch für meine Mitspieler hat es jemals eine Rolle gespielt, welche Herkunft, Hautfarbe oder Religion jemand hat.“

 Talkrunde mit Christoph Kramer, Chiquinho und Torsten Knippertz.

Talkrunde mit Christoph Kramer, Chiquinho und Torsten Knippertz.

Foto: Ja/Karsten Kellermann

Auch als Chiquinho noch spielte, war das so. Doch hat sich die Zeit seither verändert, „heute wird deutlich seltener weggeschaut, wenn etwas vorfällt“, sagte er. Auch die Ausstellung „Verantwortung in Fußballschuhen“, die derzeit im Borussia-Museum „Fohlenwelt“ zu sehen ist, trage dazu bei, das Thema an die Menschen heranzutragen.

Kramer sprach sich auch dafür aus, dass sich Profifußballer schon während ihrer aktiven Karriere zu ihrer Homosexualität bekennen sollten, beziehungsweise es ohne Bedenken tun könnten. „Es muss der nächste Schritt sein, dass sich jemand outet. Ich kann verstehen, dass es für die aktiven Fußballer nicht leicht ist, weil gerade in den Fankurven der Ton rauer ist“, sagte Kramer. „Aber eigentlich darf es in der heutigen Zeit nicht mehr sein, dass man aus seiner Homosexualität ein Geheimnis machen muss. Ich bin mir auch sicher, dass das Feedback zu großen Teilen sehr positiv wäre.“ Chiquinho stimmte zu: „Ganz egal, woher jemand kommt, ob er homosexuell oder dunkelhäutig ist – die Menschen sollen einfach jeden so akzeptieren wie er ist.“

Zuletzt hatten die früheren Spanien-Stars Iker Casillas und Carles Puyol mit einem vermeintlichen Outing für einen Shitstorm in den sozialen Netzwerken gesorgt und sich später dafür entschuldigt. Kramers These dazu ist, dass beide es mit dem Ziel taten, zu zeigen, dass die Reaktionen positiv sind, wenn man offen ist, die Sache aber zu schnell aufgelöst hätten. „Sie wollten etwas Gutes bewirken, haben es aber nicht zu Ende gebracht“, sagte Kramer.

Was die viel kritisierte WM in Katar im Winter angeht, wiesen Kramer und Chiquinho darauf hin, dass ein Sportler nicht drumherum komme, dort zu spielen, wenn er die Chance dazu erhält. Kramer gehört wohl zum von Bundestrainer Hansi Flick nominierten vorläufigen Kader für das Turnier. „Trotzdem müssen natürlich krasse Zeichen gesetzt werden“, befand er. Gerade auch, weil Fußballer nach wie vor eine große Vorbildfunktion haben, „haben wir bei dem Thema Vielfalt auch eine krasse Verantwortung“.

Verantwortung zu übernehmen heißt zugleich auch, Haltung zu zeigen. Genau das sieht Kramer als einen wichtigen Faktor, den Problemen Herr zu werden. „Jeder, der im Alltag so etwas mitbekommt, sollte eine klare Haltung zeigen. Wenn wir es schaffen, der jungen Generation die richtigen Werte zu vermitteln, werden wir – was diese Themen angeht – zukünftig in einer besseren Welt leben.“

Weitere Veranstaltungen in der Reihe „Verantwortung in Fußballschuhen“ sind bereits terminiert.
Donnerstag, 24. November, 18 Uhr: Zwei Fohlen in Israel (mit Herbert Laumen und Tim Heubach)
Donnerstag, 8. Dezember, 18 Uhr: Sexismus im Fußball (mit Madita Giehl, Jessica Hackenberger, Thomas Ludwig und Jennifer Frankeser)
Donnerstag, 12. Januar 2023, 18 Uhr: Deutsch-israelische Fußballfreundschaft (mit Prof. Manfred Lämmer, Robby Hunke und Leah Floh)

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