Borussias 1:1 auf Schalke Raffaels Verantwortung und eine neue Hochrechnung

Mönchengladbach · Beim 1:1 auf Schalke geht Gladbach nicht zum ersten Mal in den vergangenen Jahren die Torgefahr ab. Borussia ist jetzt Neunter, Raffael hat neun Tore auf dem Konto – in der Zweistelligkeit sollte aber nur noch einer von beiden landen.

Da konnte Raffael noch mit Lars Stindl jubeln.

Da konnte Raffael noch mit Lars Stindl jubeln.

Foto: ap, mm

Beim 1:1 auf Schalke geht Gladbach nicht zum ersten Mal in den vergangenen Jahren die Torgefahr ab. Borussia ist jetzt Neunter, Raffael hat neun Tore auf dem Konto — in der Zweistelligkeit sollte aber nur noch einer von beiden landen.

Zum achten Mal in Folge gab es zwischen Schalke und Borussia ein anderes Trainerduell in der Bundesliga. Die letzten beiden, die zweimal in Folge aufeinandertrafen, hießen Felix Magath und Michael Frontzeck. Seit 1992 hat überhaupt nur Lucien Favre mit Borussia auf Schalke gewonnen (im DFB-Pokal schaffte es noch André Schubert), und vielleicht hätte es so ein Schlagabtausch werden können wie fast auf den Tag genau vier Jahre zuvor: 50:50 Prozent Ballbesitz, 17:12 Torschüsse für Schalke, ein einziges Tor durch Gladbachs Patrick Herrmann.

Doch als Nabil Bentaleb nach einer ausgeglichenen und vielversprechenden Anfangsphase vom Platz flog, ging es in Sachen Ballbesitz nur noch um die Frage, ob Dieter Heckings Mannschaft die 72 Prozent der Schubert-Borussia aus dem Herbst 2016 überbieten würde. Das gelang ihr — mit 73 Prozent. 2015 biss sich die Favre-Borussia mit 69 Prozent die Zähne an Roberto Di Matteos Schalke aus, kam nur auf acht Torabschlüsse und verlor 0:1. 2016 im Frühjahr unter Schubert spielte Borussia den Gegner wirklich mal an die Wand, unterlag André Breitenreiters Schalke aber durch anderthalb Eigentore auf absurde Weise 1:2. Dass das Remis am Samstag irgendwie in Ordnung ging, war aber auch keine bessere Nachricht.

741 Pässe bedeuteten einen neuen Saisonrekord, nur etwa jeden vierten spielten allerdings die Offensivleute. Gerade in der zweiten Hälfte schaffte es Borussia kaum noch gefährlich in den gegnerischen Strafraum. Am Ende des besten Angriffs verpasste Nico Elvedi in der Mitte die Hereingabe von Oscar Wendt, dem 2:1 am nächsten kam Elvedi mit einer abgerutschten Flanke an die Latte. Die Karte mit Borussias Pässen besteht aus lauter konzentrischen Halbkreisen um den Strafraum herum, erfolgreich hinein spielten in der zweiten Hälfte zum Beispiel Raffael, Thorgan Hazard und Michael Cuisance keinen einzigen Ball.

Raffael hat Christian Hochstätter hinter sich gelassen und peilt als nächsten Wilfried Hannes an, der mit 58 Toren die zehntmeisten in Borussias Bundesliga-Geschichte erzielt hat. Sagen wir es so: Holt er (56 Tore) den heute 60-Jährigen in dieser Saison noch ein, wäre das den Gladbacher Europa-Ambitionen äußerst zuträglich. Mit dem Brasilianer in der Startelf hat Borussia seit dem 1:5 gegen Bayer Leverkusen im Oktober nur zwei von 13 Spielen verloren und von den elf, in denen er entweder eingewechselt wurde oder gar nicht dabei war, nur zwei gewonnen. In Lars Stindls Abwesenheit trägt Raffael nun noch mehr Verantwortung.

Gelb hat Raffael seit mehr als einem Jahr nicht gesehen (im Europa-League-Rückspiel gegen Schalke), weshalb ihn schon mal keine Gelbsperre darin hindern wird, noch 180 Minuten auf dem Platz zu stehen — anders als drei Stammspieler-Kollegen. Die Borussen sammeln ihre Karten sehr gebündelt in dieser Saison. Nico Elvedi und Denis Zakaria mussten im Dezember schon pausieren, seitdem hat der eine nur noch eine und der andere weitere fünf gesehen. Lars Stindl fehlte in München, nun folgen neben Zakaria gegen Freiburg noch Jannik Vestergaard und Christoph Kramer: Macht 31 von 46 Verwarnungen verteilt auf fünf Schulterpaare, während darüber hinaus kein Borusse auch nur drei Gelbe Karten auf dem Konto hat. Auf Schalke gab es für die ersten drei Vergehen jeweils eine, Oscar Wendts Foul in der 26. Minute war überhaupt Gladbachs erstes an diesem Nachmittag.

Zwei Punkte Rückstand auf schwächelnde Frankfurter und noch zwei Spiele gegen den SC Freiburg und den Hamburger SV vor der Brust — die Konstellation erinnert schwer an 2011, als sich Borussia mit vier Punkten noch vor die Eintracht setzte, die gar nichts mehr holte. Damals ging es um den Relegationsplatz, diesmal um den siebten Platz, der — vorausgesetzt, der FC Bayern gewinnt den DFB-Pokal — so etwas wie eine Relegation um die Europa League bringt. Ob drei K.o.-Runden gegen noch unbekannte Gegner binnen sechs Wochen härter sind oder eine gegen den VfL Bochum binnen sieben Tagen, möge jeder selbst entscheiden.

Anders als vor sieben Jahren sollte Borussia besser beide Spiele gewinnen. Der Sieg des VfB Stuttgart bei Bayer Leverkusen hat dazwischenfunkt, aber im Normalfall (wobei man in dieser Saison bei dem Wort vorsichtig sein sollte) lässt der VfB gegen 1899 Hoffenheim und den FC Bayern mindestens einmal Federn. Dann müsste Frankfurt bei zwei Gladbacher Erfolgen eines der beiden Spiele gegen den Hamburger SV und den FC Schalke verlieren. Dieter Hecking beantragte am Samstag schon einmal Schützenhilfe bei Domenico Tedesco, aber Borussias Trainer weiß natürlich auch, dass seine Mannschaft zuerst ihre Hausaufgaben erledigen muss. Nächste Woche wird aufs Neue gerechnet. Noch ist nicht einmal die Zweistelligkeits-Gefahr gebannt. Durch RB Leipzigs 0:3 gegen den FSV Mainz hat Borussia jedoch sogar den Rückstand auf Platz sechs verkleinert. Drei Punkte sind es noch.

(jaso)
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