Borussia Mönchengladbach Kramer kämpft um seine WM-Chance

Mönchengladbach · Borussias laufstarker Mittelfeldspieler ist mit Deutschlands Nationalteam im Trainingslager in Südtirol. Er sieht sich als Streichkandidat. Doch es gibt gute Gründe für Bundestrainer Joachim Löw, den 23-Jährigen für Brasilien zu nominieren.

DFB-Team nimmt Training in Südtirol auf
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Foto: dpa, geb jai

Bei seinem Bewerbungsspiel hat Christoph Kramer getan, was er am besten kann: Er ist gelaufen. Fast 14 Kilometer rannte er zusammen bei seinem Länderspiel-Debüt für Deutschland im Spiel gegen Polen. Damit bestätigte er seine Durchschnittswerte der vergangenen Bundesliga-Saison bei Borussia. Für seinem Arbeitgeber spulte Kramer im Schnitt 13 Kilometer ab. "Ich kann nicht aufhören zu laufen", gestand Kramer mal.

Dass er inzwischen seine Laufwege optimiert hat, macht ihn zu einem sehr wertvollen Spieler - wohl auch für das deutsche WM-Team. "Es ist ein Wunder, dass ich mit dabei bin. Es kann viel passieren, aber ich gehe nicht davon aus, dabei zu sein. Ich sehe mich eher als ersten Streichkandidaten", sagte er nun Fohlen.tv. Das könnte eine Fehleinschätzung sein. Denn Kramers Chancen, auch zum endgültigen Aufgebot für Brasilien zu gehören, sind extrem gut.

DFB-Team checkt in Südtirol ein
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Kramer mit Riesenschritten in die DFB-Elf

Wenn sein Name am 2. Juni auf der Liste der Reisegruppe nach Brasilien steht, wäre es nur die logische Fortsetzung einer Saison, in der er buchstäblich mit Riesenschritten nach vorn gekommen ist. Er kam als Zweitligaspieler vom VfL Bochum, überzeugte seinen Trainer Lucien Favre sofort, machte 33 von 34 Ligaspielen mit, schoss sogar drei Tore, zwei davon im Saisonendspurt und wurde dann für das Polenspiel nominiert. Er spielte 90 Minuten und überzeugte Bundestrainer Joachim Löw offenbar total. "Er war sehr präsent in den Zweikämpfen und ist viele Wege gegangen", lobte Löw und lud den Länderspiel-Novizen nach Südtirol ein. Dort kämpft er nun um das Ticket nach Brasilien.

Dass er wegen der ungeplanten Jobsituation seinen Urlaub nicht wie angedacht antreten kann, ist für Kramer ein Übel, mit dem er bestens leben kann. "Böse, dass ich meinen Urlaub verschieben muss, bin ich ganz sicher nicht", versichert Kramer. Das Fünf-Sterne-Ressort "Andreus" in St. Martin mit all seinen Annehmlichkeiten gewürzt mit der Aussicht, bestenfalls mit dem Nationalteam nach Brasilien zu fliegen und dort die WM als Beteiligter zu erleben, ist eine äußerst charmante Alternative für jeden Urlaub. Zumal für einen wie Kramer, der Tagebuch führt über sein Fußballerleben.

Porträt: Das ist Christoph Kramer von Borussia Mönchengladbach
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Das ist Christoph Kramer

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Foto: Dirk PŠffgen/Dirk Paeffgen (dirk)

Er findet all das, was ihm in den vergangenen zwölf Monaten widerfahren ist, filmreif. Dass er anstelle des künftigen Gladbachers André Hahn den Platz im 27-köpfigen WM-Findungskader bekam, ist eine pikante Randgeschichte seines rasanten Aufstiegs. "Es ist für mich ein kleines Wunder, dass ich zum Aufgebot gehöre. Ich freue mich, dass ich mich weiterzeigen darf und werde jeden Tag im Training Gas geben", erklärt Kramer seine Pläne für die Tage in Südtirol.

"Ein Typ wie Hacki Wimmer"

Ginge es nach einem früheren Bundestrainer, wäre Kramer ganz sicher dabei. "Ich hoffe, er gehört zum 23-er-Aufgebot für die WM", sagte Berti Vogts, der Ex-Borusse, der 1996 als Trainer mit Deutschland Europameister wurde. Auch Vogts hatte Laufwunder in seinem Team, die entscheidend mittaten am letzten deutschen Titelgewinn: Matthias Sammer und Dieter Eilts. Vogts adelt Kramer, wenn er sagt: "Er ist ein Typ wie Hacki Wimmer." Wimmer galt im Gladbacher Meisterteam als das Laufwunder, er war es, der Günter Netzer den Rücken frei hielt.

Nun könnte Kramer einer sein, der hinter all den Kreativlingen im deutschen Kader die Fleißarbeit macht. Er ist ein ballsicherer Spieler, der gern aktiv im Spiel ist: Kein anderer Borusse hatte in der abgelaufenen Saison mehr Ballkontakte als Kramer. Dass er zudem dreimal traf, war sicherlich hilfreich, denn Torgefahr aus der Tiefe schätzt auch der Bundestrainer. Dass dieser gerade auf der Sechser-Position viele Sorgen hat, ist bekannt: Sami Khedira ist gerade erst wieder fit geworden, Bastian Schweinsteiger ist verletzt, auch die Bender-Zwillinge fehlten lange, nun ist auch Philipp Lahm angeschlagen - auf der laut Borussias Trainer Favre wichtigsten Position im modernen Fußball "humpelt" es bei Deutschland. Da kann Löw einen verlässlichen Backup gebrauchen: Kramer halt. "Im zentralen Mittelfeld haben wir einige Spieler, die zuletzt angeschlagen waren oder längere Pausen hinter sich haben. Wir wollen deswegen eine weitere Option haben, um für alle Fälle vorbereitet zu sein", sagte Löw.

Kramer, der in Gladbach als 37. Nationalspieler in die Annalen eingeht, geht die Sache entspannt an, "ohne große Erwartungen", auch das kann ein Vorteil sein: Er kann nur gewinnen. Dass er zudem mit der exorbitanten Motivation des Plötzlich-Nationalspieler angereist ist, kommt hinzu. Und dass Kramer keiner ist, der Angst vor großen Aufgaben hat, zeigte er in seiner ersten Bundesliga-Saison. Sein Erstliga-Debüt war das Auftaktspiel bei den Bayern - und Kramer machte seine Sache richtig gut. Dass er den Willen hat, eine Chance, die sich bietet, zu nutzen, hat er bewiesen. "Vor einem Jahr habe ich noch darüber geredet, dass es gut wäre, in jedem Spiel im Kader zu stehen", sagte Kramer. Er meinte damals Borussia. Vielleicht kann er den Satz am 2. Juni wieder sagen - mit Blick auf die WM. "Es ist Wahnsinn", sagte Kramer.

(RP)
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