Borussia Mönchengladbach Favres Pokal-Playlist und seltener Winterschlaf
Mönchengladbach · Die Borussia hat momentan auf jede Herausforderung eine Antwort. Mit weiteren Auftritten wie beim Zweitrundensieg gegen Eintracht Frankfurt winkt 20 Jahre nach dem Pokalsieg 1995 ein neuer Coup. Auch damals waren die Kickers Offenbach ein Gegner.

Eintracht Frankfurt - Borussia Mönchengladbach
1.) Nossa Nossa Es war vor fast genau drei Jahren, als Marco Reus, Dante und Co. um die Eckfahnen der Bundesliga tanzten. Der Soundtrack zu "Borussia Barcelona" war ein One-Hit-Wonder auf Portugiesisch, "Ai Se Eu Te Pego" von Michel Teló. Den Namen des Sängers musste ich zur Sicherheit nachschauen, Lucien Favres Gladbacher haben dagegen nachhaltig Erfolg. Gerade gehen sie mit einem neuen Album auf Tour, und es hat den Anschein, als könne sich besonders nach den vergangenen zwölf Tagen niemand auf einen Lieblingssong einigen: 3:0 in Hannover mit beeindruckender Effizienz, wilde Spielfreude beim 5:0 gegen Limassol, beim 0:0 gegen die Bayern dem massenkompatiblen Marktführer die Stirn geboten und jetzt beim 2:1 in Frankfurt ein 80-minütiges Medley der Extraklasse gezeigt.
2.) Pokal-Trio Vielleicht ist die Borussia im Herbst 2014 weniger eine Band als gleich ein kompletter Streamingdienst à la Spotify, mit der passenden Musik für jede Gelegenheit. Spiel für Spiel greift Lucien Favre eine andere Playlist heraus, inzwischen 16 verschiedene. Gegen die Eintracht gab es einmal mehr fünf Änderungen in der Startelf, nur einmal in den vergangenen sieben Partien waren es weniger als vier. Den Unterschied machte die Flügelzange aus Thorgan Hazard und Ibrahima Traoré, die beide Tore schossen. Zusammen mit Branimir Hrgota, der ebenfalls von Beginn an ran durfte, haben die beiden 14 der 34 Gladbacher Pflichtspieltreffer erzielt, alle im DFB-Pokal oder der Europa League.
3.) Zuschauermagnet Niemand hat am Mittwochabend in Frankfurt eine repräsentative Umfrage durchgeführt, um herauszufinden, inwiefern die Borussia als Gegner inzwischen ein Argument für einen Stadionbesuch ist. Jedenfalls waren 46.500 Zuschauer für einen Pokalabend am 29. Oktober sehr ordentlich. Gleichzeitig hatten sich in Sinsheim 11.441 und in Wolfsburg sogar nur 7608 Menschen versammelt. Heißt: Eintracht Frankfurt und Borussia Mönchengladbach weckten zweieinhalb Mal so viel Interesse wie die TSG Hoffenheim, der VfL Wolfsburg, der FSV Frankfurt und der 1. FC Heidenheim zusammen.
4.) Einfache Rechnung Yann Sommers viertes Spiel in Folge ohne Gegentor schien schon gesichert, als sich die Borussia doch mal wieder eins fing. Es war das zehnte in 16 Spielen, das erste nach 418 Minuten. Zwei Treffer kassierte Gladbach weiterhin nur in Sarajevo, so dass zwei eigene Treffer bis hierhin eine 94-prozentige Siegwahrscheinlichkeit bedeuten.
5.) Glücklich weggecheckt Die Quote wäre jedoch arg gefährdet worden, wenn Schiedsrichter Knut Kircher in der Nachspielzeit Elfmeter für Frankfurt gepfiffen hätte. Tony Jantschke räumte Takashi Inui ab, der mit beiden Füßen eindeutig im Strafraum stand. Gladbachs Glück war die Vehemenz, mit der Jantschke in diesen Zweikampf ging. Denn sein Gegner landete so weit außerhalb des Sechzehners, dass sich ein vager Verdacht erst in der Zeitlupe bestätigte.
6.) Schonungslos Ernsthaft protestierte niemand. Es wäre auch absurd gewesen, wenn die Eintracht sich noch in die Verlängerung gerettet hätte. 6000 mitgereiste Gladbach-Fans hatten in der ersten Hälfte das wohl chancenreichste Auswärtsspiel der jüngeren Vereinsgeschichte gesehen. "Das ist Fußball! Das ist Fußball!", rief Max Kruse nach dem 1:0 begeistert seinen Kollegen zu. "Wir haben phasenweise den Ball laufen lassen, ohne uns so richtig anzustrengen", sagte Christoph Kramer. Ohne die Zusammenfassung in der ARD-Sportschau gesehen zu haben, tat Martin Stranzl in der Mixed Zone das, was ein Kapitän tun muss, um die Mannschaft auf dem Teppich zu halten. "Einige wollten wohl Kräfte sparen fürs Wochenende", monierte der 34-Jährige nach den zittrigen Schlussminuten.
7.) Albtraum auf Lebenszeit Vor einem Mann hat die Borussia umsonst gezittert: Alexander Madlung kam seinem sechsten Tor im 16. Spiel gegen Gladbach nicht sonderlich nah. Der Abwehrspieler wird dennoch bis zu seinem Karriereende ein in letzter Minute Tore köpfendes Trauma bleiben — obwohl sein letzter Treffer jetzt schon fünf Jahre zurückliegt.
8.) Wenig gerissen Es läuft die 20. Saison seit dem Pokalsieg 1995. Berauschend sieht Borussias Bilanz in den zwei Jahrzehnten nicht aus. Immerhin ist mit dem Überwintern die Grundlage gelegt, überhaupt mal wieder weit zu kommen — 2000/2001, 2003/2004 und 2011/2012 ging es unter diesen Voraussetzungen bis ins Halbfinale. Dem stehen jedoch vier Erstrundenpleiten und zehnmal das Aus in der 2. Runde gegenüber. Da wird der Erfolg in Frankfurt fast schon zum Meilenstein.
9.) Von der Ruhe beunruhigt Tatsächlich ist die Terminkonstellation in dieser Saison unter Umständen sehr günstig. Achtel-, Viertel- und Halbfinale werden ab Anfang März innerhalb von acht Wochen ausgetragen. Wer da einen Lauf hat, kann gefühlt gleich durchfahren nach Berlin. So wie die Borussia die Dreifachbelastung meistert, muss sie sich momentan eher vor der Eintönigkeit aus Winterpause und Bundesliga fürchten, die von Mitte Dezember an für zwei Monate herrschen wird.
10.) Janusköpfiges Omen Selbst wenn man das Duell zwischen dem FC Wegberg-Beeck und Alemannia Aachen mitrechnet, lassen sich die DFB-Pokalspiele im Borussia-Park an einer Hand abzählen. Nummer sechs war zum Greifen nah, bis Judith Rakers um kurz vor Mitternacht die Kickers Offenbach zog. Die jüngsten Erinnerungen an den Bieberer Berg sind gut, in der Aufstiegssaison 2007/2008 gab es einen 7:1-Erfolg. Im Pokal driften die Erfahrungswerte aber weit auseinander. Ein 1:0 pflasterte den Weg zum Titelgewinn 1995. Sechs Jahre zuvor unterlag die Borussia jedoch mit 0:1 nach Verlängerung — auch damals war Offenbach nach einem Lizenzentzug nur Amateurligist.