Borussia Mönchengladbach De Jong: "Zuerst kommt die Mannschaft — dann ich"

Mönchengladbach · Borussias Top-Einkauf Luuk de Jong spricht mit unserer Redaktion über seine Knieverletzung, das Bundesliga-Niveau und seinen Wunsch, mit Bruder Siem zu spielen.

Das ist Luuk de Jong
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Während Ihrer Verletzungspause haben Sie ja viel Zeit. Haben Sie sich den Fallrückzieher von Zlatan Ibrahimovic in der vergangenen Woche angeschaut?

De Jong Natürlich! Weltklasse! Solch ein Tor machst du vielleicht einmal in deiner Karriere.

Sie haben auch schon per Fallrückzieher getroffen.

De Jong Das sollten wir nicht vergleichen. Ich habe für Twente gegen Krakau einen gemacht, ja, aber sein Tor war viel spektakulärer. Ich hätte schon mehr Fallrückziehertore machen können, aber gegen Nürnberg fehlte mir das Glück.

Stichwort Glück — im Moment ist es Ihnen etwas abhanden gekommen. Hat Ihre Verletzung Sie sehr zurückgeworfen? Schließlich hatte es den Anschein, als würden Team und Luuk de Jong zusammenfinden?

De Jong Es ist doch immer so, dass du als neuer Spieler Zeit brauchst. Natürlich lief es gerade deutlich besser, als ich mich verletzte, aber das kann man nicht ändern. Ich arbeite hart daran, wieder auf dem Platz zu stehen. Unser Physio Andy Bluhm und ich arbeiten jeden Tag, ich war wieder mit dem Ball draußen. Aber noch spüre ich das Knie.

Gibt es einen Zeitplan?

De Jong Am liebsten wäre ich schon in zwei Wochen wieder da. Aber ich muss jeden Tag schauen, wie das Knie reagiert. Es ist schwer zu sagen, wie lange es noch dauert.

Haben Sie, als sie gegen Marseille gefoult wurden, sofort gefühlt, dass da etwas kaputt ist?

De Jong Überhaupt nicht. Ich habe geschossen und dann auf mein Knie geschaut.Da sah ich die Fleischwunde, konnte das Weiße im Knie sehen. Dass es was Ernstes wie eine Kapselverletzung sein würde, danach hatte es sich nicht angefühlt.

Während Ihrer Abwesenheit hat sich die Konkurrenz im Sturm langsam warmgeschossen.

De Jong Ich freue mich, dass Mike Hanke oder Igor de Camargo treffen. Und wenn ich wieder fit bin, werde ich den Konkurrenzkampf annehmen. Die Jungs haben das gut gemacht, und das ist wichtig. Zuerst kommt die Mannschaft, dann ich.

Wie fällt Ihre Zwischenbilanz nach vier Monaten in der Bundesliga aus?

De Jong Mir ging es darum, dass ich mich weiterentwickeln kann — und dafür ist der Schritt in die Bundesliga perfekt. Darum habe ich die Entscheidung getroffen, nach Deutschland zu gehen. Das Niveau ist höher als in den Niederlanden, als Stürmer muss man mehr nach hinten arbeiten. Und die Mannschaften stehen enger zusammen, da hat man weniger Platz. Ich will meine Handlungsschnelligkeit verbessern, das kann ich hier sehr gut.

Wie oft wurden Sie als "der neue Marco Reus" angesprochen?

De Jong Ständig! Und immer wieder musste ich erklären, dass ich nicht wie er bin. Marco war vergangene Saison der beste Spieler der Bundesliga. Er ist schnell und stark bei Dribblings, hier hat er ein anderes Level. Ich bin ein Strafraumstürmer, bin derjenige, den man flach oder hoch anspielt, der Bälle halten und verteilen kann.

Stichwort hohe Bälle: Borussia spielt in letzter Zeit deutlich häufiger mit Flanken.

De Jong Und das gefällt mir. Jede Mannschaft braucht Flanken. Ich glaube, wenn du den Ball so oft wie möglich in den Strafraum schlägst, fallen auch Tore.

Trainer Lucien Favre hat es zuletzt mit Patrick Herrmann als zweiter Sturmspitze versucht.

De Jong Das klappt gut, finde ich. Patrick kann mit seinem Tempo und seiner Technik viel reißen, mit ihm kann man gut kombinieren.

Ist er etwa der neue Reus?

de Jong (lacht) Vielleicht. Im Ernst: Auch Patrick Herrmann ist nicht Marco Reus. Beide Spieler haben ihre eigenen Stärken und Schwächen.

Wie fällt Ihre Bilanz aus, was Borussia angeht? 16 Punkte aus zwölf Spielen sind weniger, als das Umfeld erwartet hat.

De Jong Ich habe mich natürlich über den Verein informiert, bevor ich kam. Die vergangene Saison war überragend, in den Jahren davor war es nicht so leicht. Ich denke, dass wir auch in dieser Saison noch weiter nach oben kommen können.

In der Europa League könnte Borussia schon am Donnerstag mit einem Sieg gegen Limassol die nächste Runde erreichen.

De Jong Das hoffe ich sehr — schließlich will ich auch noch im Europapokal spielen. Das sind tolle Spiele. Nach der Gruppenphase wird es richtig interessant, da habe ich mit Twente große Spiele gehabt.

Sie sprechen inzwischen sehr gut Deutsch. Was ist da passiert?

De Jong (lacht) Ich hatte im Krankenhaus viel Zeit, mich mit den Schwestern zu unterhalten. Das war nett. Im Ernst: Ich versuche immer, Deutsch zu sprechen, davon lernt man es am schnellsten.

Roel Brouwers ist bei Auswärtsspielen Ihr Zimmerkollege. Wie sehr hilft er Ihnen?

De Jong Gerade anfangs war es gut, dass Roel da ist. Inzwischen kann ich mir auch alleine helfen.

Sind Sie noch oft bei Ihrer Familie?

De Jong Wenn ich einen freien Tag habe, versuche ich schon, nach Doetinchem oder Amsterdam, zu meinem Bruder, zu fahren. Er und meine Freunde sind mir wichtig.

Haben Sie mal mit Ihrem Bruder Siem zusammengespielt?

De Jong Leider nur in der Jugend bei De Graafschap. Wir passen gut zusammen, ganz sicher, jeder weiß, wie der andere spielt. Es wäre schon ein Traum, wenn wir noch mal zusammen spielen könnten, vielleicht sogar in der Bundesliga. Aber er macht es gut bei Ajax. Als er gewechselt ist, hatte ich auch ein bisschen die Hoffnung, zu Ajax zu kommen. Es ist dann Twente geworden.

Es heißt, Sie haben in Ihrer Jugend Judo und Turnen gemacht, um die Koordination zu schulen?

De Jong Ich weiß nicht, wo das Gerücht herkommt. Richtig ist, dass meine Eltern mich mit einem Turntrainer haben üben lassen. Ich habe aber nicht am Reck gehangen oder so, es ging um das Gleichgewicht, die Beweglichkeit. Ich war auch auf dem Trampolin. Das war gut für die Sprungkraft.

Hatten Sie als Jugendlicher ein Vorbild?

De Jong Vorbild ist übertrieben, aber ich war immer Fan von Marc Overmars.

Der als Flügelflitzer ein ganz anderer Spielerytp war als Sie...

De Jong Stimmt. Aber ich mochte seine Spielweise. Ich habe mir schon immer andere Stürmer genau angeschaut, versucht, zu ergründen, was sie in welcher Situation machen und das auf mein Spiel zu übertragen.

Hat das funktioniert?

De Jong Ich denke schon. Du kannst alles lernen im Fußball, nur eines nicht: Den Torinstinkt. Den hat man - oder eben nicht.

Karsten Kellermann und André Schahidi führten das Gespräch.

(RP/rl/can/csi)
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