Borussia Mönchengladbach Emotionale Zwickmühlen

Borussia Mönchengladbach · Marcell Jansen ist gebürtiger Gladbacher, der jetzt beim Hamburger SV spielt. Marco Reus ist zwar in Dortmund geboren, hat aber Spuren hinterlassen in Mönchengladbach, bevor er nun zum BVB wechselte. Heute und am Samstag spielen die beiden verlorenen Söhne gegen Gladbach.

Marcell Jansen: Der Gladbacher Jung hört mit 29 auf
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Das ist Marcell Jansen

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Foto: ddp

Es gibt sie, die verlorenen Söhne des Fußballs. Borussia trifft innerhalb von vier Tagen auf zwei von ihnen: Marcell Jansen und Marco Reus. Beide sind die teuersten Verkäufe der Vereinsgeschichte: 17,5 Millionen Euro zahlte Dortmund für Reus, für Jansen kassierte Borussia einst zwölf Millionen. Zuletzt in Hamburg trafen sie direkt aufeinander, nun stehen für beide die Spiele gegen Gladbach an.

Jansen ist und bleibt Gladbacher. Er ist aufgewachsen in Lürrip, er ist nach wie vor der ganze Stolz des dortigen Fußballklubs. Er ist Borusse durch und durch, spielte von 1993 an in Gladbachs Jugend und wurde 2004 im Borussia-Park Profi. Charly Stock, der Hüter der Borussen-Tradition, hat Jansen schon jetzt angefragt als künftiges Mitglied der Weisweiler Elf. Darum fühlt sich jede Rückkehr des langen Blonden mit dem linken Fuß an wie die eines verlorenen Sohnes.

Borussen und Jansens

Mittlerweile ist es fünf Jahre her, dass Jansen auszog in die große Fußballwelt. 2007 ging er zum FC Bayern, dann 2008 zum Hamburger SV. Dort erlebt er mehr als ihm lieb ist, was er auch in Gladbach durchmachte: Abstiegskampf. Nun aber kommen Jansen und die anderen Hamburger als Sieger nach Mönchengladbach, als Meister-Besieger sogar, mit dem 3:2 gegen Dortmund im Rücken. Jansens Familie und all seine Freunde werden im Stadion sein, zerrissen, wie immer, wenn er im anderen Trikot spielt: Sie sind Borussen, aber eben auch Jansens. Hamburg will siegen, um die Krise weiter zu bekämpfen — was bedeuten würde, dass Marcell Jansen mithelfen will und muss, Borussia Probleme zu bereiten. Eine emotionale Zwickmühle ist das sicherlich. Doch Jansen ist Profi. Darum ist er heute ein Gladbacher, der nun Hamburger ist.

Marco Reus war ein verlorener Sohn. Er ist aber zurückgekehrt, wohin er naturgemäß gehört: nach Dortmund, in seine Heimatstadt. Dort ist er aufgewachsen, beim BVB hat er in der Jugend gespielt. Doch wurde er ausgemustert und entwickelte sich anderenorts zum Superspieler: erst, zart, in Ahlen, dann, radikal, in Mönchengladbach. Am Samstag wird er zum ersten Mal Gegner der Gladbacher sein. Reus ist gegangen als Held, seine Tore haben den Klub erst vor dem Abstieg bewahrt, dann haben sie den europäischen Traum ermöglicht. Und nun wird er vermisst. Oder besser: sein Spiel. Trainer Lucien Favre, dessen Lieblingsschüler Reus war, ist seit Reus' Entschwinden auf der Suche nach einer neuen Identität seines Teams. Das 1:0 in Leverkusen, das war Reus-esk: der tolle Pass von Juan Arango, der Düsenantritt von Patrick Herrmann, das Tor. Doch die neue, Reus-lose Borussia muss anders sein, als so, Favre muss sie neu erfinden: Die Erben des Reus spielen eher horizontal als vertikal, sie suchen nicht die Tiefe, sondern die Breite des Spielfeldes.

Und ausgerechnet jetzt, in dieser Findungsphase, läuft Favre am Samstag Reus über den Weg. Ob er spielen darf, wird die Kloppsche Rotation erweisen, doch wird auch Reus in einer Zwickmühle sein: Er ist ein Torjäger und muss es auch gegen Gladbach sein. Zwar gibt er gern den Gleichgültigen, doch dürfte es ihn nicht kaltlassen, dieses Treffen mit allem, was dahinter steht. Borussias Fans haben ihm verziehen, dass er sich für die westfälische Borussia entschied. Sie wissen, dass die Entscheidung von Herzen kam. Doch Tore gegen ihre Borussia von einem, der Borusse war, die tun immer weh.

Reus darf das nicht interessieren. Denn am Samstag ist er ein Dortmunder, der mal Gladbacher war. Und Borussia? "Wir schauen nicht zurück", sagt Lucien Favre stets. Das ist generell gemeint. Speziell bedeutet das: Jansen und Reus sind Vergangenheit. Borussia spielt gegen Hamburg und nicht gegen Marcell Jansen, sie spielt in Dortmund und nicht bei Marco Reus. Für Favre und seine Gladbacher gibt es keine emotionale Zwickmühle. Sie wollen und müssen punkten. Verlorene Söhne und andere romantische Emotionen hin oder her.

(RP/can/csi)
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