Borussia Der Bulle vor dem Tor

Er soll Borussias neuer Torjäger werden: Der Argentinier Raúl Bobadilla fühlt sich wohl, obwohl er im Trainingslager bis gestern nicht das volle Pensum mitmachte. Seine Qualitäten deutete er jedoch bereits an.

Bad Blankenburg Tobias Levels zieht den Joker. "Nächste Frage", sagt Borussias Rechtsverteidiger, der an diesem Tag einen Nebenjob als Übersetzer hat. Der 22-jährige Verteidiger spricht ausgezeichnet Spanisch und moderiert nun in der Lobby der Sportschule Bad Blankenburg das Gespräch von Raúl Bobadilla, dem Stürmer aus Argentinien, mit Journalisten. Ob Bobadilla nicht schon fit genug sei, voll ins Team-Training einzusteigen anstatt dosiert zu üben? Levels weiß, dass Bobadilla etwa so geduldig ist, wie ein hungriger Tiger auf Beutezug. Also keine verbalen Fehlpässe riskieren. Nächste Frage, bitte.

Bobadilla, der Deutsch versteht, es aber nur bruchstückhaft spricht, lächelt. Das tut der 22-Jährige oft im Trainingslager in Thüringen. Mit jeder Faser seines bulligen Körpers fühlt er sich sichtlich wohl als Borusse. Diesbezüglich hat ihm seine deutsche Stimme Tobias Levels zeitlich viel voraus. Seit 1999 ist er im Klub, hat sich aus der Jugend hoch gearbeitet ins Profiteam und da schon 56 Spiele gemacht, 29 in der Bundesliga. Und der Strohblonde aus St. Tönis hat auch schon ein Tor geschossen, das war vergangene Saison beim 4:1 gegen Hamburg. "Das bleibt immer in Erinnerung", sagt Levels.

So wird es auch bei Raúl Bobadilla sein, wenn er erstmals trifft in der Bundesliga, die nach Grasshoppers Zürich in der Schweiz seine neue Herausforderung ist. "Er fühlt sich fit und frisch, muss aber noch langsam herangeführt werden", übersetzt Levels politisch korrekt. Bobadilla lief viel und machte mit Physiotherapeut Andreas Bluhm kleinere Übungen vor dem Tor: ein schneller Antritt und konsequenter Abschluss, so scheint es, zeichnen ihn aus.

Bobadilla teilt sich in Bad Blankenburg ein Zimmer mit Roberto Colautti, Borussias zweitem Stürmer aus Argentinien. "Er kümmert sich sehr um mich", lässt Bobadilla wissen. Nicht selbstverständlich für einen, dem der junge Mann den Platz im Sturmzentrum streitig machen wird. "Roberto ist kein Konkurrent, er ist ein Kollege, wir sind ein Team", stellt Bobadilla klar. Tobias Levels ist ein Teamplayer par excellence. Ein Kämpfer, ein ehrlicher Arbeiter. Er will die Vorbereitung nutzen, sich für die Startelf zu empfehlen. Paul Stalteri, der kanadische Konkurrent für hinten rechts, ist noch bis zum 31. Juli weg, des Gold-Cups wegen. "Das ist noch weit weg, ich arbeite von Tag zu Tag", sagt Levels.

Raúl Bobadilla würde die Uhr wohl am liebsten vor drehen. Seiot gestern ist er im richtigen Training, jetzt will er spielen. Erstmal wird er das dürfen beim Besuch in Wegberg am 9. Juli. In Eisenberg, beim ersten Test, war er, und heute Abend in Gotha, ist er nur Zuschauer. "Das ist schwer. Aber es ist sinnvoll, es langsam anzugehen", übersetzt Levels. Sonst könnte die Muskelverletzung, die ausgeheilt ist, wieder aufbrechen, fürchtet Borussias sportliche Leitung. Bobadilla ist keiner, der sich schont, wenn er in seinem Element ist. "Ich bin ein Kämpfer", einer, der immer den direkten Weg zum Tor sucht, wenn es sein muss, mit dem Kopf durch die Wand. 14 Gelbe und zwei Ampelkarten sammelte er in 47 Erstligaspielen in der Schweiz. "Körpereinsatz", deutet er mit einer Geste an. Dieser brachte auch 26 Tore. Sein Torjubel indes sei "ganz normal", erzählt er Levels. Der überträgt die letzten Worte ins Deutsche. Demnächst will Levels, der neben Spanisch und Deutsch auch Englisch, Französisch und Niederländisch spricht, einen Italienisch-Kurs belegen. Wer weiß, was sein Nebenjob als Übersetzer bei Borussia in den nächsten Jahren noch erfordert.

(RP)
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