Borussia Mönchengladbach Fünf Gründe für die nächste Europa-Tour

Mönchengladbach · Die Ausgangslage ist gut. Das Team kann Rückschläge verkraften, hat sich international bewiesen, hat sehnsüchtige Fans und Potenzial. Hier sind fünf Gründe, warum Borussia es wieder in den Europapokal schaffen kann.

Heimeroth feiert in Istanbul auf dem Zaun
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1. Die Ausgangslage

Borussias Ausgangslage ist gut. Die Gladbacher sind nach 18 Spieltagen Achter mit 26 Punkten. Das lässt alle Möglichkeiten offen. Denn vor dem Team von Trainer Lucien Favre liegen, mal abgesehen vom enteilten Führungstrio mit Bayern, Meister Dortmund und Leverkusen, mindestens drei Teams, die Borussia durchaus noch überholen kann: Mainz und Freiburg haben jeweils 27 Punkte, die Breisgauer logieren derzeit auf Platz sechs, dem ersten Europapokal-Rang.

Faktisch fehlt Borussia momentan nur ein Punkt für Europa — das scheint machbar. Sogar Platz vier, der für eine erneute Teilnahme an der Qualifikation zur Champions League berechtigen würde, ist nur vier Zähler entfernt. Aufsteiger Eintracht Frankfurt steht aktuell auf diesem Rang.

Zieht man die Etat-Tabelle der Bundesliga zurate, die gewöhnlich aussagekräftig ist für die spätere Sortierung im Real-Klassement, sind die Chancen, am Ende vor Mainz, Freiburg und Frankfurt zu stehen, durchaus realistisch. Alle drei haben einen geringeren Etat. Borussia werde am Ende zwischen Platz fünf und sieben landen, sagt Berti Vogts, der große Ex-Borusse. Er sagt, Borussias Kader gebe das her. Zurecht.

2. Nehmer-Qualitäten

Die Borussen haben gelernt, mit Rückschlägen umzugehen. Das hat die Hinrunde gezeigt. Besonders imposant war das 3:2 in Hannover, bei einem der direkten Konkurrenten im Kampf um die europäischen Plätze, einem Team auf Augenhöhe. Scheinbar aussichtslos lagen die Gladbacher zurück, 0:2. Doch sie fuchsten sich zurück ins Spiel, kamen heran, glichen aus und siegten schließlich, weil Juan Arango mal wieder einen unmöglichen Schuss möglich machte.

Auch in Marseille, auf der europäischen Bühne also, zeigten die Borussen, dass sie Nehmer- Qualitäten haben. Die Führung kam abhanden, Marseille lag vorne, doch Juan Arango glich in letzter Sekunde aus. Das war die Basis für den Einzug in die nächste Runde. Mit der hatte kaum noch jemand gerechnet nach dem 2:4 gegen Istanbul im zweiten Europa-League-Spiel.

Die Borussen können zurückkommen, das ist eine wichtige Eigenschaft, die helfen kann, wenn es eng wird im Kampf um den Einzug in den Europapokal. Denn wer nach Negativerlebnissen wieder aufstehen kann, der hat auch gute Nerven. Borussia ist zwar jung, in gewisser Weise ausgebufft. Hinzu kommt Lucien Favres Dogma des "Von-Spiel-zu-Spiel-Denkens". Das ist verordnetes Vergessen und verbotene Träumerei — und hilft, unschöne Erlebnisse nicht zum Trauma werden zu lassen, sondern sie schnell abzuhaken.

Zudem: Wer fokussiert ist auf die naheliegende Zukunft, kann auch das Ziel nicht aus den Augen verlieren — oder verliert sich im großen Ganzen. Bislang hat die Rechnung am Ende immer gestimmt in der Ära Favre: Die Relegationsrettung, dann Platz vier — und nun kann es wieder Europa sein. Platz sechs ist wenigstens das Ziel.

3. Erinnerungen

Lucien Favre hat ein üppiges DVD-Archiv. Er sollte es nutzen für die nötige Motivation für das Unternehmen "Wir bleiben in Europa". Er sollte jene Scheiben heraussuchen, auf die herrliche Erinnerungen gebrannt sind: die Bilder von den magischen Europapokal-Nächten des vergangenen halben Jahres. Vom 2:1 in Kiew zum Beispiel, als sich die Gladbacher von fast 70.000 Ukrainern nicht beirren ließen und 2:1 siegten. Es war ein Pyrrhussieg, weil die Meisterliga verpasst wurde, ja, aber es war eine große Leistung in Kiew. Und auch die wundervollen Bilder vor dem ersten Spiel gegen Kiew können pure Motivation sein: die Bilder von der beeindruckenden Choreographie, mit der sich Borussia zurückmeldete auf der europäischen Bühne.

Die Marseille-Spiele eignen sich für eine Motivations-Doppelfolge. Erst der durchdachte 2:0-Sieg daheim, bei dem die Borussen dem gut besetzten Team aus Südfrankreich keine Gelegenheit zur Entfaltung gönnten. Dann das Rückspiel mit dem 2:2-Fotofinish in einem fremden Stadion, das nur den Borussen gehörte. Die Borussia, die im ersten Kiew-Spiel noch kindlich gewirkt hatte, war hier sehr erwachsen.

Dass man sich in Europa auch durchwurschteln kann, zeigten die Borussen gegen Limassol — es war ein wenig erbauliches Spiel, bei dem sich nur das Happy End als herrliche Erinnerung anbietet: Geduld und Ruhe zahlen sich aus, das ist die Botschaft. Nun geht es nach Rom — in der Ewigen Stadt können weitere Erinnerungen für die Ewigkeit dazu kommen. Lazio ist ein schweres Los, aber keines, das fraglos das Ausscheiden bedeutet. Und, mit Verlaub: Der kürzeste Weg zurück nach Europa führt über Amsterdam. Dort ist am 15. Mai das Finale der Europa League.

4. Potenzial

Die Borussen haben eine ordentliche Hinrunde gespielt. Sie haben sich ihre Punkte erarbeitet und erkämpft — pragmatisch, praktisch, gut. Spielerisch indes gibt es noch genug Luft nach oben. Davon jedenfalls darf man ausgehen. Denn schon personell gibt es reichlich schlummerndes Potenzial. Luuk de Jong beispielsweise, der niederländische Stürmer, verletzte sich, bevor er sich richtig entfalten konnte. Nun ist er wieder da und tatendurstig. Granit Xhaka sagt sein Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld große Qualitäten nach — die er in Gladbach noch nicht nachgewiesen hat. Man darf gespannt sein, ob Xhaka seinen Platz im Team findet. Schafft er es, könnte er für neue spielerische Akzente sorgen. Es ist ihm zuzutrauen, wenn die vielen Vorschusslorbeeren ein Fünkchen Wahrheit haben.

Die vielen jungen Spieler im Team haben sich, sagt Favre, im Trainingslager in Dubai sehr gut präsentiert. Borussias Team scheint qualitativ enger zusammengerückt zu sein, Favre hat nun mehr Alternativen. Auch systemisch hat Favre das Team entwickelt, künftig soll ab und an gewechselt werden im Spiel, um das Überraschungsmoment zu steigern. Die Borussen sind lernwillig und auch lernfähig, das wird sich auszahlen. Favre, der ein Fußballlehrer im wahrsten Sinne des Wortes ist, weiß, dass seine Spieler viele Lehreinheiten brauchen: "Wir müssen hart arbeiten", sagt er immer.

5. Sehnsucht

Dann ist da noch die Heimbilanz. Zehn Punkte haben die Gladbacher in der heimischen Arena liegenlassen — das kann besser werden. Auch die Remis-Schwemme ist zu groß, schon acht Unentschieden gab es, kein Bundesligist hat mehr. Mainz beispielsweise hat mehr Niederlagen, aber einen Punkt mehr, weil es öfter siegte. Es gibt also genug Steigerungspotenzial — rufen die Borussen das ab, können sie die entscheidenden Schritte nach vorn machen.

16 lange Jahre mussten Borussias Fans auf europäische Nächte warten — nun haben sie diese ausgiebig zelebriert. In kein Stadion der Europa League kamen mehr Fans als in den Borussia-Park — ganz Mönchengladbach ist heiß auf Europa. Darum werden die Fans alles dafür tun, um ihre Sehnsucht nach mehr zu stillen und auch in der neuen Saison den Kontinent bereisen zu dürfen. Spätestens seit dem 1:0 gegen Bochum in der Relegation wissen die Borussen-Anhänger, wie sehr die Kurve das Team inspirieren kann. Der Draht zwischen Team und Kurve glüht, wenn es darauf ankommt. Die Mannschaft kennt das Verlangen der Kundschaft — und ist gewillt, es zu erfüllen. "Unsere Fans haben es verdient", sagen die Fußballer gerne und meinen es auch so.

Borussia ist zu einer gelebten Einheit geworden in den vergangenen zwei Jahren — das kann auch nun ein wichtiger Faktor sein, wenn es darum geht, das Europa-Abonnement für ein weiteres Jahr zu verlängern. Sehnsucht danach haben alle Borussen, ob auf dem Platz oder drum herum — und Sehnsucht hat schon so manches möglich gemacht. Borussia will ein International Player bleiben.

(seeg)
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