Borussia Mönchengladbach Drygalsky: "Favre ist eine ideale Verpflichtung"

Mönchengladbach · Borussias früherer Konditionstrainer und Präsident spricht über die Zeit mit Hennes Weisweiler, die aktuelle Borussia und ihren Trainer, die Arbeit von Sportdirektor Max Eberl, Stefan Effenberg und die Wichtigkeit eines stimmigen Teamgefüges.

Herr Drygalsky, vor 50 Jahren wurde Hennes Weisweiler Trainer bei Borussia. Sie waren Dozent an der Sporthochschule in Köln. Weisweiler hat Sie als Athletik- und Konditionstrainer geholt. Wie haben Sie die damalige Zeit erlebt?

Drygalsky Ich war damals ja eigentlich überhaupt kein Fußball-Fachmann. Ich habe versucht, mal andere Wege zu gehen, als ich zu Borussia kam. Wege, die ich aus der Leichtathletik kannte. Wir haben die Trainingsmethoden erweitert und Tests eingeführt. Ich glaube, dass wir in der damaligen Zeit sportlich große Erfolge hatten, auch, weil das Team fitter war als andere - und ich bin stolz, dabei gewesen zu sein. 20 Jahre war ich Konditionstrainer, nicht nur bei Weisweiler, sondern später auch bei Udo Lattek und Jupp Heynckes. Borussia hat fantastische Spieler herausgebracht, die auch heute noch einen Namen haben. Mit Hennes Weisweiler habe ich noch lange über die Zeit in Mönchengladbach hinaus Kontakt gehabt, auch als er in New York und in Zürich war. Er war ein großartiger Trainer und Mensch.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Borussia?

Drygalsky Borussia hat Chancen genutzt, die wir am Bökelberg nicht mehr hatten. Vor allem durch das tolle Stadion, das sie gebaut hat. Es wird eine solide Finanzpolitik betrieben. Und nach einigen Wirren als, wie es hieß, ,Kaufhaus des Westens' und vielen Trainerwechseln, gab es mit Lucien Favre eine ideale Verpflichtung. Sportdirektor Max Eberl hat nach anfänglichen Schwierigkeiten Schritt für Schritt solide Aufbauarbeit geleistet und sich profiliert. Ich finde es gut, dass er auch im Erfolg immer wieder dazu rät, auf dem Boden zu bleiben. Die Fans denken, die Spirale geht nur nach oben - darum ist das sehr wichtig. Die Verpflichtungen von sportlicher Kompetenz für das Präsidium, Rainer Bonhof und Hans Meyer, der Borussia mit seiner soliden und realistischen Art vorher auch als Trainer vorangebracht hat, waren mit einer der entscheidenden Schritte für einen kontinuierlichen Aufbau. Das spiegelt sich auch in den hohen Mitgliederzahlen des Klubs wieder.

Borussia hat sich bereits sicher für den Europapokal qualifiziert, mindestens für die Playoffs der Europa-League. Wie hat Ihnen der Fußball in dieser Saison gefallen?

Drygalsky Es gab ja das eine oder andere fußballerisch nicht so elegante Spiel. Ich denke aber, dass durch die feststehenden Neuverpflichtungen da eine Verbesserung eintreten wird.

Glauben Sie, dass die Borussen am kommenden Samstag beim Saison-Finale in Wolfsburg die Chance nutzen können, noch den fünften, vielleicht sogar den vierten Platz zu erreichen?

Drygalsky Ich bin immer ein bisschen Realist. Wir sollten sehen, was wir aus eigener Kraft können und nicht darauf gucken, was die anderen machen. Ich finde, mit dem jetzt Erreichten hat Borussia bereits einen großen Schritt gemacht. Ob die Champions-League-Qualifikation wirklich anzustreben ist, mag ich nicht beurteilen. Finanziell natürlich auf jeden Fall, aber sportlich glaube ich, dass es vielleicht besser wäre, eine gute Saison in der Europa League zu spielen. Unabhängig davon kann ich aber sagen, dass in dieser Saison entscheidende Schritte gemacht wurden.

Borussia hat während Ihrer Präsidentschaft zuletzt international gespielt, jetzt hat sie sich zum zweiten Mal binnen drei Jahren für den Europapokal qualifiziert. Wie wichtig ist das für einen Verein?

Drygalsky Sehr wichtig, natürlich. Im Vergleich zu früher ist die Präsenz im Europapokal noch mehr als früher sowohl für den Verein als auch für die Spieler ein Aushängeschild der besonderen Art. Das macht Sponsoren aufmerksam. Es ist nun mal so im heutigen Fußball, dass finanzielle Aspekte eine Rolle spielen.

Sie haben damals Stefan Effenberg nach Gladbach geholt. Im Jahr darauf hat Borussia den Pokal geholt, den bislang letzten Titel. Wie wichtig sind solche Leitfiguren und sehen Sie Effenbergs im aktuellen Team?

Drygalsky Effenberg war sicher ein außergewöhnlicher Spieler, der schon als junger Spieler seine ersten Schritte bei uns gemacht hatte. Er war wichtig, aber allein er hat das damals nicht bewirkt. Da waren noch Andersson, Dahlin, Herrlich, Pflipsen, Wynhoff und später Juskowiak, Pettersson und viele andere. Grundsätzlich muss das Mannschaftsgefüge stimmen. Und den Eindruck habe ich, wenn ich das aktuelle Borussen Team sehe. Stefan Effenberg war früher für die Mannschaft sicherlich eine Leitfigur, aber er hat auch polarisiert. Darum weiß ich nicht, ob solche Typen heute noch funktionieren können. Effenberg war damals ja nicht nur ein Segen, er hat auch in der Saison 1997/1998, als sich Borussia erst am letzten Spieltag in Wolfsburg retten konnte, dazu beigetragen, dass die Mannschaft in Gefahr geriet. Was mir nicht gefallen hat, war die Rolle, die Effenberg 2011 gespielt hat, als er mit der Initiative Borussia umkrempeln wollte. Sein peinlicher Abgang ist allen in Erinnerung. Ich denke, Borussia hat mannschaftsdienliche Führungsspieler im Team, das passt gut zusammen.

Durch die Neuverpflichtungen wird der Konkurrenzkampf in Lucien Favres Team verstärkt.

Drygalsky Natürlich. Da werden Spieler, die jetzt noch in der Stamm-Elf sind, darum kämpfen müssen, weiter erste Wahl zu sein. Ich denke, dass die Mannschaft schon mit den bekannten Neuverpflichtungen deutlich verbessert wurde. Lucien Favre wird wissen, dass nun neu gewürfelt wird, weil in der nächsten Saison mehr Qualität da ist. Ich finde es gut, wie wir aufgestellt sind und kann den Borussen zu dem Erreichten nur gratulieren.

KARSTEN KELLERMANN SPRACH MIT KARLHEINZ DRYGALSKY.

(RP)
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