Borussia Mönchengladbach Ein Tor für die Wand und ein "Fußballgott" auf Abruf

Mönchengladbach · Branimir Hrgota erinnert sich ans Toreschießen, Patrick Herrmann hat es momentan sowieso drauf. Mit der drittbesten Trefferausbeute aller Teams erreicht Borussia die Zwischenrunde der Europa League. Nur für Christoph Kramer ist die Lage etwas angespannt – die "Fußballgott"-Rufe verstummen langsam.

Branimir Hrgota erinnert sich ans Toreschießen, Patrick Herrmann hat es momentan sowieso drauf. Mit der drittbesten Trefferausbeute aller Teams erreicht Borussia die Zwischenrunde der Europa League. Nur für Christoph Kramer ist die Lage etwas angespannt — die "Fußballgott"-Rufe verstummen langsam.

Branimir Hrgota hatte zeitweise einen doppelt schweren Stand. Der eine hing mit der Jahreszeit und dem entsprechend rutschigen Rasen zusammen, der andere mit einer Torflaute, die nach sieben Treffern in den ersten vier Pflichtspielen der Saison nur von einem Erfolgserlebnis gegen Apollon Limassol unterbrochen wurde. Und so war Hrgota inzwischen nicht in seiner Gänze vergessen worden, sondern lediglich seine Qualitäten. Gegen Zürich war der Schwede nicht nur nach langer Zeit mal wieder Torjäger. Er brachte sich auch wie gefordert ins Kombinationsspiel ein, woraufhin er jedoch ab und an in einschussbereiter Position im Strafraum fehlte. Das war zu verkraften, denn Hrgotas Lupfer zum 3:0 schaut man sich gerne in Endlosschleife als GIF an. Mit jetzt zehn Treffern hat der 21-Jährige beste Aussichten, als Borussias bester Torschütze der Hinserie in die Winterpause zu gehen. Nur bei der Dopingprobe… ach, will jemand anders den Witz mit "es lief nicht" übernehmen?

Nicht nur das 3:0 nach dem öffnenden Pass von Granit Xhaka und dem Lupfer von Hrgota war ein Traumtor. Trainer Lucien Favre dürfte das 2:0 noch besser gefallen haben. Zum Nachvollziehen die Passstafette im Schnelldurchlauf: Oscar Wendt wirft auf links ein, Hrgota lässt prallen, Wendt wechselt die Seite und findet rechts Tony Jantschke, über Xhaka landet der Ball bei Christoph Kramer, der gibt nach einer Pirouette ab zu Ibrahima Traoré, der rechts Raffael sucht, doppelter Doppelpass mit Hrgota und am Ende — nach 30 Sekunden und zehn Stationen — schiebt der den Ball über die Linie. Darf man sich als Poster gerne in die Kabine im Borussia-Park hängen.

Die Konkurrenz hat ihn wachgeküsst. Nicht, dass Patrick Herrmanns Entwicklung jemals richtig eingeschlafen sei, nicht, dass es ihm André Hahn, Ibrahima Traoré und Thorgan Hazard seit ihrer Ankunft im Sommer leicht machen würden — aber der 23-Jährige hat nach schwierigem Saisonstart einen Sprung gemacht. Seine Antritte, bei denen er loslegt wie ein Matchbox-Auto im Kinderzimmer, waren schon immer stark. Neuerdings kommen Kaltschnäuzigkeit beim Abschluss hinzu und Dribblings von der linken Seite in der Manier eines "Arjen Robben mit rechtem Fuß". Im Nachhinein kaum zu glauben, dass Herrmann erst am 18. September gegen Villarreal erstmals in der Startelf stand. Seitdem hat er sieben Treffer erzielt, vier davon in der Gruppenphase der Europa League, die er als Borussias bester Torschütze beendet.

Borussia Mönchengladbach: Branimir Hrgota mit Traumtor gegen Zürich
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Branimir Hrgotas Traumtor gegen Zürich

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Roel Brouwers bringt alles mit, was ein "unsung hero" benötigt: Zuverlässigkeit, Unauffälligkeit, Understatement, Freundlichkeit, Effizienz. Nur wissen die Borussia-Fans diese Qualitäten schon so lange zu schätzen, dass Brouwers ("Roooooooel") beileibe kein unbesungener Held ist. Gegen Zürich stand der 33-Jährige zum vierten Mal in Folge in der Startelf. Damit war noch Anfang November kaum zu rechnen gewesen. Und jetzt, da Martin Stranzl wieder ins Training eingestiegen ist, kann man resümieren: Eine Viererkette mit Stranzl kassiert zwar die wenigsten Gegentore, aber eine Viererkette ohne Stranzl und mit Brouwers kassiert immerhin noch weniger als eine, die auf beide Routiniers verzichtet (wie beim 1:3 gegen Frankfurt). Seite an Seite spielten beide übrigens eine Halbzeit lang in Hannover — ohne Gegentor.

Christoph Kramers Geschichte gehört zu den meisterzählten des Jahres. Bei der Aufzählung seiner mehr oder minder selbst erarbeiteten Meriten fehlt jedoch regelmäßig sein Aufstieg zum "Fußballgott" der Gladbacher Nordkurve. Nach Kramers Kritik an der Kritik von Borussias Rekordspieler Berti Vogts hat ein Großteil der Fanszene jedoch endgültig die Faxen dicke. "Was bildet sich der Herr Kramer eigentlich ein?", schrieb eine Userin auf der Facebook-Seite der RP Mönchengladbach. Oder: "Der ach so tolle Herr Kramer ist gerade dabei sich selbst zu demontieren." Die allermeisten sahen sogar darüber hinweg, dass Vereinslegende Vogts sich in den vergangenen Jahren nicht immer glücklich gegenüber seiner Borussia verhalten hat. So oder so: Der "Fußballgott"-Ruf klang vor dem Zürich-Spiel schon nur noch wie ein Murmeln.

Die Freude im Borussia-Park fiel trotz eines rundum gelungenen Europapokal-Abends merkwürdig verhalten aus. Wahrscheinlich war mit dem Einzug in die Zwischenrunde einfach das eingetreten, was die meisten seit der Auslosung Ende August erwartet hatten. Schon früh leerte sich das Stadion erheblich, was um kurz nach halb neun doch etwas überraschte. Champions-League-Spiele haben um diese Uhrzeit schließlich nicht einmal begonnen. "Auf Wiedersehen!", riefen die Blöcke im Unterrang der Nordkurve den Nach-Hause-Gehern hinterher. Gladbachs Stadion war in Europa bislang immer gut gefüllt — ohne dabei jedoch zum Hexenkessel zu mutieren.

Branimir Hrgota oder Yann Sommer entschieden sich lieber fürs Hinhocken. Das Feier-Prozedere mit den Fans ruft im Winter nämlich jede umsichtige Mutter auf den Plan, die ihren Kindern entschlossen nahelegt, sich nicht auf den kalten Boden zu setzen. So verharrten die verbliebenen Anhänger in der Nordkurve auch nur kurz in der Hocke und im leisen Murmel-Gesang, um dann wie gewohnt aufzuspringen und frenetisch loszusingen. Hoffentlich ohne Blasenentzündung.

Zum ersten Mal seit 28 Jahren überwintert die Borussia in drei Wettbewerben. Die Saison 1986/87 endete zwar titellos, aber mit respektablen Erfolgen. Im Uefa-Cup scheiterte die Mannschaft von Jupp Heynckes erst im Halbfinale (0:0 und 0:2 gegen Dundee United). Auch im DFB-Pokal war kurz vor dem Finale Schluss, beim Hamburger SV gab es eine 0:1-Niederlage. In der Bundesliga sprang der VfL mit einer Rekordserie von zehn Siegen in Folge noch auf Platz drei. Für einen ähnlichen Verlauf fänden sich sicher auch diesmal wieder Interessenten.

Dass Borussias Europacup-Abenteuer auch im Jahr 2015 weitergehen würde, stand im Verlauf der Gruppenphase nie ernsthaft auf der Kippe. Der Start war suboptimal mit zwei Unentschieden. Doch schon die beiden Siege gegen Apollon Limassol, den schwächsten Gegner in Gruppe A, beförderten Gladbach auf Platz eins. Unterm Strich hat Granit Xhakas Strich in Villarreal den Gruppensieg gerettet, womit im Vergleich zum zweiten Platz vor zwei Jahren auf dem Papier eine positive Entwicklung zu erkennen ist. Wobei Fenerbahce Istanbul, Olympique Marseille und AEL Limassol damals insgesamt etwas stärkere Gegner waren.

Borussia Mönchengladbach gewinnt 3:0 gegen den FC Zürich: Einzelkritik
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Gladbach - Zürich: Einzelkritk

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Das Prozedere bei der Auslosung am Montag um 13 Uhr (im Live-Blog bei RP ONLINE) ist einfach. Gladbach bekommt einen der Gruppenzweiten zugelost, die nicht Villarreal oder Wolfsburg heißen, oder einen der vier schlechtesten Gruppendritten aus der Champions League. Im Hinspiel geht es zunächst zu einem dieser 14 Gegner:

Celtic Glasgow, PSV Eindhoven, FC Turin, Dnjepr Dnjepropetrowsk, Young Boys Bern, FC Sevilla, Aalborg BK, EA Guingamp, Trabzonspor, Tottenham Hotspur, FC Liverpool, AS Rom, RSC Anderlecht, Ajax Amsterdam

Mit dabei sind viel Tradition, einige Europacup-Siege, schöne Großstädte, ein Krisenherd (Dnjepropetrowsk trägt seine Heimspiel in Kiew aus), kleinere Gegner wie Guingamp oder Aalborg — aber entscheidend is' wie immer auf'm Loszettel.

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