Borussias Vizepräsident Rainer Bonhof im Interview „In Nürnberg werden wir den Grundstein für Europa legen“

Mönchengladbach · Borussias Vize-Präsident Rainer Bonhof spricht im Interview über die letzten beiden Spiele der Saison, die Gründe für die anhaltende Krise, Dieter Hecking und das Ziel Europa.

 Gladbachs Vizepräsident Rainer Bonhof (r.) gemeinsam mit Borussia-Boss Rolf Königs

Gladbachs Vizepräsident Rainer Bonhof (r.) gemeinsam mit Borussia-Boss Rolf Königs

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Herr Bonhof, nach nur zehn Punkten aus den vergangenen zwölf Spielen ist Borussia nun Sechster, und das Europa-Ziel droht verfehlt zu werden. Machen Sie sich Sorgen?

Rainer Bonhof Es geht nicht um Sorgen, es geht darum, dass wir alles tun, um eine Saison, in der wir eine herausragende Hinrunde gespielt haben, jetzt mit einem Europapokalplatz beenden. Das wäre für uns eine tolle Sache. Europa ist für Borussia immer etwas Außergewöhnliches, keine Selbstverständlichkeit. Das vergangene Wochenende, als wir gegen Hoffenheim zweimal nach einem Rückstand zurückgekommen sind, stimmt mich zuversichtlich, dass wir unsere Situation in Nürnberg in die Hand nehmen werden und dort gewinnen. Grundsätzlich habe ich mir aber durchaus Gedanken darum gemacht, was in den Köpfen unserer Spieler vorging.

Was meinen Sie?

Bonhof Das Spiel in Stuttgart, das wir mit 0:1 verloren haben, war von uns – vornehm ausgedrückt – nicht so gut. Da hat man den Spielern die Verunsicherung angemerkt. Aber dieses doppelte Comeback gegen Hoffenheim hat mir gezeigt, dass sich etwas bewegt in der Mannschaft. Auch wenn die Leistung nicht so gut war. Aber wir haben es noch immer in der eigenen Hand.

War es richtig, mit Trainer Dieter Hecking auch in die letzten beiden Spiele beim 1. FC Nürnberg und dann gegen Borussia Dortmund zu gehen?

Bonhof Ja, weil das Team und der Trainer eine Einheit sind. Im Training sieht das richtig gut aus, da ist Zug drin. Und auch außerhalb des Platzes herrscht ein ganz normales, gutes Verhältnis. Die Situation um Dieter Hecking hatte keinen Einfluss auf die Ergebnisse der vergangenen Wochen, da bin ich mir sicher.

Was war dann das Problem?

Bonhof Das weiß ich auch nicht so genau, der Auslöser war aber wohl die Niederlage gegen Hertha BSC (0:3, d. Red.). Wir hätten in diesem Spiel unseren 13. Heimsieg in Folge einfahren können, was ein Vereinsrekord gewesen wäre. In der Phase danach haben wir offensichtlich den Glauben an das verloren, was vorher geklappt hat.

Wie konnte das passieren?

Bonhof Grundsätzlich ist es nie falsch, sich Gedanken zu machen, man denkt immer an das, was kommt, das ist menschlich. Aber die Spieler haben sich einiges zu sehr zu Herzen genommen. Auch ein Jupp Heynckes hat früher mal keine Tore gemacht, aber er hat immer weitergemacht und versucht, es dann eben so schnell wie möglich besser zu machen. Das hat bei einigen unserer Spiele eine Zeit lang gefehlt.

Der Vorsprung auf Platz fünf betrug Anfang Februar nach dem 20. Spieltag zehn Punkte, auf Rang acht sogar 13.

Bonhof Wir wissen, dass das eigentlich nicht zu verstehen ist. Dann muss man irgendwann sagen, wir beißen uns jetzt so darin fest, dass wir unseren Vorsprung verteidigen und nicht durchgereicht werden. Das erinnert ein wenig an Frankfurt in der Saison 2010/2011, das eine tolle Hinrunde gespielt hatte und am Ende zu unserem Glück direkt abgestiegen ist, wodurch wir es in die Relegation geschafft haben. Man gerät dann in eine Spirale, die man nicht aufhalten kann. Der Unterschied ist aber, dass ich sehe, dass wir dagegen ankämpfen.

Etwas spät, oder?

Bonhof Wenn man gut spielt, aber verliert, wie es bei uns in ein paar Heimspielen der Fall war, bringt einen das ins Grübeln. Und leider passiert es dann auch, dass daraus schlechte Leistungen folgen. Bei aller Unzufriedenheit über die Ergebnisse muss man aber genau hinschauen, und dann stellt man fest, dass es drei wirklich schlechte Spiele waren, über die wir reden: Düsseldorf, Stuttgart und Hoffenheim. Es ist einfach die Konstanz, die uns fehlt. Die fehlt uns aber im Kopf, denn am Körperlichen kann es nicht liegen, die Mannschaft ist fit.

Oft wird darüber diskutiert, dass Borussia die Typen fehlen.

Bonhof Die jetzigen Spieler sind aber die gleichen Charaktere, die vorher zwölf Heimspiele in Folge gewonnen, eine tolle Hinrunde gespielt und nach dem 20. Spieltag auf Platz zwei gestanden haben. Es kann also nicht daran liegen, mit dieser Diskussion macht man es sich auch zu einfach. Ich glaube, dass wir im Februar einen Knacks erlitten hatten, der so von der Mannschaft aber zunächst nicht wahrgenommen wurde.

Was muss Dieter Hecking jetzt machen?

Bonhof Dieter muss es schaffen, dass die Spieler sich daran erinnern, dass sie es auch waren, die 20 Spieltage so hervorragend funktioniert haben. Sie müssen sich ihrer Stärken gewiss sein und an sich glauben.

Es ist also kein Problem der Qualität?

Bonhof Das Tor zum 2:2 gegen Hoffenheim hat gezeigt, dass wir es nach wie vor können. Nur passierte so etwas in den vergangenen zwei Spielen viel zu selten bei uns. In der Hinrunde sah man solche Aktionen mehrmals pro Spiel.

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Warum sieht man diese von Borussia nun kaum noch?

Bonhof Weil sich die Gegner auf uns eingestellt haben. Sie haben sich gesagt: Gegen die dürfen wir nicht angreifen. Wir waren immer der Underdog, aber jetzt hat sich die Wahrnehmung von Borussia verändert. Wir erreichen in dieser Saison zum achten Mal in Folge einen einstelligen Tabellenplatz, was außer uns nur den Bayern und Borussia Dortmund gelungen ist in dieser Zeit – das wird von den anderen registriert. Deswegen ist die Situation für uns eine völlig andere geworden. Diese neue Wahrnehmung ist nun die Herausforderung, die wir meistern müssen.

Welches ist das wahre Gesicht dieses Teams? Das der ersten 20 Spiele, das der vergangenen zwölf Partien oder die Mischung aus beidem?

Bonhof Die Hinrunde war etwas Außergewöhnliches. So außergewöhnlich, dass viele Experte gesagt haben, wir könnten eine Rolle im Kampf um die Meisterschaft spielen. Es war jedoch eine neue Situation für uns, dass wir so lange auf einem derart hohen Niveau gespielt haben. Davor hatten wir solche Phasen auch, die aber kürzer waren, bevor es uns erwischt hat. Wir sind eben kein Spitzenteam, das dauerhaft angreifen kann.

Warum nicht?

Bonhof Die Spitzenklubs haben andere Voraussetzungen, andere Etats und andere Qualität. Sie spielen nahezu 34 Spieltage auf einem konstant hohen Niveau, dazu kommen noch die Spiele im Europapokal. Wir arbeiten daran, dass wir dem möglichst nahe kommen, haben aber andere Möglichkeiten. Wir sind auch schon von unserem Team sehr verwöhnt worden, aber in dieser Mannschaft steckt auch eine Labilität. Eben dieses Problem, dass wir uns nach super Spielen zuweilen von einer anderen Seite präsentieren. Konstanz reinzubringen oder eben an Tagen, an denen es nicht so gut läuft, ergebnisorientiert zu spielen, ist eine der nächsten Aufgaben.

Die aktuellste Aufgabe ist aber, die Qualifikation für den Europapokal zu sichern. Glauben Sie noch an die Champions League?

Bonhof Es geht jetzt nur darum, dass wir uns auf das konzentrieren, was notwendig ist. Und das ist erstmal das Spiel in Nürnberg. Ich bin mir sicher, dass wir dort eine gute Leistung abliefern und dort gewinnen werden. Wir müssen die letzten beiden Spiele so angehen, dass wir alle im Verein davon profitieren, jeder einzelne Mitarbeiter. Wir spielen nun für jeden Borussen.

Auch für Marco Rose, der im Sommer Dieter Hecking als Trainer beerben wird. Er soll einen neuen Weg bei Borussia einschlagen.

Bonhof Wir haben hier in den vergangenen Monaten viele gute Ansätze gesehen. Aber der neue Trainer wird wohl etwas Neues einführen, Der Ansatz wird ein anderer sein, und jeder muss wissen, dass das möglicherweise Zeit benötigen wird. Aber die Situation wird so sein, hoffe ich, dass sich jeder darauf einlässt und für Veränderungen bereit ist. Dann werden wir mit dem neuen Trainer gute Resultate erzielen.

Wie schwer fiel es Ihnen, nicht mehr mit Dieter Hecking weiterzumachen?

Bonhof Dieter ist und bleibt ein super Trainer, dabei werde ich immer bleiben. Er ist im Herzen ein Borusse, das hat man jederzeit gemerkt. Aber wenn man zu der Erkenntnis kommt, eine neue Ausrichtung haben zu wollen und dann auch noch die Chance hat, einen dazu passenden Trainer wie eben Marco Rose zu bekommen, muss man sagen, dass Max Eberl das gut gemacht hat, und seinen Weg unterstützen. Aber Dieter wird bei Borussia immer willkommen sein, er hat uns sportlich in einer schwierigen Situation stabilisiert, er war und ist ein Gewinn für uns. Wir sind jetzt in einer Phase, in der es uns prima geht, aber unsere Konkurrenz wird nicht schwächer, und auch wir müssen immer neue Mittel und Wege finden, um uns gegen diese Konkurrenz zu behaupten.

Warum geht das mit Marco Rose?

Bonhof Wir können gerne nach Saisonende über Marco Rose sprechen, jetzt ist Dieter Hecking noch unser Trainer, und wir konzentrieren uns auf die letzten beiden Saisonspiele.

Wie wichtig wäre es für Rose, dass es Borussia nach Europa schafft?

Bonhof Das ist für jeden Trainer attraktiv, war aber nicht Bestandteil der Gespräche mit ihm.

Sollte Borussia „nur“ Siebter werden, stünden drei Qualifikationsrunden für die Europa League an, was die Vorbereitung unter Rose sehr beeinträchtigen würde.

Bonhof Das kann sein, vielleicht wäre es aber auch eine Möglichkeit, unter Wettkampfbedingungen mit der Mannschaft zu arbeiten. Warum muss man immer an alles negativ herangehen? Vielleicht kommt es ja auch gar nicht so.

Warum nicht?

Bonhof Weil wir in Nürnberg schon den Grundstein dafür legen werden und nur mit dem Gedanken dahin fahren, dass wir dort gewinnen. Und dann kommt am letzten Spieltag Borussia Dortmund in den Borussia-Park. Da müssen wir noch einmal richtig Feuer geben. Und dann gehe ich davon aus, dass wir alle einen wunderschönen Abschluss dieser Saison feiern werden.

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