Borussia Mönchengladbach "Papa" Grifo und Gladbachs junger Weg

Mönchengladbach · Wenn sich Vincenzo Grifo, kurz "Vince" genannt, am 2. Juli zum üblichen Foto mit den anderen Zugängen von Borussia Mönchengladbach formiert, wird sich der Italiener, der vom SC Freiburg kommt, ein bisschen fühlen wie der Papa der Kompanie.

Vincenzo Grifo: Nach nur einem Jahr weg von Borussia Mönchengladbach
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Das ist Vincenzo Grifo

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Foto: Imago (Archiv)

24 Jahre ist Grifo alt, also weiß Gott kein Methusalem. Doch in Gladbach ist man mit Mitte 20 schon mindestens einer aus der Riege der Erfahrenen. Am nächsten dran an Grifo ist Denis Zakaria aus Bern. Er ist 20. Die anderen Neuen sind Teenager. Stürmer Julio Villalba aus Paraguay ist 18, Mittelfeldspieler Mickael Cuisance (AS Nancy) 17. Auch die, die wohl noch kommen werden, sind keine 20: Reece Oxford, ein Verteidiger von West Ham United, ist 18. Und Moreto Cassama, ein offensiver Mittelfeldspieler aus Porto, der selbst verkündet hat, Borusse zu werden, 19.

Manager Max Eberl findet, dass der umformatierte Kader eine "gute Mischung" hat. Borussia hat sich entschieden, den "jungen Weg" weiterzugehen und entsprechend ihrer Möglichkeiten in dem Segment zugelegt. Meist werden die Neuerwerbungen mit dem Zusatz "Top-Talent" oder "Juwel" versehen und gehören in ihrer Heimat zu den Besten ihres Jahrgangs. Für Borussia sind sie sportliche Zukunft ebenso wie Investitionsobjekte. Schaffen es die Talente, steigt der Wert.

Borussia holt gern Spieler, die vor dem nächsten Schritt stehen und hat damit die Fohlenphilosophie der alten Tage - Ambitionierte, die in Gladbach zu Stars reifen - in die Moderne übersetzt. Die Haare der Fohlen sind kürzer als früher, die Preise arg gestiegen. Wer Talente bekommen will, muss früh am Ball sein. Meist haben die Gladbach-Scouts sie seit Jahren auf dem Zettel. Dabei muss man immer neue Märkte auftun, denn die Preise steigen schnell, wenn ein Markt erschlossen ist. Nico Elvedi zum Beispiel, der vor zwei Jahren für vier Millionen Euro aus Zürich kam, würde heute das Doppelte kosten - mindestens.

Bisher hat Borussia für die Offensive und das zentrale Mittelfeld eingekauft. Oxford würde die Abwehr stärken, Cassama die Kreativ-Abteilung und ein Strafraumstürmer die Torproduktion. Zudem hat Eberl mit Kapitän Lars Stindl, Torwart Yann Sommer, Fabian Johnson, Ibo Traoré und Tony Jantschke verlängert - auch das kostet. Geschätzt etwas mehr als 26 Millionen Euro wurden bisher investiert. Garantien gibt es in der Preisklasse keine. Die Option, dass ein Talent sich nicht so entwickelt wie erhofft, spielt mit. Geduld und Vertrauen sind in dem Planspiel wichtige Faktoren.

Die Analyse hat indes nicht nur sportlichen Handlungsbedarf ergeben. Der Sportwissenschaftler Andreas Schlumberger wurde vom FC Bayern geholt. Er soll quasi als Supervisor die Abläufe in der medizinischen Abteilung verbessern, da es in den vergangenen beiden Spielzeiten zu viele Verletzte gab. Auch die Verpflichtung des Ex-Profis Otto Addo, der nur für die Talente zuständig ist, gibt dem Umfeld des Teams Struktur. "Transfers sind das eine, das andere ist zu gucken, wo Verbesserungspotenzial ist. Es hat an der einen oder anderen Ecke geknarzt. Beide sind wichtige Personen in unserem neuen Konstrukt", sagt Eberl. Das gilt auch für die beiden ältesten Zukäufe. "Mit Vincenzo und Denis haben wir zwei Spieler dazubekommen, die den Kader besser machen", sagt Eberl. Sie könnten zudem den Typ-Faktor einbringen, der in der Vorsaison etwas fehlte, zumindest haben sie das Potenzial dazu. Es muss halt abgerufen werden. So ist es an vielen Stellen. Der Weg im Schatten der Großen erfordert viel Kreativität, er ist Chance und Risiko zugleich. Aber er ist "alternativlos", wie Eberl sagt.

(kk)
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