Borussia Mönchengladbach Raffael und Stindl sind noch besser als gedacht

Mönchengladbach · Zwei Jahre lang harmonierten Raffael und Max Kruse prächtig in Borussias Offensive. Dass Raffael in Lars Stindl einen noch besseren Partner finden würde, erschien unwahrscheinlich. Besonders die Zahl der vorletzten Pässe macht sie zum Traumpaar – an vier von fünf Toren sind sie beteiligt.

Entstehung der Bundesliga-Tore in der Saison 2015/16
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Foto: Dieter Wiechmann

Zwei Jahre lang harmonierten Raffael und Max Kruse prächtig in Borussias Offensive. Dass Raffael in Lars Stindl einen noch besseren Partner finden würde, erschien unwahrscheinlich. Besonders die Zahl der vorletzten Pässe macht sie zum Traumpaar — an vier von fünf Toren sind sie beteiligt.

Was war das in den 90er-Jahren innovativ, wenn während einer Live-Übertragung die Ballbesitz- oder die Zweikampf-Statistik eingeblendet wurde. Diese Übermenschen, die das festhielten, mussten doch mindestens 16 Augen haben und eine 4-GB-Festplatte im Kopf (das war ganz schön viel Speicher damals). Immerhin benötigte man nicht so viele von ihnen, weil noch nicht jedes Bundesligaspiel im Fernsehen gezeigt wurde.

Die "Alle Spiele, alle Tore"-Philosophie ist inzwischen 15 Jahre alt. Noch stärker als der Umfang der TV-Berichterstattung ist seitdem die Einbindung von Statistiken gewachsen. Mit dem Ballbesitz muss man längst nicht mehr um die Ecke kommen, selbst die Passstatistik hat an Aussagekraft verloren, weil inzwischen die Quote im Angriffsdrittel oder gar im gegnerischen Strafraum interessieren.

Der blinde Fleck der Statistiken

Obwohl das Geschehen auf dem Rasen heutzutage sorgfältiger gescannt wird als ein Reisender vor einem Transatlantikflug, wird eine Statistik ignoriert. Der Torschützenkönig bekommt seine Kanone, dem besten Vorlagengeber wird gehuldigt, allerdings noch nicht so lange. Doch irgendwie muss der ja an den Ball gekommen sein: Was ist mit den "Assist-Assists" (den Begriff mussten wir uns ausdenken)? Was ist mit dem öffnenden 50-Meter-Pass, den der Vorbereiter annimmt, querspielt und den der Torschütze nur noch über die Linie drücken muss?

40 Tore hat die Borussia in 20 Bundesligaspielen erzielt. Wir haben uns alle noch einmal angesehen, um diese Fragen zu beantworten. Die Zahlen, die dabei herauskamen, lassen das Traumduo Raffael und Lars Stindl noch mehr glänzen. Zusammen haben sie 14 Tore erzielt, waren an 26 als Schütze oder Vorlagengeber beteiligt — nimmt man die "Assist-Assists" hinzu sind es sogar 32. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass nur eines von fünf Gladbacher Toren ohne einen der beiden auskommt.

Seit Anfang November liegt ihre Quote sogar bei 88 Prozent. Beim Tor zum zwischenzeitlichen 3:0 gegen den FC Bayern spielte Mo Dahoud den Ball zu Julian Korb, der Fabian Johnson auf die Reise schickte. Das 5:1 gegen Werder Bremen fiel, indem der Ball über Branimir Hrgota und ein Gegnerbein zu Havard Nordtveit kam. Der Norweger schoss ihn mit Gefühl, aber nach eigenen Angaben blind ins Tor. Das 4:1 kurz zuvor war dagegen typisch: Raffael bediente Stindl, der war nur per Foul im Strafraum zu stoppen, den Elfmeter verwandelte Raffael.

Die erweiterte Scorer-Statistik der Borussia sieht so aus:

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Dabei wird im Schatten der alles überragenden Raffael und Stindl auch der enorme Wert Dahouds deutlich. Zwei Tore, fünf Vorlagen und vier "Assist-Assists" sind für einen Sechser mit Offensivdrang stark, zumal für einen 20-Jährigen. Pro 90 Minuten Einsatzzeit kommt Dahoud so auf eine Torbeteiligung.

Solche Spieler geraten schnell in ein Toni-Kroos-Dilemma, weil ihr Anteil am Zustandekommen eines Treffers oft untergeht. Auch der ehemalige Bayern-Spieler, nun in Diensten von Real Madrid, musste sich häufig anhören, er sei nicht torgefährlich genug. Dabei ist Kroos so etwas wie der personifizierte "vorletzte Pass".

Dahoud übertrifft seinen Vorgänger Christoph Kramer also deutlich, was seine Qualitäten in der Offensive angeht. Vor der Saison war Stindl als Nachfolger des zu Bayer Leverkusen zurückgekehrten Weltmeisters gehandelt worden, doch seit dem Rücktritt von Lucien Favre harmoniert Stindl in vorderster Front mit Raffael.

Raffael und Stindl sind gefährlich für drei

In der Saison 2014/15, die Gladbach mit 66 Punkten auf dem dritten Platz beendete, war das noch Max Kruses Revier. Dessen elf Tore und neun Vorlagen könnte Stindl bald erreichen, bei den "Assist-Assists" liegt er schon vor dem Neu-Wolfsburger. Zusammen mit Raffael, der vergangene Spielzeit nur zwei Vorlagen produzierte und jetzt bei neun steht, kompensiert er auch den Ausfall Patrick Herrmanns. Überhaupt verteilt sich die Torgefahr bei der Borussia auf fast alle Schultern. Einer der Hauptgründe für den Aufschwung nach dem Horrorstart in die Saison ist die Tatsache, dass Gladbach unter André Schubert nur schwer auszurechnen ist.

Raffael und Stindl haben dagegen fast immer ihre Füße oder andere Körperteile im Spiel. Gegen Bremen kamen sie jeweils auf ein Tor und einen Assist, beim 4:1 waren sie wie gesagt gemeinsam involviert. Die folgende Tabelle vergleicht das Duo mit Raffael und Kruse, die weitaus seltener Co-Produzenten waren:

Vergangene Saison drehten Raffael und Kruse übrigens erst in der Schlussphase richtig auf, als nur zwei der letzten 13 Tore ohne ihr Zutun fielen. Bei den ersten 40 Treffern lag ihre Quote lediglich bei 63 Prozent, zusammen mit Stindl kommt Raffael auf 80.

Wenn sie den Schnitt halten und die Borussia generell so treffsicher bleibt, muss eine alte Weisheit wohl umgedichtet werden. Dann gewinnt die Defensive zwar keine Meisterschaft, aber die Offensive könnte erneut in die Champions League führen. Übrigens haben Raffael und Stindl nur acht Millionen Euro Ablöse gekostet. Allein als Startgeld in der Königsklasse gibt es zwölf Millionen.

(jaso)
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