Borussia Mönchengladbach Der Ösi-Faktor am Rhein

Mönchengladbach · Heute sind es Martin Stranzl, Martin Hinteregger und Peter Stöger, früher waren es – unter anderen – Bernd Krauss und Toni Polster. Österreicher spielten sowohl bei der Borussia als auch beim 1. FC Köln eine prägende Rolle.

Martin Stranzl: U19-Co-Trainer bei Borussia Mönchengladbach
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Das ist Martin Stranzl

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Foto: Dieter Wiechmann

Heute sind es Martin Stranzl, Martin Hinteregger und Peter Stöger, früher waren es — unter anderen — Bernd Krauss und Toni Polster. Österreicher spielten sowohl bei der Borussia als auch beim 1. FC Köln eine prägende Rolle.

Borussias Sportdirektor Max Eberl hat Martin Stranzl zuletzt geadelt. Der Transfer des Abwehrspielers, den Eberl im Januar 2011 von Spartak Moskau holte, sei einer der wichtigsten der jüngeren Vereinsgeschichte gewesen, sagte Eberl. Als Typ und als Verteidiger war Stranzl zunächst Abstiegs-Verhinderer und dann Aufbauhelfer in Gladbach. Er wird, das ist zu vermuten, auch jenseits seiner aktiven Laufbahn, die wohl im Sommer enden wird, eine Rolle bei den Borussen spielen, in welcher Funktion auch immer.

Stranzl ist wohl der wichtigste Österreich-Faktor am Niederrhein. Der junge Martin Hinteregger, neben Stranzl der zweite "Ösi" im aktuellen Kader und ebenfalls ein Verteidiger, will es seinem Landsmann gern gleichtun. Auch der rheinische Rivale der Borussen, der 1. FC Köln, hat einen wichtigen Ösi-Faktor. Weniger auf dem Rasen als an der Seitenlinie: Trainer Peter Stöger. Der hat bei den Kölnern etwa den Status, den sich Ex-Trainer Lucien Favre in Gladbach erarbeitet hat: Stöger gilt als der große Erneuerer. Stöger hat den FC zurückgeführt in die Bundesliga und dort — kurios für Köln — in aller Ruhe stabilisiert. Auch in den Derbys. Denn die Jahre vor dem fünften Abstieg der Kölner waren ganz bitter für den FC: 0:4, 1:5, und zweimal 0:3, das war die glorreiche Bilanz der Gladbacher in den rheinischen Vergleichen von 2010 bis 2012.

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Das ist Peter Stöger

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Foto: dpa, geb

Peter Stöger stoppte im Minimalisten-Stil den Trend: In der Aufstiegs-Saison gab es ein 0:0 in Köln und ein 0:1 im Borussia-Park, das Hinspiel dieser Saison gewann Stögers Team 1:0, am Tag danach trat Favre zurück. Somit hat sozusagen ein Österreicher einen Strich unter die wohl wichtigste Episode der jüngeren Gladbacher Vereinsgeschichte gezogen.

Sechs Spieler aus Österreich gab es bislang in Gladbach. Beim 1. FC Köln sind es acht. Die Österreicher belegen in Köln in der "Gastarbeiter"-Wertung bei Transfermarkt.de nach Brasilien, Dänemark, Polen und Serbien Platz fünf, bei Borussia ist es nach Dänemark, Belgien, den Niederlanden und Norwegen ebenfalls der fünfte Platz, den sich Österreich mit Brasilien, Schweden, der Schweiz und Tschechien teilt.

Die Kölner hatten lange vor den Borussen den ersten Kicker aus Österreich: In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre kam Ferdinand "Ferdl" Swatosch von Austria Wien an den Rhein, jedoch nicht zum FC, sondern zu einem der beiden Vorgängervereine, der SpVgg Sülz 07. 1928 holte Swatosch als Spielertrainer mit Sülz die Westdeutsche Meisterschaft — es war der größte Erfolg des Vereins.

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Foto: Dirk PŠffgen/Dirk Paeffgen (dirk)

Bei Borussia war Bernd Krauss 1983 der erste Spieler mit einem Ösi-Pass, der gebürtige Dortmunder hatte zwischenzeitlich die Staatsbürgerschaft gewechselt. Krauss kam 1983 von Rapid Wien zu den Borussen. Wie Swatosch holte auch er einen Titel am Rhein: Als Trainer gewann er 1995 den DFB-Pokal. Da war er aber längst wieder Deutscher. Krauss machte 190 Spiele für Gladbach, doch darf er als Pass-Wechsler "nur" als halber Ösi gewertet werden.

Daher ist Martin Stranzl mit 142 Pflichtspielen der wahre Rekord-Österreicher bei Borussia, in Köln ist es Torjäger Toni Polster mit 186 Einsätzen. Stranzl und Polster sind qua ihrer Position auch repräsentativ: Während die Herren aus dem Nachbarland in Gladbach insbesondere für die Defensive zuständig waren und sind (fünf von sechs), haben die Kölner vor allem Offensivpersonal aus Österreich importiert (sechs von acht). In Gladbach kamen die Österreicher bislang auf 380 Einsätze (39 Tore), in Köln sind es 369 (105 Tore).

86 der Kölner Ösi-Treffer erzielte Toni Polster. Der Tormacher aus Wien ist an sich schon eine Marke mit Seltenheitswert — und er ist es auch in der Geschichte der rheinischen Rivalen. Denn er ist der einzige Österreicher, der für beide Klubs gespielt hat. Wobei Köln nicht nur seine geliebte Zweitheimat und Ursprung musikalischer Edelprodukte ("Toni, lass es polstern" von den Fabulösen Thekenschlampen, Polster selbst sang mit), sondern auch sein sportliches Hauptbetätigungsfeld in Deutschland war: 186 Spiele machte Polster für den 1. FC Köln und schoss dabei 86 Tore, vier davon auch gegen Gladbach.

Selbst Polster konnte aber 1998 den Abstieg der Geißböcke nicht verhindern. Fortan war er am Bökelberg aktiv. 43 Spiele kamen zusammen, in denen er 18-mal traf. Sein erstes Gladbach-Tor beim Auftakt der Saison 1998/99 half den Gladbachern zu einem 3:0 gegen Schalke, das die Tabellenführung nach dem ersten Spieltag einbrachte. Am Ende der Saison indes war Polster auch mit Borussia abgestiegen. Einer, der sowohl mit Köln als auch mit Gladbach abgestiegen ist, ist ein Unikum. Von 2001 bis 2004 arbeitete Polster, der zwischenzeitlich im Verdacht stand, Borussen-Präsident werden zu wollen, in der Marketingabteilung Borussias, bevor er sich beruflich zurück in seine Heimat veränderte

Polster ist nicht die einzige gemeinsame Österreich-Erfahrung der Borussen und der Kölner. Die schmerzhafteste trug sich fern des Rheins in Cordoba zu. Es war 1978 während der Weltmeisterschaft in Argentinien. Berti Vogts und Rainer Bonhof gehörten zum deutschen Team, das nach Südamerika gereist war, um den vier Jahre zuvor erlangten WM-Titel zu verteidigen, der 1. FC Köln stellte gleich fünf Kader-Mitglieder: Bernd Cullmann, Herbert Zimmermann, Heinz Flohe, Dieter Müller und Harald Konopka. An jenem 21. Juni spielten beide Borussen mit, während Müller der einzige Kölner war, der auf dem Rasen stand. Denjenigen seiner Klubkameraden, die von Bundestrainer Helmut Schön nicht aufgestellt wurden, blieb die Teilnahme an einer der schlimmsten Erfahrungen deutscher Nationalteams aller Zeiten erspart.

Denn Österreich sorgte für das, was als die "Schmach von Cordoba" in die Annalen des deutschen Fußballs eingegangen ist (in Österreich spricht man indes vom "Wunder von Cordoba"). 2:3 unterlag der Weltmeister dem Ensemble aus der Alpenrepublik, die, laut Radioreporter Edi Finger, regelrecht "narrisch" wurde angesichts des tollen Triumphs über die DFB-Mannschaft. Vogts unterlief im Eifer des Gefechts gar ein Eigentor.

So gab es in dem Sommer nach dem skurrilen Bundesliga-Finale 1978, bei dem sich die rheinischen Rivalen im Fernduell um die Meisterschale stritten, die sich Köln letztlich mit drei mehr erzielten Toren und trotz des gigantischen 12:0 der Borussen gegen Dortmund, sicherte, eine gesamtrheinische Traurigkeit.

Die verdankten sie alle einem gewissen Hans Krankl, der mit seinen zwei Toren zum Helden der Österreicher und zum Schreckgespenst des DFB wurde. Hans Krankl war nebenbei mit 34 nationalen Einschüssen auch Rekordtorschütze Österreichs — bis er von Toni Polster abgelöst wurde, der 44-mal für sein Land traf. Man darf also sagen: Ein Köln-Gladbacher ist der beste Torjäger Österreichs aller Zeiten. "Mein Spiel hat Feuer, ich hab' Wiener Blut. Hab' ich den Ball, mach' ich ihn rein", heißt es treffend im Song der Fabulösen Thekenschlampen. Zu denen gehörte auch Comedian Mirja Boes. Die gebürtige Viersenerin ist übrigens bekennender Gladbach-Fan — und lebt in Köln.

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