Borussia Mönchengladbach Zu Hause läuft es nicht in diesem Jahr
Auswärts ist Borussia seit der Winterpause geradezu eine Macht. Dafür fällt die Heimbilanz mit drei Siegen in zehn Pflichtspielen dürftig aus. Das passt zu dem Bild, das nicht nur die Mannschaft im eigenen Stadion derzeit abgibt.
In der Europa League und im DFB-Pokal hatte es Borussia unter Dieter Hecking schon einmal ausprobiert, jetzt gab es auch in der Bundesliga das erste Unentschieden zu Hause. Gegen den FC Schalke und Eintracht Frankfurt (gefolgt vom Elfmeterschießen) kam so jeweils das Aus im Wettbewerb. Nach dem 1:1 gegen den FC Augsburg darf Gladbach zwar weitermachen. Trotzdem dürfte es eines der am wenigsten bejubelten Last-Minute-Remis seit Jahren gewesen sein. Daheim gegen Augsburg hatten alle mehr erwartet, doch es läuft auswärts im Jahr 2017 deutlich besser. Deshalb kommt von den Machern der Rückrunden-Auswärtstabelle nun die Rückrunden-Heimtabelle:
10. FC Schalke — 12:5 Tore — 12 Punkte
11. SV Darmstadt — 11:13 Tore — 12 Punkte
12. FC Augsburg — 15:12 Tore — 11 Punkte
13. FC Ingolstadt — 13:15 Tore — 11 Punkte
14. Borussia — 12:9 Tore — 10 Punkte
15. Eintracht Frankfurt — 8:9 Tore — 9 Punkte
16. VfL Wolfsburg — 8:12 Tore — 9 Punkte
17. FSV Mainz — 8:10 Tore — 8 Punkte
18. Bayer Leverkusen — 10:13 Tore — 6 Punkte
Vor dem Spiel war Oliver Neuville zu Gast bei Stadionsprecher Torsten Knippertz auf dem Rasen. Der ehemalige Stürmer ist einer der wenigen Augsburg-Helden, die Borussia hervorgebracht hat, wobei man in der Hinsicht auch die Kirche im Dorf lassen muss: Die beiden Siege in der Saison 2007/2008 ereigneten sich in der 2. Bundesliga. Seit 2011 teilen Gladbach und der FCA wieder die Liga, seitdem gab es genauso viele Siege wie damals mit Neuville im Unterhaus. An das 4:2 im ersten Spiel unter André Schubert am 23. September 2015 dürfte sich jeder erinnern. Den ersten gab es am 30. Spieltag der Saison 2012/2013: Borussia gewann durch einen Elfmeter von Filip Daems 1:0 und hatte plötzlich nur noch einen Punkt Rückstand aufs internationale Geschäft — doch zwei Niederlagen gegen den VfL Wolfsburg und den FC Schalke zerstörten alle Hoffnungen.
Es ist in einem Stadion mit mehr als 52.000 Zuschauern nicht so einfach, alle Interessen und Verhaltensweisen der Fans zu entflechten, deshalb Punkt für Punkt:
- "Ab dem nächsten Heimspiel gegen Augsburg stellen wir unsere Aktivitäten als Gruppe bei Heimspielen dann komplett ein", hatte die Ultra-Gruppierung "Sottocultura" vor dem DFB-Pokalspiel gegen Frankfurt auf einem Flugblatt mitgeteilt, unter anderem als Reaktion auf die Choreo-Zerstörung. Im Pokal wurde noch bedingungslos angefeuert, gegen Augsburg sah es nun so aus, dass unten im Block 16 um die 500 Fans standen, die die Mannschaft über die gesamte Spieldauer nicht anfeuerten. Der "Supporters Club" betonte am Freitag noch, "Sottocultura" habe weiterhin vor, bei Heimspielen "präsent zu sein". Doch das beschränkte sich augenscheinlich auf die Kernbedeutung des Wortes "präsent", nämlich einfach anwesend zu sein.
- Eine halbe Stunde lang stimmte der Rest der Nordkurve — allein im Unterrang stehen noch mehr als 13.000 weitere Fans — immer wieder Gesänge und Anfeuerungsrufe an, die sich auch entfalteten. Als die Mannschaft auf dem Rasen nach einer halben Stunde erste Probleme hatte, ließ jedoch auch die Unterstützung von den Rängen nach. Den Borussia-Park ergriff eine nervöse Unruhe, die am 32. Spieltag, wenn es um so viel geht, nicht allzu sehr überrascht.
- Die Pfiffe wurden erst nach dem 0:1 in der 57. Minute lauter, wobei man mal wissenschaftlich erheben müsste, wie viele Fans es letztendlich sind, die ihren Unmut auf diese Weise äußern. Ansonsten reicht es schon oft, wenn die Mehrheit der Zuschauer in verzweifeltes Raunen verfällt. Unterdessen prügelten sich sogar ein paar Borussia-Fans untereinander in Block 17.
- Als André Hahn in der Nachspielzeit traf, hatte sich das Stadion bereits auf eine Weise geleert, wie sie bei anderen Klubs gerne belächelt wird. Letztendlich waren Fans und Mannschaft am Samstag dann doch eine Einheit: Alle hatten große Probleme mit sich selbst, wobei nie zu entschlüsseln ist, wer den jeweils anderen dabei wie beeinflusst.
- Christoph Kramer lieferte zu dem Thema immerhin noch ein Zitat, das es in diverse Sammlungen zu dieser Saison schaffen dürfte: "Wenn sie entertained werden wollen, dann sollen sie am Samstagabend DSDS schauen, oder nach München ziehen."
Es geht am vorletzten Spieltag auf die letzte Reise der Saison, zum nächsten Angstgegner, was sich beim VfL Wolfsburg jedoch allein auf die Gastspiele in der Autostadt beschränkt. Seit 2003 hat Borussia dort nicht mehr gewonnen. Damals war es ein Sieg im Abstiegskampf, genauso wie der Erfolg im Jahr 1998, der das erste Gladbacher Nichtabstiegs-Wunder besiegelte. Gladbach benötigt sicherlich zwei Siege zum Abschluss, und man muss den Tabellenrechner beileibe nicht manipulieren, um Wege zu finden, die noch nach Europa führen. Die fünf Kandidaten, die schon gespielt haben, kommen bislang erst auf vier Punkte an diesem Spieltag. Herthas Niederlage sorgt zudem für ein Bild, das so gar nicht zur Gladbacher Stimmungslage nach dem Augsburg-Spiel passt: Der Rückstand auf den Fünften beträgt nur noch drei Punkte — so wenige waren es zuletzt Mitte Oktober nach dem siebten Spieltag.
Seit dem Pokal-Halbfinale vor knapp zwei Wochen hat sich kein weiterer Borusse verletzt und durch Christoph Kramers Rückkehr hat sich der Verletztenzähler von seinem Jahreshoch verabschiedet. Allzu große Hoffnungen, dass Raffael oder Thorgan Hazard bald folgen, konnte und wollte Dieter Hecking nicht machen. "Wir werden alles versuchen, es noch hinzubekommen", sagte er, betonte aber erneut: "Wieder dabei sein, heißt nicht fit. Mich würde es erstmal freuen, wenn alle wieder am Training teilnehmen könnten." Den Schritt hat Fabian Johnson schon am Dienstag geschafft, Raffael folgte am Sonntag bei der Einheit der Reservisten.