Borussia Mönchengladbach Kramer: "Wenn ich ein Tor mache, jubele ich"

Mönchengladbach · Borussias Rückkehrer Christoph Kramer spricht vor dem Treffen mit Bayer Leverkusen über Pietät nach Toren gegen Ex-Vereine, seine Rolle in Gladbach, den Unterschied der Ansätze von André Schubert und Roger Schmidt und ein Problem, das sich gelöst hat.

Porträt: Das ist Christoph Kramer von Borussia Mönchengladbach
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Das ist Christoph Kramer

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Foto: Dirk PŠffgen/Dirk Paeffgen (dirk)

Herr Kramer, beim 6:1 gegen Bern haben Sie in einer Szene hinter dem Torwart gelauert und darauf spekuliert, ihm den Ball wegzuspitzeln. Ein typischer Kramer?

Christoph Kramer (grinst) Es war sehr knapp. Ich habe darauf spekuliert, dass er vielleicht nicht mitbekommen hat, dass ich da stehe, als er den Ball gefangen hat. Ich habe dann in alter Mittelstürmer-Manier versucht, ihm den Ball zu klauen. Leider ohne Erfolg, es haben aber wenige Zentimeter gefehlt.

Sie waren früher Mittelstürmer?

Kramer Na klar, früher in der Jugend. Da war doch jeder mal Mittelstürmer. Und die Gene verliert man nicht mehr - allerdings lebe ich sie nicht so richtig aus, ich mache ja nicht oft ein Tor.

Sie mögen verrückte Dinge auf dem Platz - wenn Ihr Versuch gegen Bern geklappt hätte, wäre es sicher wieder in der Wahl zum Tor des Monats dabei gewesen.

Kramer Ach, so verrückt ist es ja nicht. Aber man sollte immer versuchen, etwas zu machen, was Erfolg verspricht. In der Szene hätte es klappen können.

Hätte es geklappt, hätten Sie dann gejubelt? Man führt den Gegenspieler dann ja auch ein bisschen vor.

Kramer Natürlich hätte ich gejubelt. Wie gesagt, ich schieße ja nicht so oft ein Tor, und wenn es dann mal klappt, jubelt man auch.

Auch gegen den Ex-Verein Bayer Leverkusen am Samstag? Viele Kollegen unterlassen das im Fall eines Falles aus Pietätsgründen.

Kramer Ich habe immer gesagt: Wenn ich ein Tor schieße, jubele ich auch. Ich habe jetzt ja schon öfter gegen meinen Ex-Verein gespielt, letzte Saison eben mit Leverkusen gegen Gladbach. Jetzt ist es umgekehrt. Dass ich jubele, ist eher unwahrscheinlich, weil ich vermutlich kein Tor schieße. Aber wenn es klappt, dann zeige ich meine Freude auch. Ich finde das nicht schlimm.

Wenn Sie treffen würden, würde es den Tag aber besonders machen? Oder sind Sie gar nicht so in Leverkusen angekommen, dass es eine so außerordentlich emotionale Geschichte für Sie ist?

Kramer Letztes Jahr waren die Spiele für Borussia ebenso wenig besonders brisant, wie jetzt das Spiel gegen Bayer. Wenn ich ein Tor machen würde, würde ich mich über das Tor freuen, aber nicht, weil ich es gegen Leverkusen erzielt habe, sondern, weil es ein Tor ist.

Ein Start gegen den Champions League-Teilnehmer Bayer Leverkusen wenige Tage nach der eigenen Qualifikation für die Königsklasse - das hat was.

Kramer Ich finde es gut, dass wir mit einem Heimspiel in die Liga starten. Ob es nun ein vermeintlich guter oder schwächerer Gegner ist und ob das ein Vor- oder Nachteil ist, dazu habe ich keine Meinung. Wir nehmen es, wie es ist.

Sie haben gesagt, dass Sie im Borussia-Park wieder zu Hause sind. Können Sie das im Unterschied zu Leverkusen beschreiben?

Kramer Für mich war die Zeit in Leverkusen nicht so schlecht, wie mancher es sieht. Aber hier in Gladbach ist für mich alles noch mal eine Stufe emotionaler und besser. Deswegen fühle ich mich auch etwas mehr verbunden. Es gibt hier nichts, was ich nicht total schätze. Das ist mir aufgefallen, als ich es nicht mehr hatte, das ist ja oft so. Ich kriege einfach Gänsehaut, wenn ich im Borussia-Park einlaufe. Das habe ich am Mittwoch gegen Bern wieder gemerkt und es wird auch am Samstag gegen Bayer so sein.

Sie wirken sehr happy.

Kramer Das bin ich auch.

Apropos Bern: Borussia hat die Young Boys dominiert. Was sagt das über das Spiel gegen Leverkusen aus?

Kramer Jedes Spiel fängt ja leider wieder bei Null an. Aber wir haben gegen Bern sicherlich wieder gesehen, dass wir im Borussia-Park noch mal eine andere Strahlkraft haben. Sicherlich sah unser Gegner schlecht aus, aber ich würde sagen, wir haben ihn schlecht aussehen lassen. Wir waren einfach gut, das muss man so sagen, daher geht das 6:1 auch in der Höhe in Ordnung. Aber noch mal: Gegen Bayer geht es bei Null los.

Wie gut ist Leverkusen?

Kramer Bayer hat sehr ambitionierte Ziele. Es ist eine sehr gute Mannschaft, die uns alles abverlangen wird und sicher auch der leichte Favorit ist.

Beide Trainer lassen sehr offensiv spielen und früh pressen. Erklären Sie die Unterschiede der Ansätze von André Schubert und Roger Schmidt.

Kramer In Leverkusen ist es schon ein wenig ein geplantes Chaos, da streut man auch mal einen Ballverlust ein, um dann in der Rückeroberung etwas auszurichten. Das hat man bei Borussia nicht. Wir pressen schon hoch und versuchen, den Gegner früh zuzustellen. Aber bei Ballbesitz ist es dann doch oft so, dass wir in die Ballzirkulation gehen, viel Dominanz im Spiel haben - ich denke, das ist der Hauptunterschied.

Hat sich Ihre Rolle im Vergleich zu der vorher als Nebenmann von Granit Xhaka verändert?

Kramer So groß ist der Unterschied nicht. Gegen Bern habe ich mit Tobi Strobl auf der Sechs gespielt, dann habe ich wie mit Granit früher den etwas offensiveren Part. Wobei man auch schauen muss, die Rückräume abzusichern, da wir ja jetzt mit einer Dreierkette spielen. Das ist vielleicht ein kleiner Unterschied, aber so unglaublich anders fühlt es sich für mich nicht an.

Drei Spiele gab es, und Tony Jantschke und Sie sind die einzigen Spieler, die jedes Mal auf dem Feld waren. Sie sind derzeit die einzigen Stammspieler bei André Schubert. Trotz der umfangreichen Rotation hat man nicht das Gefühl, dass Qualität im Team verloren geht. Ist die Qualität im Kader in der Breite so gut?

Kramer Bis jetzt kann man ja nichts anderes sagen. Wir haben ja auch in der Vorbereitung viel rotiert, und dass es einen Leistungsabfall gab, kann ich nicht feststellen. Das zeigt, was hier entstanden ist. Du kannst einen breiten Kader haben, du kannst aber auch einen qualitativ guten breiten Kader haben oder einen qualitativ sehr guten breiten Kader. Den haben wir - und da hat der Trainer eben viele Möglichkeiten. Unser Trainer rotiert dann auch. Viele andere Trainer sagen ja nur, sie würden es tun, tun es aber nicht. So kann man Kräfte schonen, weil es die Qualität zulässt.

Wie schwer wird es Bayer fallen, Chicharito zu ersetzen?

Kramer Ich sehe es nicht als großen Vorteil für uns, dass er fehlt. Chicharito hat eine große Qualität im letzten Drittel, stößt klasse in die gefährlichen Räume vor und weiß, wo das Tor steht. Dafür macht er vielleicht den einen oder anderen Schritt weniger nach hinten, was dann für uns ein Vorteil sein könnte.

Als Sie 2015 gingen, gab es die Favre-Borussia, nun ist es die Schubert-Borussia. Hat sich viel geändert?

Kramer Wir pressen höher, das System hat sich ein wenig verändert und wir zwingen den Gegner früher zu Ballverlusten. Aber mit dem Ball, die Spielintelligenz auf dem Platz, das Kurzpassspiel, das schnelle Umschalten, das ist doch alles sehr, sehr ähnlich. Sicherlich war es, aus der Entfernung gesehen, wichtig, dass André Schubert an Stellschrauben gedreht hat, und sicher hat er das Team auch weiterentwickelt. Aber das Fundament ist gleich.

Sie sind zweimal Borusse geworden. Einmal als Christoph Kramer vom Zweitligisten Bochum und einmal als Weltmeister Christoph Kramer, der für 15 Millionen Euro aus Leverkusen kommt. Was ist anders?

Kramer (grinst) Seit Mittwoch bin ich ja den Druck los, weil wir ja so viel Geld einnehmen werden in der Champions League, dass ich kein Problem mehr mit der Ablöse habe. Seitdem macht es für mich keinen Unterschied mehr.

Trotzdem: Sind Sie ein anderer Christoph Kramer als damals?

Kramer: Warum?

Würden Sie nicht sagen, dass Sie sich verändert haben?

Kramer Damals war ich 22, jetzt bin ich 25, da hat man sicher das eine oder andere Neue aufgeschnappt und hat etwas dazugelernt. Aber ich habe mich vom Grund auf als Mensch nicht verändert.

Verändert hat sich, dass Sie als Weltmeister die EM verpasst haben.

Kramer Auch was das angeht, habe ich mich nicht verändert. Ich setze mir in solchen Sachen keine großen Ziele, weil ich es sowieso nicht beeinflussen kann, ob ich dabei bin oder nicht. Und ich hatte auch vor den EM gesagt, dass ich mir nicht so sicher bin wie viele andere, dass ich dabei bin. Daher war ich nicht so niedergeschlagen, dass ich nicht dabei war. Ich würde sagen, dass ich zurecht im erweiterten Kader des Nationalteams bin, ob ich aber zwangsläufig zum Stamm gehöre, wird sich von Mal zu Mal zeigen.

Rainer Bonhof war wie Sie sehr jung Weltmeister. Er hat mal gesagt, es habe fast drei Jahre gedauert, das zu verarbeiten. Wie ist es bei Ihnen?

Kramer Bei mir steht das noch an, nächstes Jahr kommt dann die Erleuchtung (lacht).

Was bedeutet Ihnen der Titel?

Kramer Ich bin darauf sehr stolz, es ist ja etwas Bleibendes.

Wie oft haben Sie sich die Final-Sequenz noch mal angeschaut?

Kramer Am Anfang relativ häufig. Aber das Fußballgeschäft ist so schnelllebig - es ist, als wenn man aus dem Urlaub kommt: Da bleibt im Alltag auch keine Zeit, sich ständig noch mal was anzuschauen. Aber es ist auch schön, wenn man frischen Input bekommt.

Karsten Kellermann spracht mit Christoph Kramer.

(RP)
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