Borussia Mönchengladbach Die schöne Geschichte vom Tankumsee

Mönchengladbach · 2003 entschied sich Borussias damaliger Trainer Holger Fach für eine besondere Maßnahme: ein Trainingslager in der niedersächsischen Einöde. Es folgte der erste Auswärtssieg nach 428 Tagen. Aktuell gab es 164 Tage keinen Sieg in der Fremde.

Flanke, Kopfball, Tor: Der Belgier Joris van Hout erzielt am 22. November 2003 auf robuste Art das 1:0 in Wolfsburg. Nach Stefan Schnoors 1:1, sorgen Arie van Lent und Joonas Kolkka mit seinem ersten Gladbach-Tor für den 3:1-Sieg.

Flanke, Kopfball, Tor: Der Belgier Joris van Hout erzielt am 22. November 2003 auf robuste Art das 1:0 in Wolfsburg. Nach Stefan Schnoors 1:1, sorgen Arie van Lent und Joonas Kolkka mit seinem ersten Gladbach-Tor für den 3:1-Sieg.

Foto: Dwi

André Schubert stellte gleich klar, dass er nicht abergläubisch ist. Das war am Tag seiner Cheftrainer-Werdung bei Borussia und seine Antwort auf die Frage, ob es sich nicht ein wenig mulmig anfühle, ausgerechnet an einem Freitag, der 13., den ersten offiziellen Arbeitstag nach der Beförderung zu haben. Etwas mehr der Schauer-Romantik Zugängliche hätten da vielleicht doch ein wenig geschluckt. Schubert aber ist ein moderner Mensch und er vertraut weniger altväterlicher Ideenleere denn der modernen Methodik. Weswegen er die Geschichte des "Geist vom Tankumsee" als Lösung der Gladbacher Auswärtsproblematik eher nicht als nachahmungswert empfinden dürfte.

Dass ein gewisser Geist indes Fußballmannschaften in ungeahnte Sphären führen kann, ist indes ein Teil der allgemeinen deutschen Fußballmythologie. Oder war es nicht 1954 auch und nicht unwesentlich der Geist von Spiez, der neben Sepp Herbergers taktischer Raffinesse, der Qualität des Teams um Fritz Walter und Boss Rahn und vielleicht auch dem besseren Schuhwerk (Schraubstollen auf dem regenseifigen Wankdorf-Boden) dazu führte, dass die deutschen Außenseiter die großartige ungarische Mannschaft jener Tage um Puskas und Hidegkuti im WM-Finale von Bern besiegen konnte?

Nun, Schubert wird als vom DFB ausgebildeter Fußball-Lehrer diese Geschichte kennen. Und als Gladbach-Trainer hat er vielleicht auch mal die Geschichte vom "Geist vom Tankumsee" berichtet bekommen. Damals, 2003, hatte Gladbach dasselbe Problem wie heute: Es konnte auswärts nicht gewinnen. Es war jedoch schon eine weit größere Sache damals, denn die 164 Tage, die heute der letzte Sieg in der Fremde zurückliegt, sind ein Witz gegen die 428 Tage - das sind 14 Monate! - die Borussia dereinst sieglos war, wenn sie auf Reisen ging.

Holger Fach, der Trainer jener Tage (heute Scout in Darmstadt) entschied sich für eine besondere Maßnahme: Ein außerordentliches Trainingslager. Am Tankumsee. Der liegt bei Isenbüttel im Landkreis Gifhorn im, mit Verlaub, niedersächsischen Nichts. Die, die dabei waren in den vier Tagen, in denen die Borussen offenbar mit einem neuen Geist beseelt wurden, bestätigten das hernach: "Da gab es nichts, wirklich nichts." Aber eben deswegen gab es die volle Konzentration auf die wesentliche Sache: den Fußball. Und danach: ein Auswärtssieg. 3:1 beim VfL Wolfsburg. "Endlich ist der Fluch gebrochen", jubelte Bernd Korzynietz, der einer der Helden von Wolfsburg und ein Teil der Reisegruppe zum Tankumsee war.

Dass ein Aufenthalt dort nicht zwangsläufig zum Sieg führt, stellte Schuberts Vorgänger Lucien Favre im zweiten Spiel seiner Gladbacher Amtszeit fest. Auch der Schweizer trainingslagerte dort, doch beim VfL Wolfsburg gab es ein 1:2. Dies sei der Vollständigkeit halber erwähnt, soll aber die schöne Geschichte vom "Geist vom Tankumsee" als Ursprung der Beendung eines lange währenden Auswärtsfluchs nicht abmildern.

Den letzten Auswärtssieg der jüngeren Vereinsgeschichte gab es bei Berlin. 4:1 am 31. Oktober 2015. Oscar Wendt, Raffael, Granit Xhaka und Havard Nordtveit waren die Torschützen. Raffael fehlte zuletzt, möglicherweise kehrt er nun zurück. Am Freitag spielen die Borussen wieder in Niedersachsen, nicht in Wolfsburg zwar, aber in Hannover. Und während des in der Fach-Ära eigentlich immer gegen den Abstieg ging, rangeln sich die Gladbacher nun mit vielen anderen um die europäischen Plätze, und letztlich geht es nur noch darum, welcher davon es wird. Luxus. Aber auch unnötig reduzierter Luxus tut weh. Um vielleicht den goldensten Tabellenplatz, noch zu schaffen, den dritten, den, der direkt in die Champions League führt, sollte, ja muss es doch mal was werden mit einem Sieg jenseits des Borussia-Parks, mit oder ohne Aufenthalt am Tankumsee.

Eine schöne Geschichte für die Kabine ist es im Vorfeld des Spiels in Hannover aber ganz sicher. Torwarttrainer Uwe Kamps war immerhin vor 13 Jahren "live" dabei. Er kann im Detail berichten wie es geht, einen langen Auswärtsfluch zu beenden. Bestenfalls versehen mit der Fußnote: Geschichte taugt als Vorbild und ist zum Wiederholen da.

(RP)
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