Borussia-Keeper muss Spiel anpassen Yann Sommer braucht Libero-Qualitäten

Rottach-Egern · Borussias neuer Trainer Marco Rose lässt gerne hoch verteidigen. Auch für Torwart Yann Sommer bringt das Veränderungen mit sich. Der Keeper wird nun auch mehr außerhalb des Strafraums arbeiten müssen.

 Yann Sommer beim Training mit Borussia Mönchengladbach in Rottach-Egern.

Yann Sommer beim Training mit Borussia Mönchengladbach in Rottach-Egern.

Foto: Jens Dirk Päffgen

Die „Revolution“ lässt sich im Fall von Yann Sommer in Metern bemessen. Der Mann ist Torwart und angestellt bei Borussia Mönchengladbach. Dort ist Marco Rose der neue Trainer und soll einen neuen spielerischen Ansatz installieren. Die Welt schaut gespannt auf Rose und seinen ersten Job in der Bundesliga, schließlich ist er laut Jürgen Klopp, dem Champions-League-Sieger, der „Gehypteste von allen“ im Trainer-Segment. Rose selbst will so große Worte gar nicht hören, er will auf dem Platz schönen, offensiven Fußball spielen lassen. Dazu gehört in seiner Philosophie das „hohe Vereidigen“ und „Pressen“, sprich: Die Abwehr schiebt sich weit nach vorn, um den Gegner früh unter Druck zu setzen. womit wir bei Yann Sommer sind.

„Wenn sich die Abwehr nach vorn schiebt, wird der Abstand zwischen der Abwehrkette und dem Torwart natürlich größer und es entstehen Freiräume, die man als Torwart auch im Blick haben muss“, sagt Steffen Krebs, der sich mit Uwe Kamps um die Torhüter der Gladbacher kümmert. „Es wird vermutlich mehr Situationen geben, in denen Yann auch mal vor dem Strafraum klären muss, wenn der Ball hinter die Ketten gespielt wird“, sagt Kamps. Solche „Schnittstellenbälle“ (Krebs) zwischen die Abwehrkette und die Strafraumgrenze gab es bis hierhin seltener in Gladbach, weil mehr aus der Tiefe heraus verteidigt wurde.

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Sommer muss künftig bisschen mehr Libero sein als bisher, also auch mal den Ausputzer geben, wenn ein gegnerischen Angreifer durchkommt. „Das Risiko nehmen wir auf uns, wenn wir höher verteidgen“, sagt Innenverteidiger Nico Elvedi. „Ich muss meine Position daher etwas höher stellen, wenn die Jungs sich vorschieben“, weiß Sommer. Fünf bis zehn Meter sind das vermutlich im realen Leben, und das nicht ständig und über 90 Minuten, sondern immer dann, wenn der Augenblick günstig ist, um nach vorn zu verteidigen und zu pressen.

Damit wäre die Revolution am Niederrhein beschrieben, die das Fachmagazin „Kicker“ zu Recht eher als „Evolution“ beschreibt: Es wird nicht alles anders, sondern es kommt etwas dazu. „Wir werden ja immer noch probieren, viel den Ball zu haben. Und wir haben ja auch vorher schon Phase gehabt, in denen wir mit Power und Tempo Gegenpressing gespielt haben“, sagt Sommer. Für ihn ist es eine Ergänzung seines Repertoirs und passt genau in sein Selbstverständnis. „Da kann ich mich gut adaptieren. Ich bin ja vom Typ her eher ein offensiver Torwart, darum liegt mir das Spiel“, sagt Sommer.

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Foto: Dirk Päffgen

„Viele meiner jungen Kollegen spielen offensiv und spielen mit“, sagt er. Seine Torwarttrainer werden ihn mit Videomaterial auf die möglichen neuen Situationen vorbereiten. „Wir werden mit Yann viele Szenen auch aus internationalen Spielen durchgehen, um die Situationen, die entstehen können, zu analysieren und zu trainieren“, sagt Krebs. Prototyp des Libero-Torwart in der Bundesliga ist sicherlich der Leipziger Peter Gulacsi, der wegen der extremen Pressing-Idee seines Klubs eigens gescoutet wurde als ein Torhüter, der hinter einer weit vorgerückten Abwehr Bälle abfängt, wenn es nötig ist. „Aber das kann Yann auch“ stellt Kamps klar.

Sommer gehört sicherlich zu den fußballerisch besten Tormännern in Europa. Vor allem aber beherrscht er das Grundhandwerk seines Berufszweigs exzellent. In der vergangene Saison hielt er in 13 Spielen die Null fest, nur Gulacsi hatte eine bessere Quote. Damit war Sommer mit seinen konstant hochwertigen Leistungen ein wesentlicher Faktor für die Europa-Rückkehr der Borussen. Nun arbeitet er daran, auch in der kommenden Saison und im neuen System weiterhin Schweizer Wertarbeit zwischen den Pfosten abzuliefern.

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Foto: dpa/Matthias Balk

Für Sommer sind, was das Studium der neuen Anforderungen angeht, vor allem die Testspiele wichtig. Beim 0:1 gegen Augsburg im Finale des Mini-Turniers in Heimstetten gab es einen dieser Schnittstellenbälle, doch kam der so „fies“, dass Sommer keinen Möglichkeit hatte, als Libero tätig zu werden. Beim Eins gegen Eins zog er gegen Maurice Malone des Kürzeren, Augsburg siegte 1:0. Am Samstag ist das nächste Spiel, dieses mal geht es in Rottach-Egern gegen den spanischen Zweitligisten Rayo Vallecano. „Es braucht Zeit, bis wir alles voll drin haben, was der Trainer von uns erwartet. Für diesen Spielstil muss man sehr schnell im Kopf sein, man muss in kurzer Zeit Entscheidungen treffen, als Feldspieler wie als Torwart. Testspiele eignen sich dafür, sich daran zu gewöhnen und einiges auszuprobieren“, sagt Sommer. Auch wenn die Gladbacher Revolution für Sommer vielleicht nur ein paar Schritte sind – es müssen die richtigen sein.

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