Borussias Topscorer Hazard hält sein Versprechen
Mönchengladbach · Borussias belgischer Angreifer hat in dieser Saison den angekündigten nächsten Schritt gemacht. Er ist cooler vor dem Tor. Sein Marktwert ist auf 38 Millionen Euro gestiegen. Gladbach sollte alles tun, ihn langfristig zu binden.
Gleich neben dem Stadion von 1899 Hoffenheim in Sinsheim ist das Technik-Museum. Zwei Überaschallflugzeuge ragen mit der spitzen Schnauze voran in den Himmel. Dass es dort auch eine Zeitmaschine gibt, ist indes nicht bekannt. Thorgan Hazard allerdings, angestellt als Offensivmann bei Borussia Mönchengladbach, war am Samstag, als er mit seinem Team bei den Hoffenheimern antrat, für einen Moment ein Zeitreisender. Tobias Strobl, der defensive Mittelfeldspieler, hatte ihn mit einem ebenso weiten wie präzisen Pass auf die Reise geschickt, Hazard kam in halbrechter Position frei zum Abschluss, beförderte den Ball jedoch mit viel Geschwindigkeit, aber ohne Genauigkeit in den Fangzaun hinter dem Tor. Dorthin flog auch sein arg pomadig ausgeführter Elfmeter beim 2:0 gegen Nürnberg. Hazard, der vor dem Tor Unvollkommene, das war ein roter Faden in der vergangenen Saison, und die beiden Szenen erinnerten daran.
Zehn Tore schoss Hazard in der Spielzeit 2017/18 in der Bundesliga, so viele wie nie zuvor. Er spielte fast immer, war also sehr stabil, und wurde am Ende für Belgiens WM-Reise nach Russland nominiert. Es war vieles gut in dieser Spielzeit für Hazard, und doch fiel sein Resümee durchwachsen aus. „Ich kann es besser“, sagte Hazard im Gespräch mit unserer Redaktion. Denn 50 Prozent seiner Tore waren Elfmeter, zudem stand seine Bilanz in keinem Verhältnis zu den Chancen, die er hatte. „Ich hatte in der Saison mehr Möglichkeiten als zuvor. Nun will ich mehr davon nutzen. Ich will mich immer verbessern, das ist mein Anspruch“, sagte Hazard. Er hält, was er versprochen hat: Er ist viel cooler geworden.
Neun Tore hat er in den ersten 16 Ligaspielen erzielt und sechs vorbereitet, dazu kommen drei Treffer im Pokal. Mit 15 Punkten ist er Borussias bester Scorer und die Nummer drei der Liga. Hazard ist somit der große Gewinner der Hinrunde. Sein geschätzter Marktwert lag im Sommer noch bei 22 Millionen Euro, stieg auf 25 Millionen und wurde zuletzt auf 38 Millionen angehoben. Er und Alassane Plea, der gegen Nürnberg auch sein neuntes Saisontor erzielte, sind die wertvollsten Borussen. Tatsächlich müssten Interessenten, und es gibt angeblich viele davon, unter anderem der kommende Gegner Borussia Dortmund, aber auch der FC Bayern München, wohl mehr als 50 Millionen Euro einplanen, wenn er den jüngeren Bruder des Chelsea-Superstars Eden Hazard kaufen wollte.
Hazard ist ständig Gegenstand von Spekulationen, sein Familienname hat einen guten Klang in der Szene, und seine Art zu spielen ist genau das, was gesucht wird. Ein schneller Außenstürmer, der auch noch Tore macht – da ist die Nachfrage groß. Dass Hazard indes auch für Gladbach einer ist, mit dem man gern die Zukunft planen würde, ist logisch. Man kann sich den dreifachen Familienvater durchaus als einen Fixpunkt des Teams der nächsten Jahre vorstellen. Mehr und mehr übernimmt er mit seinen nun 25 Jahren auch Verantwortung auf dem Platz und in der Kabine.
Gekommen ist er 2014 auf Leihbasis vom FC Chelsea, 2015 wurde er für acht Millionen Euro gekauft. Sein erster Trainer in Gladbach war Lucien Favre. Hazard war als Außenspieler eingeplant beim Schweizer, doch war Hazard noch unfertig und musste reinkommen in die Anforderungen der Bundesliga. „Das erste Jahr bei Borussia war schwer: ein neuer Klub, ein neues Land, ein ganz starkes Team. Dann wechselte der Trainer, ich musste drei, vier Monate auf meine Chance warten, dann habe ich im Zentrum gespielt. Jetzt bei Dieter Hecking bin ich immer dabei, das ist wichtig für mich“, sagte Hazard.
Bei Favre blieb er Lehrling, erst dessen Nachfolger André Schubert stärkte ihn als ein Drittel des Dreierangriffs jener Tage. Hazard ist nun die 10 bei Borussia. Im 4-3-3-System von Hecking ist er nun wieder Außenstürmer, „aber wir Angreifer sind näher am Tor, das ist gut für uns“, sagte Hazard. Er ist vor allem konkreter geworden. Jahr für Jahr verbesserte sich Hazard, nun macht er den nächsten Schritt: Unter Hecking ist er zum absoluten Leistungsträger geworden, zur Konstante, ob über links oder rechts, er ist immer effektiv und an einem Gros der Offensivaktionen beteiligt.
Fast muss man sagen: Borussia sollte alles tun, Hazard zu halten und um ihn herum die Zukunft zu planen. Das dürfte auch der Ansatz von Hecking sein, nur ein extrem unmoralisches Angebot dürfte dem im Weg stehen. Hazard hat sich seinen Status in Gladbach erarbeitet und hat einen Trainer, der ihn sehr schätzt – das sind Argumente, die er in seine Zukunftsplanung einbeziehen wird. Bis 2020 ist sein Vertrag datiert, in den ersten Monaten 2019 werden die Gespräche beginnen.
Am Freitag wird es wegen des vermeintlichen BVB-Interesses für Hazard quasi auch ein Vorspielen. Favre, der ihn als ungeschliffenen Rohdiamanten kennengelernt hat, wird den Aufstieg Hazards zum Führungsspieler verfolgt haben, Co-Trainer Manfred Stefes war sogar noch länger als der Schweizer nah dran, man wüsste also genau, was man bekommt beim BVB. In der vergangenen Saison, bei Gladbachs 1:6, gab es im früheren Westfalenstadion jedoch den Hazard zu sehen, der nun in Hoffenheim und beim Elfmeter gegen Nürnberg einer Zeitkapsel entstiegen zu sein schien: Zweimal tauchte er damals frei vor Roman Bürki auf, zweimal schoss er den Schweizer an, weil er zu fest und zu ungenau abschloss.
Dieses Mal sollte der BVB Hazard solche Freiheiten nicht gewähren. Denn gegen Nürnberg zeigte er die richtige Reaktion auf seine Fehlschüsse: Er erzielte das 1:0. „Wir sollten uns aber nicht auf den Toren ausruhen, die wir bereits erzielt haben. Ich denke, es ist noch Luft nach oben da, wir können noch weitere Treffer erzielen“, sagte Hazard. Da er ein Mann ist, der hält, was er verspricht, darf man das als Ansage für das Dortmund-Spiel und den Rest der Saison verstehen. Hazard hat noch viel vor.