„Gehe die Aufgabe mit äußerster Demut an“ Die „Neuen“ stellen sich auf Borussias Mitgliederversammlung vor

Mönchengladbach · Zwei neue Geschäftsführer, ein neuer Vize-Präsident, kein neuer Cheftrainer und kein Lucien Favre: Personalien prägten die Mitgliederversammlung am Montag im Borussia-Park. Trotz der Verluste liefern die Finanzzahlen Zuversicht.

Lucien Favre wird nicht Trainer von Borussia: "Mache mir ernsthaft Sorgen" - Netzreaktionen
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„Ich bin entsetzt und mache mir ernsthaft Sorgen“

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Foto: dpa/Jonas Güttler

Um 19.49 Uhr wurde es mucksmäuschenstill in der Südkurve des Borussia-Parks. Die Mitgliederversammlung lief bereits mehr als anderthalb Stunden, als ein Fan bei der traditionellen Aussprache den sprichwörtlichen Elefanten im Raum erstmals namentlich benannte: „Seit Wochen kursiert der Name Lucien Favre.“ Wie es aussehe mit der Trainersuche, wollte das Mitglied wissen. Da konnte Borussias Sportdirektor Roland Virkus nicht mehr anders und musste klar bekennen: „Sie können sicher sein, dass wir alles getan haben, aber ich glaube nicht, dass Lucien Favre in den nächsten beiden Jahren Trainer bei Borussia sein wird.“

Das mussten die bis zu 1800 Mitglieder erst einmal verdauen. Es ist anzunehmen, dass die Ausgabe 2022 als die Jahreshauptversammlung in Erinnerung bleiben wird, auf der klar wurde, dass Lucien Favre eben nicht zu Borussia zurückkehrt. Zuvor hatte die mit Spannung erwartete Veranstaltung sich vor allem durch neue Gesichter von vergangenen Jahren abgehoben.

Zuerst blickte Präsident Rolf Königs auf den Zeitraum seit der letzten Mitgliederversammlung zurück, ein vertrautes Bild. Als erstmals lauter Applaus aufbrandete, wurde deutlich: Hinter Borussia liegt kein gewöhnliches Jahr. Königs würdigte gemeinsam mit den Fans die Arbeit von Max Eberl. „Der 28. Januar war kein guter Tag, wir waren traurig“, sagte Königs über den Rückzug des langjährigen Sportdirektors.

Eberls Nachfolger saß erstmals auf dem Podium und fieberte in dem Moment seiner ersten großen Rede im neuen Job entgegen. „Dann können Sie sich ein Bild machen, ob wir gut und richtig gewählt haben“, sagte Königs. Doch zunächst einmal stellte sich ein anderer als „der Neue“ vor: Stefan Stegemann von Borussias Co-Sponsor Sonepar ist seit kurzem Vizepräsident, er folgte auf den Ende 2021 verstorbenen Siegfried Söllner. Stegemann duzte das Publikum und legte einen erfrischenden Auftritt hin. „Wenn es um Fußball geht, ist Borussia meine einzig wahre Liebe“, sagte der 58-Jährige.

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Borussias Finanzzahlen seit 2005

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Foto: Dirk Päffgen/Dirk Paeffgen (dirk)

„Ich kann nicht wie Stefan Stegemann sagen, dass ich der Neue bin“, begann Markus Aretz seine kurze Vorstellungsrede. Der 55-Jährige ist seit 1999 im Verein, aus dem Pressesprecher Aretz wurde 2016 der Direktor Medien und Kommunikation, vor wenigen Wochen folgte die Beförderung zum Geschäftsführer. Mit Virkus und Stephan Schippers bildet Aretz nun ein Trio aus gebürtigen Mönchengladbachern, das auf 78 Jahre Vereinszugehörigkeit kommt.

Schippers gehört mit seinem Finanzbericht längst zum Inventar einer jeden Mitgliederversammlung. 14,6 Millionen Euro Verlust hatte er diesmal zu verkünden, einen Umsatz von 169 Millionen Euro, das Eigenkapital ist auf 72 Millionen Euro geschrumpft. Wer Schippers kennt, der weiß, wie wenig ihm solche Zahlen schmecken, aber trotz der Corona-Umstände und Umsatzeinbußen von 100 Millionen Euro in zwei Jahren konnte er betonen, dass Borussia „mit einem blauen Auge davongekommen“ sei. „Die DFL hat Zahlen veröffentlicht, was Corona mit den Vereinen gemacht hat. Vier haben jetzt schon wieder ein negatives Eigenkapital, was vor zwei Jahren noch undenkbar war“, sagte Schippers.

Dann war Virkus an der Reihe, stellte sich noch einmal ausführlich vor. „Ich bin sehr, sehr stolz, dass ich vor Ihnen stehen darf. Ich bin mir der Verantwortung bewusst und gehe die Aufgabe mit äußerster Demut an“, so der 55-Jährige. Ausführlich fiel auch seine Saisonanalyse aus. „Zu viele Gegentore, insgesamt zu wenig Konstanz und Stabilität“, bemängelte Virkus. Die einvernehmliche Trennung von Trainer Adi Hütter sei die erste Konsequenz gewesen. „Adi Hütter ist ein guter Trainer und ein Ehrenmann. Aber es hat einfach nicht gepasst“, sagte Virkus und bemühte ein Eberl-Mantra: „Es ist immens wichtig, dass wir wissen, wo wir herkommen.“ Borussia will fußballerisch zurück zu ihrer „DNA“.

Dann sorgte Virkus bereits für Raunen, als er auf den vakanten Trainerposten zu sprechen kam: „Es tut mir leid, dass ich auf die Euphoriebremse treten muss.“ Es gehe darum, „endlich den passenden Trainer zu finden“. Dass die Favre-Hoffnung kurz darauf platzte, nahm Schwung aus der Mitgliederversammlung. Für eine Schrecksekunde sorgte zudem Stadionsprecher-Legende Rolf Göttel mit einem Sturz auf der Tribüne.

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