Borussias Jantschke im Interview „Klubs wie Leipzig und Hoffenheim bringen Qualität in die Liga“

Exklusiv | Mönchengladbach · Seit mehr als zehn Jahren spielt Tony Jantschke für Borussia Mönchengladbach. Im Interview spricht der Abwehrspieler über seine Rolle als Verteidiger 1b, die Situation von Borussia, das Spiel gegen Freiburg und nimmt Klubs wie Leipzig und Hoffenheim in Schutz.

 Tony Jantschke (rechts) im Gespräch mit Nico Elvedi.

Tony Jantschke (rechts) im Gespräch mit Nico Elvedi.

Foto: Dirk Päffgen

Als am Dienstag der neue Fohlenstall eröffnet wurde, war Tony Jantschke auch da. Schließlich war er einige Jahre selbst Internatsschüler bei Borussia. Darüber, sein Comeback in Mainz, Borussias Situation und seine Meinung zu den sogenannten Plastikklubs sprechen Sebastian Hochrainer und Karsten Kellermann mit dem Verteidiger.

Herr Jantschke, unter der Woche wurde das neue Internat, der Santander Fohlenstall, offiziell eröffnet. Was bedeutet das für den Klub?

 Tony Jantsche, hier als Vorbild im Fohleninternat.

Tony Jantsche, hier als Vorbild im Fohleninternat.

Foto: Dirk Päffgen

Tony Jantschke Für Borussia ist das ein riesiger Schritt. Man sieht, dass an alles gedacht wurde, den Jungs fehlt es an nichts. Die enge Verbindung zur Internatsfamilie Lintjens, die kurzen Wege zum Training, die Schulbetreuung – eine tolle Sache.

Vom neuen Fohlenstall blicken die Talente direkt auf den Borussia-Park und sie begegnen den Profis auf dem Gelände immer wieder.

Jantschke Ich kenne das ja selbst noch aus meiner Zeit im früheren Borussia-Internat. Als ich das erste Mal in den Borussia-Park kam, da war ich gerade 16 Jahre alt, lief mir Marcell Jansen über den Weg, der gerade Nationalspieler geworden war. Als Profi nimmt man das nicht so wahr, aber als junger Spieler ist das genial, wenn die Profis einem wöchentlich über den Weg laufen. Das macht was aus. Du hast immer dein Ziel vor Augen, genau wie mit dem Blick auf das Stadion.

Mit ihnen hat Borussia in Mainz nach vier nicht gewonnenen Partien wieder einen Sieg eingefahren. Ist damit die schwierige Phase in dieser Saison nun vorbei?

Jantschke Das kann ich leider nicht sagen. Es wäre natürlich schön, wenn es so wäre und ich sagen könnte, wir gewinnen nun auf jeden Fall gegen Freiburg. Aber man sieht ja jede Woche, dass die Bundesliga nicht vorhersehbar ist. Ich hoffe natürlich, dass wir den Trend auf unsere Seite gezogen haben.

Haben Sie in der Kabine eine Art Aufatmen bemerkt?

Jantschke So würde ich es nicht nennen, aber wir waren schon erleichtert, auch wenn wir wussten, dass es nicht unser bestes Spiel war. Aber jeder Sieg ist super, egal ob er glücklich ist. Ich werde mich nie für einen Sieg entschuldigen. Das war wichtig, aber wir haben keine La Ola in der Kabine gemacht.

Das klingt recht nüchtern nach den bitteren Erlebnissen.

Das ist Tony Jantschke  von Borussia Mönchengladbach
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Das ist Tony Jantschke

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Foto: Dirk Paeffgen/Dirk Paeffgen (dirk)

Jantschke Es ist eine große Stärke des Vereins, dass alle auch in schwierigen Situationen ruhig bleiben, Borussia ist einfach gefestigt. Egal, mit wem du redest, ob aus dem Präsidium, dem Vorstand, bei keinem spürt man eine Verunsicherung und das färbt total auf die Mannschaft ab.

Ihr Trainer Dieter Hecking sagt, Sie sind sein Verteidiger 1b.

Jantschke Wir haben trotz der  letzten Heimspiele eine der besten Abwehrreihen der Liga. Mit Matthias Ginter spielt da ein deutscher Nationalspieler, mit Nico Elvedi ein Schweizer Nationalspieler, der jung ist und eine brutal gute Saison spielt. Derzeit bin ich dahinter die Nummer drei. Ich werde trotzdem immer Gas geben und alles reinwerfen. Dennoch hoffe ich, möglichst oft zum Einsatz zu kommen.

Was aber schwer wird, wenn Ginter zurückkehrt und Elvedi gesund bleibt.

Jantschke Da mache ich mir keine Illusionen. Die Position des Innenverteidigers ist auch eine, auf der nicht so häufig gewechselt wird. Aber ich werde vom Verein nicht fürs Rumheulen bezahlt, sondern dafür, dass ich meinen Job erledige. Das versuche ich immer bestmöglich.

Also müssen wieder mehr Englische Wochen her.

Jantschke Wir sind alle Freunde von Englischen Wochen, wir haben es sehr genossen, europäisch zu spielen. Und es wäre schön, wenn wir das wieder schaffen. Aber vom Reden allein ist noch niemand da reingerutscht.

Sie sind selbst ein erfahrener Spieler und betonen immer wieder, dass Sie Erfahrung in einer Mannschaft als wichtig erachten. Wie sehen Sie die Ausbootung von Mats Hummels, Jerome Boateng und Thomas Müller durch Bundestrainer Joachim Löw?

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Foto: Rheinische Post/Dirk Päffgen

Jantschke Dazu werde ich mich nie detailliert äußern, weil jedes Team einen Trainer hat, der Entscheidungen treffen muss und dafür die Verantwortung trägt. Ich finde nur grundsätzlich, fernab von diesen drei Spielern, dass es nicht jung oder alt, sondern nur gut oder schlecht gibt. Wer die besten Leistungen bringt, sollte spielen.

Ist das auch so bei Dieter Hecking?

Jantschke Davon gehe ich fest aus. Und dann ist es wichtig, dass man die Entscheidungen des Trainers, egal ob man sie versteht, akzeptiert. Einer hat die Verantwortung, das ist der Trainer. Er entscheidet nach bestem Wissen und Gewissen und wird keinen Spieler, der schlecht spielt, aufstellen, weil er ihn gut leiden kann. Er stellt das für ihn beste Team auf, weil auch sein Kopf daran hängt.

Was wird wichtig sein für das Spiel gegen Freiburg?

Jantschke Dass wir gewinnen, auch wenn es schwer wird. Dabei ist es egal, wie wir das machen. Wir können natürlich sagen, wir wollen gut spielen, aber wenn wir dann das Spiel wieder vergeigen, sind mehr Leute sauer als wenn wir wieder dreckig mit 1:0 gewinnen.

Wird diese Heimserie der letzten drei Spiele (0:3 gegen Berlin und Wolfsburg, 1:5 gegen München) belastend sein?

Jantschke Im Kopf sicherlich, wir sind schließlich auch nur Menschen. Aber wir sind alle lange genug dabei und viele von uns haben schon wesentlich schlimmere Phasen wie den Abstiegskampf erlebt, wo der Druck viel größer ist.

Borussia ist nach wie vor Vierter. Hätten Sie so etwas erwartet, als Sie 2008 Ihr erstes Bundesligaspiel gemacht haben?

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Borussias Eigengewächse aus dem Fohlenstall

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Foto: AFP/UWE KRAFT

Jantschke Auf keinen Fall. Es ist Wahnsinn, was bei Borussia entstanden ist. Das sage ich auch oft auf Fantreffen, wenn es um Vereine wie Leipzig, Leverkusen, Hoffenheim oder Wolfsburg geht. Wir sollten immer auf Borussia gucken, auf das was entstanden ist. Vor kurzem das Hotel mit dem Rehazentrum, den Ärztepraxen, dem Museum und der Fohlenwelt, jetzt der Fohlenstall, daneben der Campus. Und ich bin stolz, ein Teil dessen zu sein und vielleicht einen kleinen Teil dazu beigetragen zu haben.

Sie sind einer der ganz wenigen Spieler in der Bundesliga, die ihrem Verein die Treue gehalten haben.

Jantschke Das sehe ich als etwas Besonderes an. Ich hätte aber auch gerne Erfahrungen bei anderen Klubs im In- oder Ausland gemacht.

Warum hat das nicht geklappt?

Jantschke Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Ich war hier immer erfolgreich, habe gespielt, mir einen Status erarbeitet und kenne die Leute. Ich hatte nie das Gefühl, den Verein verlassen zu wollen. Und andersrum hat der Klub wohl auch nie diese Meinung gehabt.

Ist denn Borussia ohne Tony Jantschke noch denkbar?

Jantschke Das geht immer. Der Verein hat schon viele Spieler abgegeben, die wichtiger als ich waren. Es geht um mehr als den einzelnen Spieler. Nach mir wird es bestimmt wieder jemanden geben, der ewig bei Borussia bleibt. Das ist kein Klub, den man schnell wieder verlassen will. Ich würde auch gerne noch so lange wie möglich hier bleiben. Aber man weiß nicht, was der Verein sich in zwei Jahren, wenn mein Vertrag ausläuft, vorstellt und auch nicht, wie meine Meinung dann sein wird.

Sie haben vorhin Klubs wie Leipzig und Hoffenheim angesprochen. Stören Sie diese Klubs?

Jantschke Überhaupt nicht. Sie bringen Qualität in die Bundesliga, auch Geld. Und zwar kein sinnloses Geld, sondern da stecken Konzepte dahinter. Bei Hoffenheim verstehe ich bis heute nicht, warum Dietmar Hopp beschimpft wird. Wenn man sieht, was er für eine Region mit seinem selbst verdienten Geld getan hat, bleibt mir nur, ihm ein riesiges Lob auszusprechen. Ich würde mir wünschen, dass es mehr solcher Leute gibt. Und aus Leipzig bekomme ich auch mit, was das für die Region bedeutet. Das ist eine Fußballstadt, die ist nicht immer leicht hatte und dann Glück mit RB hatte. Das wird total angenommen und alle sind friedlich im Stadion. Sie verfolgen ein Konzept mit jungen Spielern,  es gibt auch dort überhaupt nichts zu kritisieren.

Eine sehr vernünftige Einstellung.

Jantschke Auch wir haben große Sponsorenverträge. Wir haben nur eine Sache, die diese Vereine noch nicht haben: eine Tradition. Die sollten wir wertschätzen anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen und zu sagen, was dort nicht in Ordnung ist. Wen interessiert das? Wenn wir unsere Arbeit gut machen, haben wir immer eine Chance. Und kein Traditionsverein hat das Recht auf einen Platz da oben, nur weil er eine Tradition hat. Es kommt auf die Leistung an. Und hier bei Borussia ist uns das in den vergangenen Jahren gelungen, deswegen stehen wir jetzt dort.

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