„Wenn Union Berlin ein Land wäre…“ Gladbachs Christoph Kramer war in Leipzig in WM-Form

Mönchengladbach · An den 0:1-Niederlagen des deutschen A-Teams gegen Ungarn und der U21 gegen Frankreich waren vier Spieler mit Gladbach-Touch beteiligt, zwei Borussen durften sich über einen Sieg freuen. Den besten Eindruck des Abends machte aber Christoph Kramer jenseits des Spielfeldes.

Christoph Kramer: Die besten Zitate und Sprüche des Gladbach-Profis
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Die besten Sprüche von Gladbachs Christoph Kramer

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Foto: Dirk Päffgen/Dirk Paeffgen (dirk)

Vier aktuelle Borussen, ein Leihspieler und ein Ex-Borusse waren am Freitagabend im Länderspiel-Einsatz. Vier der sechs Herren verloren 0:1, nur zwei freuten sich über einen 1:0-Erfolg. Das waren die Franzosen Manu Koné und Nathan Ngoumou, die beim Sieg ihrer U21 im Freundschaftsspiel gegen Deutschland 73 und 64 Minuten spielten. Auf der anderen Seite gehörten ihr Teamkollege Luca Netz und der an den FC Burnley verliehene Borusse Jordan Beyer ebenfalls zur Startformation. Netz und Ngoumou waren dabei direkte Gegenspieler, in der 36. Minute zum Beispiel kam der Franzose erst im Dribbling nicht an Netz vorbei, dann blockte Netz auch seine Flanke.

Das 0:1 der U21 stand aber im Schatten der Niederlage der deutschen A-Mannschaft gegen Ungarn. Jonas Hofmann und Marc-André ter Stegen, der Ur-Gladbacher, der seit 2014 beim FC Barcelona angestellt ist, gehörten zum Startaufgebot von Bundestrainer Hansi Flick. Hofmann hatte beim 1:1 in Ungarn getroffen und zuvor beim 1:1 gegen England. Auch dieses Mal war er an einem Treffer beteiligt, stand in der 53. Minute aber beim Chip-Ball von Ilkay Gündogan im Abseits, bevor er Thomas Müller bediente. Der Münchener kam vorher bei Ungarns Siegtor von Adam Szalai zu spät, dessen Hackenkick flog im hohen Bogen über ter Stegen hinweg ins Netz. Der Torwart sah unglücklich aus, war bei dem Kunstschuss aber machtlos.

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Borussias Debütanten im DFB-Team

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Foto: dpa/Marco Steinbrenner

„Richtig scheiße“, fand Hofmann die Darbietung seiner Mannschaft. „Das muss uns eine Lehre sein.“ Dass Hofmann zu den Kommentatoren aus dem Team gehörte, belegt, dass er einen guten Stellenwert bei Flick hat. Wie es in der Theorie ging, wusste Hofmann, schon aus Gladbach mithin, wo es auch immer wieder darum geht, als Ballbesitz-Team gegen eklige Mannschaften, wie es die Ungarn in der Selbstwahrnehmung sind, Erfolg zu haben. „Schnell verlagern, schnelles Kombinationsspiel, direkt spielen, um in die Tiefe zu kommen“, darum ging es, „aber wir haben nie richtig einen freien Fuß in der Box gekriegt“, sagte Hofmann, der in seinem 15. Länderspiel erst hinten und dann vorne rechts spielte, 96 Ballkontakte hatte, 85 Prozent seiner Pässe an den Mann brachte und 83 Prozent der Zweikämpfe gewann. Eine gute Statistik, die am Ergebnis aber nichts änderte.

Die Ungarn Peter Gulacsi, Willi Orban und Dominik Szoboszlai, die bei RB Leipzig spielen, hatte Hofmann am vergangenen Samstag noch beim Bundesligaspiel im Borussia-Park getroffen und ihnen das zugefügt, was sie nun mit ihren Kollegen der deutschen Nationalmannschaft antaten: eine schmerzhafte Niederlage. Am 3:0 war Hofmann federführend beteiligt mit seinem Doppelpack, nun verpuffte sein Assist im Abseits.

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Foto: dpa/Federico Gambarini

Dabei war es genau eine der Situationen, die Hofmanns Mannschaftskamerad Christoph Kramer in seiner Rolle als ZDF-Experte als notwendig ausgemacht hatte gegen Gegner wie die Ungarn: „Chip-Bälle hinter die Kette“. Überhaupt lag Kramer mit seinen Analysen richtig, auch als es darum ging zu erklären, warum Timo Werner in der Sturmspitze spielte. Dafür gab es dann sogar ein explizites Lob von Flick. Inwieweit der Kramer auf dem Zettel hat als Überraschungskandidat für die WM, blieb unangesprochen, obwohl es wenig Phantasie braucht, sich, dem Vorschlag von Rekordnationalspieler Lothar Matthäus folgend, den glänzenden Kramer des Leipzig-Spiels als belebendes Element in einem Spiel wie gegen die Ungarn vorzustellen. Da setzte er jenseits der Seitenlinie seinen guten Lauf einfach fort, den er im Team von Gladbachs Trainer Daniel Farke aktuell hat. Kramer war an diesem Abend der einzige deutsche Profi in Leipzig, der sich in WM-Form präsentierte. Das ZDF weiß, warum es ihn verpflichtet hat, Kramer lieferte.

„Wenn Union Berlin ein Land wäre, wäre es Ungarn“, sagte Kramer, als es darum ging, die Qualitäten des deutschen Gegners zu beschreiben, und fügte damit der beträchtlichen Liste seiner Aphorismen einen richtig guten hinzu. Denn auch der Anführer der Bundesliga-Tabelle weiß, wie man die Kontrahenten richtig nervt mit eiserner Kompaktheit und großer Effektivität vor dem anderen Tor insbesondere bei Standards. „Man kann sich hinten reinstellen oder man kann sich hinten reinstellen wie Union Berlin oder Ungarn. Es ist schon echt schwer, gegen die ein Tor zu erzielen“, sagte Kramer. „Du darfst das Spiel gegen so einen Gegner nicht wild werden lassen“, weiß Kramer aus eigener Gladbach-Erfahrung, doch genau das passierte den Deutschen. „Dann beißt du auf Zenit“, resümierte Kramer, der Versprecher schmälerte aber seine Gesamtleistung nicht.

Wie Hofmann, der versicherte, dass „uns die Niederlage nicht umwirft“, ist auch Kramer überzeugt, dass dieses 0:1 nicht gleich bedeutet, dass es nichts wird mit dem DFB-Team bei der WM im Winter. „Es wird bei der WM auf Form ankommen, die ist jetzt noch nicht da, und es ist gut, das sie noch nicht da ist, Frühform ist immer blöd“, sagte Kramer. Für ihn selbst soll das freilich nicht gelten.

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