Borussias Yann Sommer im Interview „Ich möchte unbedingt in die Champions League“

Exklusiv | Mönchengladbach · Borussias Torwart Yann Sommer spricht im Interview über schwierige Wochen, Torflauten, den anstehenden Trainerwechsel und das Ziel, etwas Großes zu erreichen.

Borussia ist ein wenig im Vakuum, zwischen den Zielen dieser Saison und einem Umbruch zur nächsten. Wie fühlt sich das an?

Sommer Erst einmal ist wichtig, dass wir die Dinge, die die nächste Saison betreffen, gar nicht im Kopf haben. Wir haben eine turbulente und emotionale Woche erlebt. Jetzt haben wir gesagt: Das Kapitel mit den ausstehenden sechs Spielen wollen wir erfolgreich beenden, um dieses große Ziel zu erreichen. Alles andere, was danach kommt und sich entwickeln kann, wissen wir erstens nicht und darf uns zweitens noch nicht tangieren.

Marco Rose wird der neue Trainer. Haben Sie sich als Team schon mit ihm beschäftigt? Ihn mal gegoogelt?

Sommer Das habe ich gar nicht gemacht. Das macht auch keinen Sinn. Wir brauchen zu viel Energie für den Moment, als dass wir an andere Dinge denken könnten. Klar wird da viel Neues kommen, klar wird da ein Umbruch stattfinden, aber das ist im Fußball immer so, und das werden wir dann miterleben, wenn er kommt. Natürlich interessiert es uns, wer der neue Cheftrainer wird, aber für den Moment spielt das keine Rolle.

Also sind Sie weiter auf das „von Spiel zu Spiel“ fokussiert?

Sommer Wir haben selber einen anderen Anspruch an uns als das, was in den letzten drei, vier Wochen gewesen ist. Da haben wir zum Teil auch einfach nicht gut gespielt, wie in Düsseldorf, das war wirklich keine gute Leistung von uns. Dann kam die Woche mit den ganzen Themen um den Coach und so weiter. Da haben wir als Mannschaft mit unserem Staff gesagt: Wir schätzen es sehr, dass Dieter Hecking mit uns die letzten Spiele bestreitet. Er hat ja auch gesagt, dass er sich das überlegt hat. Jetzt hauen wir in die letzten Spiele noch einmal alles rein. Ich fand, dass wir am Sonntag gegen Bremen schon eine echt gute Reaktion gezeigt haben als Mannschaft nach emotional echt schwierigen Wochen. Es sind immerhin auch viele Spieler dabei, die das noch nie erlebt haben.

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Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Können Sie beschreiben, wie die Stimmung in der Kabine war, als es hieß, dass Dieter Hecking gehen muss?

Sommer Die Stimmung war natürlich nicht gut. Erstens waren wir sehr enttäuscht nach der Leistung von Düsseldorf. Wir haben uns ja am Sonntag danach zum Brunch getroffen, das war schon länger geplant, der Coach hatte uns eingeladen. Das war echt schön. Da haben wir erst einmal die Niederlage verarbeitet, die an uns auch nicht spurlos vorbeigegangen ist, weil es echt einfach keine gute Leistung war. Dann kam das Thema mit dem Coach – natürlich ist die Stimmung da nicht gut. Man hat zweieinhalb Jahre mit jemandem zusammengearbeitet, den man als Mensch und als Coach sehr schätzt. Aber wenn der Verein diese Entscheidung getroffen hat, hat er sich ja vorher Gedanken gemacht, wie es mit dem Klub weitergeht, und das muss man akzeptieren. Aber trotzdem: Man hat zweieinhalb Jahre zusammengearbeitet, und es wäre ja komisch, wenn das einfach so spurlos an einem vorbeigehen würde.

Hat man da als Mannschaft ein schlechtes Gewissen?

Sommer Ein schlechtes Gewissen nicht, schließlich hat Max (Eberl, Sportdirektor, Anm. d. Red.) ja auch gesagt, dass es nichts mit der aktuellen Situation zu tun hatte. Nein, als Mannschaft macht man sich nicht diese Gedanken, wir waren einfach enttäuscht, wie wir die letzten Wochen gespielt haben. Dass wir zu wenig Punkte geholt haben und zu wenig aus den Spielen herausgeholt haben, was unsere Leistung angeht.

Können Sie erklären, was der Unterschied zwischen der Hin- und der Rückrunde ist?

Sommer Wenn ich das erklären könnte… Man muss die einzelnen Spiele anschauen. Was wir ein bisschen vernachlässigt haben als Mannschaft, waren vielleicht die Details im Spiel. Wenn man das Bremen-Spiel sieht: Da waren wir richtig griffig, waren in den Zweikämpfen drin, haben zweite Bälle gewonnen. Wir waren aktiv und präsent auf dem Platz. Das haben wir in den letzten Wochen ein bisschen vermisst bei uns. Gegen Berlin oder Wolfsburg waren wir zwar anfangs gut im Spiel, haben viel investiert, aber die Tore nicht gemacht. Dann kam vielleicht ein Moment, in dem Verunsicherung aufkam, weil wir uns für den Aufwand nicht belohnt haben. Und da waren wir einfach sehr passiv, sehr weit weg von den Leuten – und dann muss ich niemandem erklären, wie es dann in der Bundesliga läuft. Die Gegner machen es inzwischen auch gut gegen uns. Daran mussten wir uns in der Rückrunde auch erst gewöhnen. Man ist immer selber Schuld an der Situation, in der man steckt. Auch wenn unsere immer noch sehr gut ist.

Was sagt es über Borussia aus, dass man sich als Tabellenfünfter vom Trainer trennt? Ist das ein Zeichen, dass der nächste Schritt unbedingt kommen soll?

Sommer Das kann sein. Es zeigt aber einfach in dieser Saison, dass wir eine überragende Vorrunde gespielt haben. Dieses Polster, das wir uns da erarbeitet haben – hätten wir das nicht, würde die Situation anders aussehen. Es bringt aber nicht viel, darüber zu sprechen, wie die letzten vier Wochen liefen. Auch nicht intern. Wir müssen einfach einen Cut machen: Jetzt haben wir noch sechs Spiele, und in denen wollen wir alles raushauen.

Dass die Saison so gut gelaufen ist, lag auch an Ihnen. Sie haben bislang elfmal zu Null gespielt, das ist ein Bundesligarekord für Sie. Im Torwartteam wurde aufgestockt, Steffen Krebs kam zu Uwe Kamps dazu. Hat Ihnen das dabei geholfen?

Sommer Sicher auch. Mit Steffen haben wir jemanden bekommen, der neue Ideen mitgebracht hat. Jeder Torwarttrainer hat einen anderen Stil. Ich arbeite sehr gern mit ihm zusammen und habe viel neuen Input bekommen. Es ist sehr ähnlich vom Stil, wie ich es aus der Schweizer Nationalmannschaft kenne. Das ist auch sehr wertvoll für mich. Das hat einen Einfluss, aber es hat auch einen Einfluss, wie wir als Mannschaft Fußball spielen. Das gibt einem Torwart auch immer Sicherheit. Gerade dann, wenn wir so verteidigen und spielen wie in der Vorrunde. Ich fühle mich gut, ich habe bis jetzt eine sehr tolle Zeit in Gladbach.

Man kann daraus schließen, dass die Ausweitung des Torwarttrainer-Teams Vorbild sein kann für den gesamten Verein.

Sommer Das ist eine Entscheidung des Klubs. Bei uns im Torwartteam hat es sehr gut getan, dass Steffen dazugekommen ist. In allen anderen Bereichen müssen das andere Leute beurteilen.

Aber Sie können beurteilen, warum Borussia in der Rückrunde weniger Tore schießt. Nur elf sind es bisher, das ist recht dünn.

Sommer Ich weiß. Das hat sicher damit zu tun, dass wir in vielen Spielen oft zu wenig Präsenz im Sechzehnmeterraum haben. Das ist wie beim Torwart auch: Wenn es in der ganzen Mannschaft nicht läuft, läuft es auch auf einzelnen Positionen nicht mehr so. Wir haben als Mannschaft die Stürmer nicht mehr so in Positionen gebracht, in denen sie Tore schießen können. Das ist natürlich schwierig, wenn man immer hofft, dass einer den Ball aus 30 Metern in den Winkel schlenzt. Wir als Mannschaft sind verantwortlich dafür, dass wir unsere Spieler vorne auch in Situationen bringen, in denen sie treffen können, dass sie Eins-gegen-Eins gehen können, dass sie auch mal einfach einen Abstauber haben können, dass wir gute Rückpässe von der Grundlinie spielen, dass wir in die Tiefe gehen und die Räume aufmachen. Das sind alles Dinge, für die wir als Mannschaft verantwortlich sind.

Können Sie den Stürmern Tipps geben?

Sommer Nein, das würde ich mir auch nie anmaßen. Ich würde auch nicht verstehen, wenn mir zum Beispiel Alassane Plea sagt, was ich im Tor zu tun habe (lacht). Nein, wir haben eine sehr gute Offensive mit viel Qualität. Bei der Offensive muss man aber eigentlich von elf Leuten sprechen: Das fängt bei mir hinten an, wie ich den ersten Aufbau mache, und hört vorne beim Stürmer auf.

Das System hat sich gegen Bremen ein wenig geändert, das 4-3-3 wurde modifiziert. War das notwendig?

Sommer Ich fand es sehr gut. Es war ein neuer Impuls und hat uns gut getan für den Kopf. Und es war auch für den Gegner neu – man hat gemerkt, dass die Gegner in den letzten Wochen wussten, wie wir spielen, was aber auch normal ist, weil sie ja wie wir auf den Gegner vorbereitet werden. Aber es war wichtig, mal etwas Neues zu versuchen. Es gibt andere Laufwege in einem neuen System, und man hat gemerkt, dass der Gegner Schwierigkeiten hatte, uns gut zuzustellen. Dann hat man das Ziel eines Systemwechsels schon erreicht, wenn man den anderen Trainer und die gegnerische Mannschaft überrascht hat.

Wie viel ist System und wie viel Interpretation des Systems oder Einstellung?

Sommer Man hat ja auch nach dem Düsseldorf-Spiel über Einstellung gesprochen. Was ich sagen kann, und das mit sehr gutem Gewissen: Diese Mannschaft hat nie ein Einstellungsproblem gehabt. Warum soll auf einmal die Mentalität einer Mannschaft weg sein? Die Mannschaft hat eine große Mentalität. Natürlich: Wenn der Trainer ein System vorgibt, sind wir dafür verantwortlich, wie wir es ausfüllen, mit welcher Kreativität wir es gestalten und was wir da reinbringen. Der Trainer gibt eine Schablone vor, und wir bringen die Kreativität auf den Platz. Das ist in den letzten Wochen vielleicht nicht immer so ausgegangen, wie wir uns das vorstellen.

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Hecking leitet Borussia-Training

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Foto: Dirk Päffgen

Hat sich Borussia vielleicht zu klein gemacht in der Außendarstellung? Bei Borussia Dortmund war es ähnlich, dass man lange nicht von der Meisterschaft geredet und dabei ein großes Polster verspielt hat.

Sommer Wir haben einfach aus der letzten Saison gelernt, dass es uns nichts gebracht hat, so oft über die internationalen Plätze zu sprechen. Das haben wir letztes Jahr oft gemacht, aber es hat uns nichts gebracht, weil wir darüber ein bisschen vergessen haben, dass wir jedes Wochenende auf dem Platz die drei Punkte holen müssen, damit du am Ende diese Ziele erreichen kannst. Natürlich geht man als Mannschaft in eine Saison und sagt, dass man das Maximum rausholen möchte. Was ist das Maximum? Das wäre Meister, Champions League und DFB-Pokalsieg. Man will immer das Maximum rausholen. Es bringt nur nicht viel, nach vier, fünf Spielen oder auch nach zehn Spielen zu sagen: „Wir greifen jetzt die Champions League an!“ Davon bin ich kein Freund. Ich bin eher ein Freund davon zu sagen: „Wir gehen step by step, wollen jedes Wochenende eine Top-Leistung bringen, damit wir am Ende das große Ziel erreichen.“ Aber jetzt sind es noch sechs Spiele und natürlich spielen wir jetzt um die Champions League. Ich möchte unbedingt mit dieser Mannschaft nächstes Jahr in der Champions League spielen. Das wird ein harter Brocken Arbeit, weil die Gegner auch mitziehen, aber wir wollen das packen.

Wer in die Champions League will, muss in Hannover gewinnen.

Sommer Das sehe ich auch so. Hannover ist in einer sportlich schwierigen Situation, aber solche Gegner sind gefährlich. Wir müssen auch da eine Top-Leistung bringen, um da zu gewinnen, aber wenn wir noch in die Champions League wollen, müssen wir in den nächsten Wochen punkten.

Gibt es da eine interne Rechnung, wie viele Punkte Borussia noch braucht?

Sommer Nein. Das ist auch so etwas: Wir müssen spielen, einfach spielen, und dann macht man am Ende einen Strich und schaut, was rausgekommen ist. Es bringt auch nichts, auf die Konkurrenz zu schauen. Wir probieren jetzt einfach, in Hannover zu gewinnen. Dann kann man vielleicht einen kurzen Blick auf die Tabelle werfen, aber dann geht es auch wieder weiter.

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