Borussia Mönchengladbach Borussias Faktor des Erfolgs ist 0,77

Mönchengladbach · Trainer Lucien Favre setzt auf intelligente Defensivarbeit. Das funktioniert: In 34 Bundesligaspielen gab es nur 26 Gegentore, die zehn Rückrunden-Gegentreffer sind Bundesligarekord. 15-mal gönnte Gladbach dem Gegner kein Tor.

Bundesliga: Tops und Flops der Saison 2014/15
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Nein, Hennes Weisweiler mochte kein 1:0. Lieber war ihm ein 4:3. Borussias Meistertrainer der 70er Jahre dachte immer offensiv. Den ersten Titel jedoch, das ist Geschichte, holte seine Fohlenelf erst, als Weisweiler mit Luggi Müller und Klaus-Dieter Sieloff die Abwehr festigte. Defensive Stabilität als Keimzelle des Erfolgs, das ist auch das Prinzip von Lucien Favre, dem aktuellen Trainer der Gladbacher. So hat der Schweizer Borussia 2011 gerettet, und so hat er sein Team in die Spitzengruppe der Bundesliga und nun in die Champions League geführt. Die Logik ist ganz einfach: Wer hinten keine Tore bekommt, dem reicht im Zweifel vorn ein Treffer, um zu gewinnen. Zumindest aber verliert er nicht.

In 15 der 34 Bundesligaspiele blieb Borussia ohne Gegentor, viermal gab es ein 0:0, fünfmal einen 1:0-Sieg (in Favres Ära ist das ein sehr gängiges Ergebnis) und sechsmal höhere Zu-Null-Siege. Insgesamt 37 Punkte sammelten die Borussen in den Spielen ein, in denen sie ohne Gegentor blieben. In der Rückrunde kassierte Favres Team überhaupt nur zehn Tore, das ist Bundesligarekord. Insgesamt erlaubten sie ihren Gegnern 26 Tore, das ist ein Schnitt von 0,77 pro Spiel. Das ist der Erfolgsfaktor.

Den Ursprung der sicheren Defensivarbeit ortet Steffen Korell im ersten Halbjahr der Favreschen Schaffenszeit. "Er hat damals als erstes das Team stabilisiert und die Gegentorzahl gesenkt. Es ging um Ergebnisse und alle haben verstanden, dass es leichter ist, als Team zu verteidigen. Davon profitieren wir auch heute", sagt der Teammanager. Er ist ein Experte in der Disziplin Toreverhinderung, schließlich war er zu seiner aktiven Zeit selbst Abwehrchef in Gladbach.

 Dichtes Defensivgeflecht: Bayern-Star und Weltmeister Thomas Müller ist gar nicht erfreut, weil ihm Julian Korb, Martin Stranzl und Granit Xhaka den Ball nicht gönnen. Borussia blieb in beiden Spielen gegen die Bayern ohne Gegentor.

Dichtes Defensivgeflecht: Bayern-Star und Weltmeister Thomas Müller ist gar nicht erfreut, weil ihm Julian Korb, Martin Stranzl und Granit Xhaka den Ball nicht gönnen. Borussia blieb in beiden Spielen gegen die Bayern ohne Gegentor.

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In Favres Defensivkonstrukt sind die Stürmer die erste Abfangreihe, wenn der Gegner angreift. Auch die Flügelspieler müssen ihre Seite dicht machen und die beiden zentralen Mittelfeldspieler schließen ebenfalls Lücken. "Das entlastet die Viererkette, weil vieles schon früh abgefangen wird", sagt Korell. Die Hintermannschaft ist über Jahre eingespielt, das Personal hat sich kaum verändert. Da Favre von jeher am 4-4-2-System festhält, gibt auch das Sicherheit. "Darum kennt jeder genau die Abläufe und Automatismen, das ist wichtig", sagt Korell.

Die Borussen verteidigen mit viel Laufarbeit, weswegen sich den Gegnern kaum brauchbare Lücken bieten. Zudem ist es eine Maxime des Trainers, wenig Fouls und somit gefährliche Standardsituationen in Strafraumnähe zu produzieren. Auch Eins-gegen-Eins-Situationen lassen die Gladbacher kaum zu. "Alles in allem ist unsere Defensive sehr gut strukturiert", fasst Korell zusammen. Die Borussen verschieben nahezu ideal, sie schaffen meist Überzahlsituationen und stellen Passwege zu. In diesem engmaschigen Geflecht, das Favre in täglicher, präziser Arbeit auf dem Trainingsplatz entworfen und immer weiter verfeinert hat, verheddern sich die Gegner meist. Das Defensiv-Glanzstück in dieser Saison war der 2:0-Sieg in München: Die Bayern hatten kaum eine echte Torchance.

Ein weiteres Mittel, dem Gegner keine Gelegenheit zum Torerfolg zu geben ist proaktiv: der eigene Ballbesitz. Auch dieser ist ein wesentliches Prinzip bei Favre. Wenn man selbst den Ball hat, kann der Kontrahent nichts anrichten. Das ist pure Logik. Borussia hatte in der vergangenen Saison den drittmeisten Ballbesitz in der Bundesliga - womit die Wahrscheinlichkeit, dass die Anderen gefährlich wurden, per se deutlich sank.

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Fazit: Borussia Defensive ist die Basis für ihren Erfolg. In der kommenden Saison wird es auch so sein, vor allem in der Champions League wird Favres Abwehrnetz wohl auf harte Proben gestellt sein. Der Vorteil des Trainers ist, das er weiter auf sein eingespieltes Personal vertrauen kann. Allerdings soll es defensiven Zuwachs geben. Sportdirektor Max Eberl ist auf der Suche nach einem neuen Innenverteidiger. Einer, der im Fokus ist, sollte schon im vergangenen Jahr kommen: Matthias Ginter, der sich aber für Dortmund entschied. Beim BVB jedoch kam der 21-Jährige nicht gut zurecht und spielte zu wenig. Möglich, dass der Nationalspieler nun von der einen zur anderen Borussia geht, eventuell auf Leihbasis mit einer Kaufoption. So könnte es auch bei Andreas Christensen laufen. Der 19 Jahre alte Däne spielt beim FC Chelsea. Mit dem britischen Spitzenklub hat Borussia zuletzt schon bei Thorgan Hazard ein gutes Geschäft gemacht. Beobachtet wird auch der Kongolese Chancel Mbemba (20) vom RSC Anderlecht. Wer letztlich kommt, wird eine Frage der Machbarkeit sein. Ein wesentliches Kriterium für die Anwärter ist, dass sie intelligent verteidigen können. Denn Favres Defensivsystem ist ebenso so einfach wie kompliziert. Aber es greift. Darum ist Borussia erfolgreich.

(RP)
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