Rückblick 1680 Tage Favre bei Borussia Mönchengladbach
Vom 14. Februar 2011 bis zum 20. September 2015 war Lucien Favre Trainer bei Borussia Mönchengladbach. Eine Chronologie seiner 1680 Tage am Niederrhein.
Er kam so, wie er ging, und doch war alles anders, als Favre an einem Montag vorgestellt wurde. Borussia war Letzter und scheinbar dem Abstieg geweiht. Der erste Satz des Schweizers im Amt: „Wenn du eine Möglichkeit hast, in Deutschland zu trainieren, musst du sie nehmen.“
Das erste Spiel brachte gleich den ersten Sieg, ein 2:1 gegen den FC Schalke. Doch der Aufwärtstrend trug die Borussia nicht näher ans rettende Ufer heran.
Im Gegenteil: Ein Eigentor von Logan Bailly gegen den 1. FC Kaiserslautern schien den Abstieg bereits Mitte März zu besiegeln. Borussia hatte acht Spieltage vor dem Ende fünf Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz.
Doch nach einer weiteren Niederlage beim FC Bayern drehte die Borussia auf und holte die nötigen Punkte, um sich in die Relegation gegen den VfL Bochum zu retten.
Im Hinspiel hatte Igor de Camargo in der 93. Minute das siegbringende 1:0 geschossen. Mehr Ekstase hat es bis heute im Borussia-Park nicht gegeben. Ein 1:1 im Rückspiel nach einem Tor von Marco Reus genügte dann.
Aus dem Nichtabstiegswunder entstand etwas Großes. Am ersten Spieltag der Saison 2011/12 gelang dem VfL ein Überraschungssieg beim FC Bayern. Nach drei Spielen war der Klub sogar Tabellenführer.
Der Höhenflug von „Borussia Barcelona“ führte dauerhaft in die Spitzengruppe der Bundesliga. Marco Reus, Patrick Herrmann, Juan Arango und Mike Hanke verzückten Fans und Medien. Zum Rückrundenauftakt gab es einen weiteren Erfolg gegen die Bayern.
Im März 2012 machte Gladbach den vierten Platz mit einem Last-Minute-Erfolg bei Bayer Leverkusen so gut wie klar. Der sonst häufig reservierte Favre stürmte im Jubel enthemmt zur Eckfahne, um mit seinen Spielern zu feiern.
Schweißtreibendes Lachen: Das beschrieb zum Ende seiner ersten kompletten Spielzeit in Gladbach gut die Gefühlslage. Der Einzug in die Play-offs zur Champions League bedeutete die beste Platzierung seit 16 Jahren.
Aber mit den Abgängen von Reus (18 Tore), Roman Neustädter und Dante verlor Favre das Gerüst seines Teams. „Das ist so, als würde der FC Barcelona Messi, Xavi und Piqué verlieren“, wiederholte der Trainer mantramäßig.
Mit den Rekord-Neuzugängen Álvaro Dominguez, Granit Xhaka und Luuk de Jong (obere Reihe) absolvierte die Borussia die Play-offs zur Champions League gegen Dynamo Kiew. Nach einem 1:3 im eigenen Stadion und einem 2:1-Auswärtssieg ging es in die Europa League.
Dort misslang der Start, gleichzeitig schlitterte Favre mit der Borussia auch in der Bundesliga in seine erste echte Krise. Es gab unter anderem ein 0:5 bei Borussia Dortmund, ein 2:4 gegen Fenerbahce Istanbul und ein 0:4 bei Werder Bremen.
Die Wende leitete unter anderem ein 3:2-Erfolg bei Hannover 96 ein, als die Borussia einen Zwei-Tore-Rückstand binnen wenigen Minuten drehte. Damals behielt der Klub die Ruhe, ließ Favre an den nötigen Stellschrauben drehen, um die Mannschaft wieder in sichere Gefilde zu führen.
So durfte der Klub bereits zur Winterpause 2012/13 wieder von Europa träumen – und verkaufte sich dort in der Praxis ordentlich. Endstation war Lazio Rom in der Runde der letzten 32 Mannschaften, vor 10.000 mitgereisten Fans.
Die Borussia schloss die Spielzeit auf Rang acht ab. Das Übergangsjahr konnte rückblickend als Erfolg bezeichnet werden.
Mit neuen Spielern wie Max Kruse, Christoph Kramer und Raffael schaffte der Klub in der Saison 2013/14 unter Favre den nächsten Entwicklungsschritt. An dessen 56. Geburtstag gelang ein 2:0 beim Hamburger SV, es folgten vier weitere Siege. Gladbach überwinterte auf Platz drei.
Ausgerechnet nach dieser Serie gewann die Borussia neunmal in Folge nicht. Und wieder galt: Die Verantwortlichen um Sportdirektor Max Eberl behielten die Ruhe. Mit einem 2:1 bei Borussia Dortmund gelang Mitte März 2014 die Wende.
Nach einem 1:0 beim FC Schalke am 32. Spieltag war der Borussia die Qualifikation für die Europa League kaum noch zu nehmen. Im folgenden Heimspiel sicherte die Mannschaft den sechsten Platz.
So ging Favre im Sommer 2014 bereits in seine vierte Saisonvorbereitung. Diese Kontinuität hatte es am Niederrhein seit Ewigkeiten nicht gegeben.
In den Europa-League-Play-offs schaffte die Borussia gegen Sarajevo souverän den Einzug in die Gruppenphase. Die Mannschaft blieb in den ersten 18 Pflichtspielen der Saison ungeschlagen und knackte einen alten Rekord aus der Zeit unter Hennes Weisweiler.
Da ließ sich Favre Anfang November sogar zu einem seiner seltenen Auftritt vor der Nordkurve hinreißen. Viereinhalb Jahre galt in Gladbach: Klatscht der Schweizer in seiner unnachahmlichen Art in die Hände, ist die Welt in Ordnung.
Ein 45-Meter-Eigentor von Kramer in Dortmund beendete die Rekordserie. Es folgte ein kurzes, aber nicht nachhaltiges Tief.
Besonders emotional war der Derbysieg gegen den 1. FC Köln am 14. Februar 2015 durch Xhakas spätes Tor.
Theoretisch hätte Favre also durchapplaudieren können. Zwar war in der Europa League, diesmal beim FC Sevilla, wieder in der Zwischenrunde Schluss und im Pokal gab es das enttäuschende Viertelfinal-Aus bei Drittligist Arminia Bielefeld. Mit neun Siegen, zwei Unentschieden und keiner Niederlage stürmte die Borussia bereits am 33. Spieltag in die Champions League.
Noch niemand ahnte, dass das 2:0 bei Werder Bremen Favres letzter Sieg bleiben sollte. Nach dem 1:3 gegen den FC Augsburg am letzten Spieltag ließ er sich trotzdem zum Feiern überreden.
In der Vorbereitung auf die Saison 2015/16 verblüffte der Schweizer viele mit seiner guten Laune. Favre schien motiviert, nach den Abgängen von Kruse und Kramer den nächsten Neuanfang zu bewältigen.
Dass Favre nach der 0:1-Niederlage beim 1. FC Köln hinschmeißen würde, ahnte am Morgen des 20. September noch niemand. Der 1680. Arbeitstag bei der Borussia war sein letzter. Er ging zwar nicht auf ruhmreiche Weise, aber als einer der größten Trainer der ruhmreichen Gladbacher Historie.
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